Noch 11.519 Mängel, aber die Entrauchungsanlage funktioniert
Nach einem geleakten Statusbericht des TÜVs Rheinland erreicht der Streit um die Eröffnung des neuen Berliner Flughafens die Pressekammer des Hamburger Landgerichts
2006 wurde mit dem Bau eines neuen Berliner Flughafens begonnen, der eigentlich schon seit 2011 fertig sein sollte. So weit ist man aber auch 2019 noch nicht. Dafür hat Flughafen-Geschäftsführer Lütke Daldrup dem RBB zufolge jetzt die Abnahme der Entrauchungssteuerung durch den TÜV als "ganz wichtigen Meilenstein für die planmäßige Inbetriebnahme" vermeldet. Zu dieser Entrauchungssteuerung gehört unter anderem das automatische Öffnen von Türen, das noch 2017 zu mindestens zwei Dritteln nicht wie geplant funktionierte. Bei der Suche nach der Ursache dafür war Telepolis damals an Mauern aus Unzuständigkeit gestoßen (vgl. Technische Probleme lassen BER-Flughafen Baustelle bleiben).
Einen dem Tagesspiegel zugespielten einundsechzigseitigen internen Statusbericht des TÜV Rheinland zum Zustand der Anlagentechnik im Fluggastterminal nach existierten am 8. März 2019 alleine "bei den Kabeln für die Sicherheitsbeleuchtung und die Sicherheitsstromversorgung" noch 11.519 Mängel. Gegenüber der Öffentlichkeit hatte man vorher verlautbart, es gebe weniger als 3000 Mängel. Die Diskrepanz zwischen den beiden Zahlen erklärte Flughafensprecher Hannes Hönemann damit, dass man nun "Mängel in jeden einzelnen kleinteiligen Arbeitsschritt unterteilt" habe, "damit die Firmen bei der Abarbeitung keine Ausreden mehr haben".
Die aufgrund der Diskrepanz der Zahlen erfolgte Einstufung als "notorischer Lügner" durch den Berliner FDP-Fraktionsvorsitzenden Sebastian Czaja versucht Daldrup durch die einschlägig bekannte Pressekammer des Landgerichts Hamburg als "unzutreffende Tatsachenbehauptung mit beleidigendem Charakter" verbieten zu lassen (vgl. Der Gerichtsreporter und die Kammer des Schreckens). Czajas Meinung nach zeigt diese Reaktion, "wie es um den Flughafen wirklich steht".
Die "Vielzahl von Rückbauten", die dem TÜV Rheinland zufolge nötig sind, bedeuten dem Flughafensprecher zufolge keinen "Abriss". "Manchmal", so Hönemann, müsse man "einfach eine Abdeckung oder ein Wandelement abnehmen oder ein Lüftungsrohr wegnehmen, um an die sicherheitsrelevanten Kabel zu kommen". Dem Problem, dass man für die Befestigung von Kabeln keine Metall-, sondern unzulässige Kunststoffdübel verwendet hat (die bei einem Brand schmelzen können), wollen die Berliner Flughafenbauer nicht mit einem Austausch, sondern mit dem "Nachweis" begegnen, dass die Konstruktion trotzdem sicher ist. Dieser (bislang noch nicht erbrachte) Nachweis soll dann zu einer "Einzelfallzulassung" führen.
Prüfung des Zusammenspiels der Anlagen soll im Juli beginnen
Auch bezüglich der bislang noch nicht abgenommenen Brandmeldeanlage gibt man sich offiziell zuversichtlich und stellt in Aussicht, dass die Prüfung des Zusammenspiels der Anlagen wie geplant im Juli beginnen kann.
Klappt das nicht, könnte sich der Eröffnunggstermin weiter in die Zukunft verschieben, was in der Vergangenheit bereits mehrfach geschah: Weil sich das Licht nicht ausschalten ließ (und für elf Millionen Euro umgebaut wurde), weil man die Rolltreppen und Gepäckbänder zu kurz bestellt hatte, weil sich in überlasteten Kabeltrassen Hitze staute, weil Ventilatoren für die Decken zu schwer waren, weil über 1.000 der insgesamt 4.000 Räume wegen einer unzureichend kommunizierten Umplanung eine falsche Nummer bekommen hatten und weil 600 von insgesamt 1.000 falsch gepflanzten Bäume wieder herausgerissen und neu eingesetzt wurden.
Was wird früher fertig: BER, Notre Dame oder Brexit?
In Sozialen Medien fragt man sich deshalb (teils im Scherz und teils im Ernst), ob der Berliner Flughafen wohl eher fertig sein wird, als der vom französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron in fünf Jahren in Aussicht gestellte Abschluss des Wiederaufbaus der Kathedrale von Notre Dame (für den Experten eher 15 Jahre veranschlagen). Auch der nun ebenfalls schon mehrmals verschobene Vollzug des Ausstiegs von Großbritannien aus der EU wird in Wetten und Fragen dieser Art gern als Gegenüberstellungsereignis genannt.
Sollte die nach dem verstorbenen SPD-Politiker Willy Brandt benannte Anlage einmal fertig werden, ist ein rentabler Betrieb nicht gesichert. Das glaubt zumindest Frank Welskop, der ehemalige Wirtschaftsausschussvorsitzende der Landesentwicklungsgesellschaft Brandenburg. Durch den hohen Anteil von Billigflügen wird der BER-Flughafen seiner Ansicht nach "immer eine riesige Umsatzlücke haben" und "nicht in der Lage sein, auch nur in die Nähe der Gewinnschwelle zu kommen".
Damit die Kosten des Betriebs gedeckt sind, wären seiner Rechnung nach "mindestens 800 Millionen Euro Umsatz nötig" - mit der geplanten Kapazität von 22 oder 27 Millionen Passagieren wird das seine Ansicht nach bei weitem nicht erreicht. Selbst wenn man alle anderen Berliner Flughäfen schließen und 33 Millionen Passagieren haben würde, käme man lediglich auf die Hälfte: 400 Millionen Euro (vgl. Willy-Brandt-Flughafen: Unrentabler Betrieb absehbar?).
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