Null-Toleranz? Europaparlament im Korruptionssumpf

Seite 2: Belgische Justiz: Aufklärung von Katargate/Marokkogate

Im Fall von Katargate/Marokkogate, wo offensichtlich viel Geld aus beiden Ländern geflossen ist, um massiven Einfluss auf Entscheidungen im Europaparlament zu nehmen, gibt es zwischenzeitlich neue Bewegung in Belgien.

Die dortige Justiz ist offensichtlich um Aufklärung bemüht. Hervorzuheben ist die das Vorgehen gegen den belgischen Sozialdemokraten Marc Tarabella. Der Europaparlamentarier und Bürgermeister von Anthisnes wurde dort vor einer Woche "zum Zweck der Vernehmung" festgenommen, hatte die Brüsseler Staatsanwaltschaft mitgeteilt. In seiner Heimatstadt im Osten des Landes wurden auch mehrere Büros durchsucht.

Tarabella sitzt nun ebenfalls in Untersuchungshaft, auch wenn er weiter seine Unschuld beteuert. Dabei wird er wird seit fast zwei Monaten von denen belastet, die die Korruption eingeräumt haben und geständig sind.

Wie erwartet, hatte das Europaparlament auch diesem sozialdemokratischen Parlamentarier die Immunität entzogen, der auch aus der sozialdemokratischen Fraktion und aus der Partei geworfen wurde.

Belastet wird Tarabella unter anderem von Pier Antonio Panzeri, der als zentrale Figur in dem Skandal gilt. Er wurde wie Kaili schnell inhaftiert und sitzt seither in Untersuchungshaft. In seiner Wohnung wurde nach Angaben der Ermittler viel Bargeld gefunden.

Immer wieder eine Papiertüte mit rund 20.000 Euro

Als "Geschenke" wurden die Schmiergelder verschleiert, hatte der Lebensgefährt von Kaili zugegeben. Francesco Giorgi hatte die Gelder verwaltet, der ehemalige Assistent von Panzeri. Auch Panzeri ist schon teilweise geständig. Er hatte ausgesagt, Tarabella immer wieder eine Papiertüte mit rund 20.000 Euro überreicht zu haben.

Vor dem Ermittlungsrichter erklärte er, die letzte Zahlung sei im vergangenen Sommer geflossen. Insgesamt habe der Belgier zwischen 120.000 und 140.000 Euro von ihm erhalten, um im Parlament "gewisse Positionen" zu verteidigen.

Vermutlich sitzen noch einige Parlamentarier auf heißen Stühlen, denn Panzeri muss mehr liefern, um mit einer geringeren Strafe davonzukommen. Er habe schon eine "Reuevereinbarung" unterschrieben, die wohl einigen schon schlaflose Nächte" beschert.

Hyperaktive Marokkaner

Mit den Angaben Panzeris wurde aber auch längst klar, dass Katargate eher ein Nebenprodukt von Marokkogate ist, denn Marokko hat "hyperaktiv" und erfolgreich Einfluss auf Entscheidungen im Europaparlament betrieben, wie an dieser Stelle schon herausgearbeitet wurde.

Panzeri war Vorsitzender der Parlamentsdelegation für die Beziehungen zur Union des Arabischen Maghreb (DMAG), wozu nicht Katar gehört, allerdings Marokko. Auch über diese Delegation sollen Entscheidungen positiv für Marokko beeinflusst worden sein. Dass an der Spitze der Delegation nach dem Abgang Panzeris der Italiener Andrea Cozzolino stand, ist auch kein Zufall.

Das gilt auch dafür, dass der dessen Assistenten Giorgi und Kaili-Lebensgefährten übernahm. Cozzolini ist in Italien im Hausarrest und Belgien fordert seine Auslieferung, während die Untersuchungshaft dort für Kaili, Panzeri und Tarabella gestern verlängert wurde. Vorgeworfen wird ihnen Geldwäsche und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Korruption.

Besonders sticht aber nun heraus, dass die belgischen Ermittler inzwischen einen Haftbefehl gegen den marokkanischen Geheimdienstchef Yassine Mansouri und andere Geheimdienstmitarbeiter ausgestellt hat. Nach Ansicht der belgischen Ermittler habe der Auslandgeheimdienst (DGED) und dessen Chef Mansouri die Fäden im Marokkogate gezogen.

Die belgische Justiz hat internationale Haftbefehle gegen marokkanische Beamte erlassen, die in die EU-Korruptionsaffäre, auch bekannt als Marokkogate", verwickelt sind, wird berichtet.

Diverse Medien berichten über den Vorgang. Inzwischen wurden auch Fotos von Mansouri veröffentlicht, der die Liste der von Belgien gesuchten Personen anführte. Die Regierung in Frankreich, wo sich Mansouri und andere Geheimdienstler aufhalten sollen - auch der marokkanische König hält sich eher in Paris als in Rabat auf – befände sich jetzt in einer schwierigen Lage.

Zitiert wird ein französischer Diplomat, wonach man in Paris befürchtet, dass Verhaftungen zur Verschlechterung der französisch-marokkanischen Beziehungen führen könnten. Die belgischen Haftbefehle sind eine Reaktion auf die Festnahme von Tarabella.

Das weist darauf hin, dass bei Durchsuchungen weiteres Belastungsmaterial gefunden worden sein dürfte.