Obama will Verschleppungen weiter zulassen

Zwar hat der neue Präsident die Schließung von Guantanamo angeordnet und Folter verboten, aber die Praxis der "renditions" will man offenbar beibehalten und irgendwie legalisieren

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Der Glanz von US-Präsident Obama erhält schon in den ersten Tagen Kratzer. Zwar erließ er schnell Anordnungen, die das von der Bush-Regierung im Krieg gegen den Terror angeschlagene Ansehen der USA wieder herstellen sollten (Obama demonstriert mit Verfügungen den Bruch mit der Bush-Politik), aber nun kommen Hinweise auf Ausnahmeregulungen auf.

So ordnete er an, dass das symbolträchtige Lager Guantanamo innerhalb eines Jahres geschlossen werden soll, von anderen Lagern wie etwa dem auf dem Luftwaffenstützpunkt Baghram war allerdings nicht die Rede (Link auf /tp/blogs/8/121886). Er untersagte die Anwendung von Folter, darunter auch von "Verhörtechniken", die die Bush-Regierung bis zuletzt als notwendig verteidigt hatte. Obama verbot auch die Praxis der CIA, Gefangene in Geheimgefängnissen einzuschließen oder verschwinden zu lassen.

Was Obama aber beibehalten könnte, sind die "renditions", also die Praxis, außerhalb der USA Menschen, die unter Verdacht stehen, mit dem Terrorismus zu tun zu haben, gefangen zu nehmen, zu verschleppen und zu inhaftieren sowie zu verhören. Die CIA wird dies nicht mehr in eigenen Gefängnissen machen können, aber weiterhin, wie schon von der Bush-Regierung gepflegt, Verdächtige fangen und an kooperierende Sicherheitskräfte anderer Staaten übergeben können, die die Drecksarbeit machen.

Nach Auskunft von Geheimdienstmitarbeitern, die die Los Angeles Times befragt hat, seien die Verschleppungen – neben Angriffen mit Predator-Drohnen - auch in Zukunft ein wichtiges Instrument, um vermeintliche Terroristen unschädlich zu machen. Auch wenn das Verschleppungsprogramm während der Bush-Zeit heimlich von vielen Regierungen geduldet wurde, gab es heftige, allerdings ergebnislose Kritik in der EU an der – wie bei dem deutschen Khaled Masri - von den EU-Regierungen geduldeten und von den USA praktizierten Verschleppungen, bei denen häufig getarnte CIA-Flugzeuge europäische Flughäfen nutzten, aber auch einige Menschen aus der EU verschleppt und gefoltert wurden.

Ein Mitarbeiter des Weißen Hauses erklärte, unter der Bedingung der Anonymität, dass auch die Obama-Regierung einige Instrumente aus der Bush-Zeit beibehalten will. Die Rechtsberater würden sich das im Augenblick genauer anschauen: "Das ist umstritten in einigen Kreisen und löste einen großen Sturm in Europa aus. Aber wenn man dies in einem bestimmten Rahmen macht, ist es eine akzeptable Praxis." So könnte eine Formulierung in dem Erlass, die Geheimgefängnisse der CIA verbietet, die Tür dafür offenlassen. Hier heißt es, dass das Verbot nicht für Einrichtungen gilt, "die nur dazu benutzt werden, Menschen kurz und vorübergehend festzuhalten". Das würde genügen, um sie festzunehmen und dann an andere Geheimdienste weiterzugeben.

Im Erlass wird allerdings erst einmal die Einrichtung einer Arbeitsgruppe angeordnet, die "legale Möglichkeiten" des Umgangs mit Menschen vorschlagen, die im Rahmen von Militär- und Antiterroraktionen festgenommen wurden. Eine Legalisierung des Verschleppens ist jedoch schlicht nur durch eine Verdrehung des Rechts möglich.

Selbst bei Menschenrechtsorganisationen gab es bislang deswegen keinen großen Aufschrei. Tom Malinowski von Human Rights Watch. Es gebe, sagte dieser, für Verschleppungen "unter gewissen Umständen" eine legitime Möglichkeit. Er geht allerdings davon aus, dass Obama es verhindern möchte, dass Menschen in anderen Ländern landen, wo sie gefoltert werden. Sie sollten nur an Länder weiter gegeben werden, in denen sie angeklagt und in öffentlicher Verhandlung vor Gericht gestellt werden. Ein wenig naiv klingt die Begründung dann doch: "Einen Gefangenen" – der auf Mutmaßung hin einfach verschleppt wird – "vor ein wirkliches Gericht zu stellen, ist ein entscheidender Schutz vor Folter, Misshandlungen und Verschwindenlassen."

Allerdings haben der LA Times auch ehemalige CIA-Veteranen gesagt, dass die Verschleppungen und Überstellungen an andere Sicherheitskräfte im Ausland kaum von Nutzen gewesen seien. Zudem habe man dann jede Kontrolle über die Gefangenen und die Verhöre verloren. Man habe dies deswegen nur mit Menschen gemacht, die von der CIA als nicht sonderlich wichtig angesehen wurden. Die wichtigen Verdächtigen habe man selbst verhört.