Norwegens Steuerpläne für Reiche spalten das Land und verängstigen Unternehmer

Geschäftsfrau, die den Laptop zum Ausfüllen der Einkommensteuer online nutzt.

(Bild: chayanuphol / Shutterstock.com )

Norwegen plant eine stärkere Besteuerung von Vermögen und Kapitalerträgen. Viele Reiche sind bereits ausgewandert. Droht dem Land nun der Niedergang?

Die europäischen Gesellschaften sind gespalten: Vermögen konzentriert sich in immer weniger Händen. Dies führt immer wieder zu Forderungen, Reiche stärker zu besteuern, um ärmeren Menschen gesellschaftliche Teilhabe und sozialen Aufstieg zu ermöglichen.

Norwegens Regierung plant Vermögensumverteilung durch höhere Steuern

In Deutschland etwa haben Gewerkschaften und Sozialverbände in der Vergangenheit gefordert, Vermögen umzuverteilen. Linke Parteien fordern regelmäßig höhere Steuern für Reiche. Auch einige Vermögende forderten mit der Kampagne "tax me now", dass der Staat sie stärker besteuern solle.

In Norwegen wagt die Regierung dieses soziale Experiment. Sie hat im März Pläne zur stärkeren Besteuerung von Vermögen und Kapitalerträgen vorgelegt. Das norwegische Parlament wird sich noch in diesem Jahr damit befassen.

Wegzugssteuer soll reiche Steuerflüchtlinge treffen

Nach offizieller Darstellung will die sozialdemokratisch geführte Minderheitsregierung Milliardäre treffen, die das Land verlassen haben, um Steuern zu sparen. Sie würden ein Schlupfloch im Steuersystem nutzen, um weniger an den Staat abzuführen. Und das soll nun gestopft werden.

Auswanderer sollen eine Wegzugssteuer zahlen, für die es mehrere Zahlungsoptionen gibt. Sie könnte sofort entrichtet werden. Oder zinslos in einem Zeitraum von zwölf Jahren. Die dritte Option sieht für einen darüber hinausreichenden Zeitraum Zinsen vor. Auf nicht realisierte Wertzuwächse werden demnach 37,8 Prozent an Steuern fällig.

Mittelschicht und Unternehmer beunruhigt über neue Steuerpläne

Was sich offiziell nur gegen reiche Steuerflüchtlinge richten soll, beunruhigt aber auch einen Großteil der Mittelschicht und der Unternehmer im Land, berichtet der Finanzdienst Bloomberg. Denn die Steuer soll nicht erst ab einem Milliardenvermögen fällig werden, sondern bereits ab 500.000 Kronen (43.819 Euro).

Finanzminister Trygve Slagsvold Vedum begründete die Maßnahme damit, dass in Norwegen angesammelte Werte auch tatsächlich in Norwegen besteuert und die Steuer gezahlt werde. Das sei fair und wichtig für das Vertrauen in das Steuersystem und das Gemeinwesen.

Dutzende der reichsten Norweger sind bereits ausgewandert, vorwiegend in die Schweiz, um den höheren Steuern auf Vermögen und Dividenden zu entgehen. Seit ihrem Amtsantritt vor weniger als zwei Jahren hat die Regierung die Steuersätze deutlich erhöht. Der Spitzensteuersatz auf Vermögen (über 20 Millionen Kronen) stieg in den letzten Jahren von 0,85 auf 1,1 Prozent, der effektive Steuersatz auf Dividenden und Aktiengewinne von 31,8 auf 37,8 Prozent.

Premierminister Jonas Gahr Store bezeichnete die Abwanderung der Reichen als "Bruch des Gesellschaftsvertrags". Unternehmer wie der Immobilieninvestor Tord Kolstad, einer der 400 reichsten Norweger, sehen darin dagegen eine Bestrafung für Erfolg, die zu weniger Arbeitsplätzen und Investitionen führe.

Start-up-Szene befürchtet Benachteiligung im globalen Wettbewerb

Auch die norwegische Start-up-Szene befürchtet negative Folgen der Steuerpläne. Marit Rodevand, Gründerin des Anti-Geldwäsche-Start-ups Strise AS, warnt laut Bloomberg, dass die Wegzugssteuer Norwegen im globalen Wettbewerb benachteiligen könnte.

Johan Brand, Mitbegründer des Bildungstechnologie-Unternehmens Kahoot! AS, erwägt demnach, ein geplantes Software-Start-up lieber in Großbritannien anzusiedeln. Er kritisiert, dass Politiker und Wähler vergessen hätten, dass Norwegen vor dem Ölboom ein armes Land mit wenig Industrie war.

Kritiker sehen Zukunftsfähigkeit der norwegischen Wirtschaft gefährdet

Kritiker sehen die Zukunftsfähigkeit der stark vom Öl abhängigen norwegischen Wirtschaft durch die Steuerpolitik gefährdet. Der Ölsektor trägt derzeit ein Fünftel zum Bruttoinlandsprodukt und 44 Prozent zu den Exporten bei.

Der Arbeitgeberverband NHO warnte, der Steuerplan könne die Fähigkeit Norwegens beeinträchtigen, das für Innovationen und Umstrukturierungen notwendige Know-how und Risikokapital anzuziehen. Außerdem drohe eine weitere Zunahme der Auswanderung die Steuerbasis zu schwächen.

Die regierenden Sozialdemokraten und ihr Koalitionspartner halten bisher an ihrem Kurs fest. Finanzstaatssekretär Erlend Grimstad erklärte jedoch nach Kritik aus der Wirtschaft, dass die Regierung bei einem geplanten Vorgehen gegen persönlichen Konsum über Firmenkonten vorsichtig geworden sei.

Unternehmer hoffen auf Regierungswechsel und Kehrtwende in Steuerpolitik

Sollten die Sozialdemokraten an ihren Steuerplänen festhalten, droht ihnen der Machtverlust. Viele Unternehmer hoffen dem Bericht zufolge auf einen Regierungswechsel bei den Parlamentswahlen 2025, um eine Kehrtwende in der Steuerpolitik zu erreichen. Umfragen sehen derzeit die konservative Opposition in Führung.

"Unternehmer zu zwingen, das Land zu verlassen, ist, wie wir in Norwegen sagen, wie in die Hose zu pinkeln", kommentiert Immobilieninvestor Kolstad gegenüber Bloomberg. "Nach einer Weile wird es sehr schlimm." Er würde nach einem Wahlsieg der Konservativen nach Norwegen zurückkehren, befürchtet aber, dass einige seiner Kollegen für immer im Ausland bleiben werden.