Noch schreibt KI für uns Texte – bald wird sie Kriege führen

Seite 3: Militärische KI im Informationskrieg

Auch an der Heimatfront und im Informationskrieg stehen offenbar KI-Anwendungen offenbar bereits zur Nutzung bereit oder befinden sich gar schon in der Anwendung. So hat die Somtxt UG, "eine Analysefirma in Rostock, die auf die Verarbeitung und Mustererkennung in großen Textdatenbeständen spezialisiert ist", einen Industrievortrag unter folgendem Titel angemeldet: "Mit künstlichen neuronalen Netzen orchestrierte Meinungsmanipulation zielgenau aufklären". Vorgestellt werden sollte "von der Somtxt UG entwickelte Algorithmus Textrapic" und die Plattform "Kalevi":

Die Somtxt UG kann unter der Einbindung zweier sehr populärer sozialer Netzwerke mehrere tausend Web-Seiten innerhalb weniger Tage identifizieren, auf denen Verschwörungserzählungen, Propaganda oder Falschnachrichten kultiviert und von APM Teams verbreitet und in manipulativer Absicht künstlich verstärkt werden, wahlweise in russischer, englischer, spanischer, französischer und weiteren Sprachen…

In unserem Industrievortrag zeigen wir den Datenverarbeitungsprozess und die Mustererkennung mit künstlichen neuronalen Netzen in der Kalevi-Plattform, sowie die Binnenstruktur fremdstaatlich gesteuerter Meinungsmanipulation exemplarisch auf. An verschiedenen Beispielen erfolgreicher Mustererkennung geben wir dem Fachpublikum einen tiefen Einblick in die Wirkmechanismen und grundlegenden Eigenschaften manipulativer Kampagnenarchitekturen, um zu verdeutlichen, in welcher Qualität und vor allem Quantität sich die wachsende Herausforderung der Meinungsmanipulation darstellt.

Auch die rola Security Solutions GmbH aus Oberhausen spricht in ihrem Abstract von einem "gesteigerte(n) Bedarf, Meta- und Contentinformationen aus gängigen Social Media Kanälen zu erheben" und will hierfür "KI-basierte Objekterkennung" zur Verbesserung des Lagebildes einsetzen.

Der Vortrag scheint dabei primär auf militärische Anwendungen abzuzielen. Auf seiner Homepage bezeichnet sich das Unternehmen, das seit 2014 T-Systems gehört, als "Partner Nr. 1 für deutsche Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben" und einen der "verlässlichsten Anbietern von IT-Lösungen im Bereich der Inneren und Äußeren Sicherheit".

Combat Clouds

Einer der Gründe, warum sich KI-Anwendungen auch bei der Bundeswehr in den nächsten Jahren in großem Umfang und mit großer Geschwindigkeit realisieren dürften, besteht darin, dass mit der aktuell tatsächlich umgesetzten Digitalisierung der Streitkräfte der jahrzehntealte Traum von der netzwerkzentrierten Kriegführung wahr werden könnte.

Mittlerweile sind auch bei der Bundeswehr viele Systeme, Sensoren und sog. "Wirkmittel" (Shooter), miteinander in (nahezu) Echtzeit vernetzt und die Interaktion zwischen Menschen und Schwärmen unbemannter Systeme, das sog. Manned- Unmanned Teaming ("MUM-T"), wird auf verschiedenen Ebenen vorangetrieben.

Voraussetzung hierfür sind "Informationsverbünde", für die sich in den letzten Jahren auch der Begriff "Combat Cloud" etabliert hat. Entsprechende Großprojekte der deutschen und europäischen Rüstung ziehen sich entsprechend wie ein roter Faden durch die Industrievorträge.

So beziehen sich allein drei der 39 Abstracts explizit auf das Projekt D-LBO ("Digitalisierung landbasierter Operationen), mit dem perspektivisch "bis zu 25.000 Fahrzeuge und bis zu 155.000 Soldaten" untereinander vernetzt agieren können sollen.

Zwei Abstracts beziehen sich explizit auf das FCAS ("Future Combat Air System"), bei dem bemannte Kampfflugzeuge von ganzen Schwärmen unbemannter Flugzeuge begleitet werden sollen.

Der Airbus-Konzern, der gemeinsam mit Thales hierfür die Combat Cloud entwickeln soll, nennt im Abstract seines Beitrages FCAS zwar nicht konkret, hat ihn aber mit "Anwendungsfälle für KI in der Multi-Domain Combat Cloud" überschrieben.

Wenn es dort heißt, die "moderne Gefechtsführung" stehe "vor einem disruptiven Umbruch", so dürfte damit zumindest auch der Beitrag von Airbus zum Flaggschiff der deutsch-französischen Rüstungskooperation gemeint sein.

Das "Future Combat Mission System", das in dieser Combat Cloud agieren soll, wird gemeinsam von Hensoldt, ESG, Rohde & Schwarz und Diehl entwickelt, die außer Diehl allesamt mit eigenen Industrievorträgen auf der AFCEA-Fachausstellung vertreten waren.

Wieder nur leere Versprechen?

Somit bildet diese einzelne Veranstaltung ein breites Bild dessen, was man als die Lieferkette militärischer KI bezeichnen könnte. Mit rund 250 ausstellenden Unternehmen an etwa 180 Ständen und insgesamt knapp 3.000 Besucher:innen war die Messe nicht einmal besonders groß, weitgehend auf deutsche Hersteller beschränkt und auf deutsche Auftraggeber zugeschnitten.

Natürlich werden auf solchen Messen immer große Reden gehalten und hohe Erwartungen geweckt. Handelt es sich vielleicht ein weiteres Mal nur um leere Versprechen, mit denen die Unternehmen der Regierung Geld aus der Tasche locken wollen?

Das Ausmaß, in dem sich hier auf fertige und seriennahe Produkte sowie bereits in der Umsetzung befindliche Großprojekte bezogen wird, spricht dagegen.

So spricht wenig dafür, dass die US-Industrie (und andere) nicht schon mindestens einen Schritt weiter sind und in der Ukraine bereits viele Dinge zur Anwendung kommen, die zumindest vor kurzem noch utopisch wirkten. Die Zeitenwende – im Militär zeichnet sie sich sehr konkret ab.