Ölpolitik

Der für das irakische Erdölministerium zuständige amerikanische "Berater" räumt selbst Interessenskonflikte ein und schlägt eine Privatisierung der Industrie sowie ein Ausscheren des Irak aus der OPEC vor

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Wenn es schon keine Massenvernichtungswaffen im Irak gibt, dann wenigstens doch das Öl, um das es allerdings bekanntlich nicht gegangen sein soll. Das soll, wie man seitens der US-Regierung betont, dem irakischen Volke zu gute kommen, weswegen auch schnellstens die Sanktionen aufgehoben werden müssen. Der "Berater", den das Pentagon an die Spitze des irakischen Erölministeriums gesetzt hat, überlegt aber auch schon einmal, ob der Irak nicht aus der OPEC ausscheren sollte - natürlich nur, um dem irakischen Volk zu dienen.

Fest im Blick hatten die alliierten Sieger im Irak offenbar trotz aller anderslautenden Behauptungen das Erdöl. Gleich zu Beginn sicherte man die Erdölfelder, in Bagdad wurde das Erdölministerium von Bomben verschont und mit Panzern vor Plünderungen geschützt, was man bekanntlich nicht von allen anderen Einrichtungen sagen könnte ("Das passiert").

Schon vor dem Krieg sicherte sich Halliburton - Vizepräsident Cheney war bekanntlich vor seinem derzeitigen politischen Amt der Direktor des Konzerns - ohne Ausschreibung den Auftrag, brennende Ölquellen zu löschen (Die Gewinner des Krieges). Später wurde bekannt, dass der Auftrag auch die Inspektion und Reparatur irakischer Erölquellen umfasst, was einen milliardenschweren Auftrag ergäbe. Doch schon allein im Rahmen von Operation Iraqi Freedom hat die US-Armee an KBR, ein Tochterunternehmen von Halliburton, 425 Millionen Dollar gezahlt oder dafür Aufträge vergeben (Krieg ist gut fürs Geschäft).

Nachdem nun der ehemalige US-General Garner, Präsident von SY Technology, Hersteller von Software für Raketen und Raketenabwehrsysteme, also auch für Präzisionsraketen, als oberster Verwalter vom Hardliner Paul Bremer abgelöst wurde, der als "Terrorismusexperte" Direktor der nach dem 11.9. gegründeten Marsh Crisis Consulting wurde, scheint man nun der Meinung zu sein, doch lieber länger die Zügel in den eigenen Händen halten zu wollen. Möglichst schnell wolle man das Land den Irakern übergeben, hieß es zunächst immer, doch nachdem wohl die Befreiten nicht unbedingt in die gewünschte Richtung gehen wollen, Konflikte zwischen Gruppen vor Augen stehen und noch großes Chaos und ebenso große Unzufriedenheit herrschen, will man zunächst unbefristet nur eine "Übergangsverwaltung" statt der zunächst versprochenen "Übergangsregierung" einrichten. Das zumindest kündigten Bremer und der britische Diplomat John Sawers am Wochenende an.

Der Berater für das Erdölministerium

Einen entscheidenden Posten in der "Übergangsverwaltung" hat der "Berater" des irakischen Ölministeriums, der allerdings faktisch das Ministerium durch Besetzung der Stellen leiten wird. Der Irak hat bekanntlich die zweitgrößten Erdölvorkommen der Welt, vor den Sanktionen war Erdöl das fast ausschließliche Exportprodukt und machte das Land, bevor Hussein den langen Krieg mit dem Iran begann und vieles in die eigene Tasche steckte, relativ wohlhabend. Die Wahl des Pentagon fiel auf Philip Carroll, einen Mann, der als Experte wie US-Präsident Bush aus Texas stammt, Präsident der Shell Oil Company war und schließlich mit einem wohldotierten Vertrag an der Spitze des Dienstleistungsunternehmens Fluor Corporation stand.

Fluor war neben Halliburton und wenigen anderen Unternehmen von USAID für erste Wiederaufbaumaßnahmen in Betracht gezogen worden. Auch wenn dieser mit US-Geldern finanzierte Vertrag schließlich an Bechtel gegangen ist, hat Fluor mit dem britischen Unternehmen Amec ein Joint Venture gebildet, um sich beim U.S. Army Corps of Engineers für einen Auftrag über mehrere Milliarden Dollar zu bewerben. Der Auftrag hat mit der Wiederherstellung und Modernisierung der Erdölförderung zu tun.

Carroll räumte selbst ein, dass es durchaus einen Interessenskonflikt geben könne, schließlich bezieht er nicht nur eine Million Dollar jährlich von dem Konzern, sondern besitzt auch noch eine Million Aktien, die über 30 Millionen Dollar wert sind. Der "Berater" versichert allerdings, dass er mit seinem Stab nur Pläne für die Zukunft ausarbeiten wolle und nichts mit etwaigen Verträgen zu tun haben werde. Überdies interessiere ihn Geld nicht. Das Geld, das aus dem Erdöl kommen wird, nachdem die Sanktionen aufgehoben sind, werde, so beteuert er, nur dem Irak selbst zukommen. Solange die Besatzungsmacht herrsche, fließe das Geld in einen Treuhandfonds, aus dem lediglich humanitäre Leistungen und Wiederaufbaumaßnahmen bezahlt würden. Hieran können dann aber direkt die Konzerne der Siegermächte profitieren, beispielsweise eben auch die Fluor Corporation, deren Vizepräsident Kenneth Oscar zufällig aus dem Pentagon kommt. Möglicherweise aber auch an den Plänen, die Carroll für die Zukunft des irakischen Erdöls ausarbeiten lässt.

Die Pläne

Als Idee hat Carroll, was schon vor dem Krieg manche als eine Intention der US-Regierung thematisiert haben (Öl-Junkies auf Kriegskurs), jetzt lanciert, dass der Irak aus der OPEC ausscheren könne, um ohne Beschränkung möglichst viel Öl auf den Weltmarkt pumpen zu können und so den Wiederaufbau zu beschleunigen. Das habe der Irak auch früher schon gelegentlich aus nationalem Interesse heraus gemacht. Würde der Irak, ohne OPEC-Quoten einzuhalten, den Markt mit Erdöl überfluten, so würde nicht nur das Land mehr Geld einnehmen, sondern auch die Preise für das Erdöl würden sinken, was den USA, den weltweit mit Abstand größten Verbraucher, zugute käme, den anderen erdölproduzierenden Ländern wie Saudi-Arabien, Kuwait, Iran, Russland oder Venezuela aber geringere Gewinne brächte.

Die bislang staatliche Erdölindustrie hatte unter Hussein Verträge an Staaten wie Russland oder Frankreich beispielsweise für die Förderung oder die Modernisierung der Produktion vergeben. Carroll wird hier entscheidend mit beraten, welche Verträge als nichtig erklärt werden oder welche möglicherweise "im besten Interesse des irakischen Volkes" fortgeführt werden könnten. Das dürfte auch eine Möglichkeit sein, die Entscheidung im UN-Sicherheitsrat zu beeinflussen.

Carroll wird aber auch Pläne ausarbeiten lassen, wie die staatliche Erdölindustrie privatisiert werden kann und soll. Allerdings sollen alle Optionen zur Entscheidung angeboten werden, also auch eine Weiterführung des staatlichen Modells, wobei allerdings Carroll seine beratende Rolle schon einmal insofern ausübt, als er darauf hinweist, dass "hoch zentralisierte Modelle nicht immer so effektiv sind, wie sie sein sollten. Sie tendieren zur Korruption." Allerdings könnte eine zu starke Privatisierung das Öl in die Hände von wenigen Menschen fallen lassen, die zu Milliardären werden, während das Land davon kaum etwas hat. Er meinte, er sei nicht sicher, ob die Iraker schließlich das "amerikanische Modell", sprich: die völlige Privatisierung, wählen würden. Wie man an der US-Regierung sieht, wäre dies auch keine Garantie dafür, dass eine künftige Regierung frei vom Einfluss der Wirtschaft handelt. Gleichwohl geht er zumindest von einer Teilprivatisierung aus, von der dann auch die amerikanischen Konzerne direkt profitieren könnten.

Möglicherweise deckt das irakische Erdöl nicht die Kosten des Wiederaufbaus

Möglicherweise aber stimmen alle Rechnungen oder Hoffnungen nicht, die die Alliierten für ihren Befreiungsfeldzug gemacht haben. Gerade der mit Erdöl reichlich ausgestattete Irak sollte bald genug Geld haben, um den Wiederaufbau selbst finanzieren und so von finanzieller Unterstützung unabhängig zu werden. Nach Berechnungen des spanischen Wirtschaftsministeriums aber könnte, wie der Observer berichtet, das Land den Befreiern noch teuer zu stehen kommen, wenn nicht weitere Länder mit Geldern einspringen.

Die irakische Erdölindustrie ist seit dem Embargo veraltet oder bald gar nicht mehr zu gebrauchen. Es könnte viel Zeit vergehen und viel Geld erfordern, sie soweit wieder aufzubauen, dass der Irak noch lange nicht genügend Mittel haben wird. Nach den spanischen Berechnungen reichen für den Wiederaufbau vermutlich die zuvor geschätzten 41 Milliarden Dollar bei weitem nicht aus, sondern es wird in den nächsten 10 Jahren mindestens doppelt so viel Geld notwendig sein - nach manchen Schätzungen könnten es sogar bis zu 250 Milliarden sein. Der Irak aber hat noch Schulden - möglicherweise bis zu 350 Milliarden Dollar -, die zum großen Teil aus Reparationszahlungen an Kuwait bestehen. 2002 hatte der Irak gerade einmal für 13 Milliarden Dollar Öl gefördert, was zumindest dieses Jahr nicht mehr zu schaffen sein wird. Der amerikanische Kongress hat für den Wiederaufbau nur 2,5 Milliarden Dollar bewilligt. Auf dem G-8 Gipfel waren sich die Finanzminister zwar einig, die Schulden zu stunden, doch auf sie verzichten, wie dies die US-Regierung wünscht, wollen Frankreich, Russland, Deutschland und Japan nicht.