Offensive auf Mosul: UN befürchtet 1 Million Flüchtlinge

Screenshot eines US-Angriffs auf ein IS-Gebäude in der Nähe von Mosul

Der Konflikt zwischen Erdogan und dem irakischen Premierminister Abadi schaukelt sich hoch. Die Türkei will ihre Soldaten nicht aus dem Irak abziehen

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Eine Drohne gefüllt mit Sprengstoff hat am letzten Sonntag zwei französische Soldaten im Nordirak schwer verletzt und zwei Peshmerga-Kämpfer getötet. An sich ist das keine nennenswerte Nachricht aus einer Region, in der es immer wieder mal zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommt. In diesem Fall gibt es zwei bemerkenswerte Aspekte.

Eine neue IS-Waffe und ein verdeckter Einsatz

Die Drohne stammt laut durchgesickerten Informationen von einer Gruppe, die mit der IS-Miliz verbunden ist. Es ist laut Le Monde das erste Mal, dass eine solche Waffe gegen die französischen Spezialeinheiten eingesetzt wurde. Dass französische Spezialeinheiten dort agieren, ist der zweite bemerkenswerte Aspekt. Bislang konnte die Armeeführung den Einsatz der Task Force Hydra vor der Öffentlichkeit verbergen.

Nach Angaben von Le Monde liegt das Einsatzgebiet in der Nähe von Erbil in der autonomen Region Kurdistan. Ein Militärblog der Zeitung Ouest France verweist jedoch darauf, dass die Task Force in der Nähe der amerikanischen Basis "Q-West" agiert. Im Text wird präzisiert, dass ihr Einsatz den Vorbereitungen der Offensive auf Mosul dient. Zu den Aufgaben gehört , in der Region von Qayyarah den Weg für die Koalitionstruppen freizumachen.

Die Drohne, die anscheinend nach dem Aufkommen am Boden explodiert ist, sie wird in den französischen Berichten als Sprengfalle bezeichnet, ist ein Indiz dafür, dass die seit langem angekündigte Offensive mit unerwarteten Antworten der IS-Milizen zu rechnen hat - was sich schon an den Feuern an den Ölfeldern in Qayyarah gezeigt hat, deren Rauch die Möglichkeiten der amerikanischen Luftwaffe eingeschränkt hatte.

Der verdeckte Einsatz französischer Spezialtruppen zeigt an, dass an der Mosul- Offensive mehr Truppen teilnehmen, als der Öffentlichkeit bekannt ist. Ohnehin ist ihre Zahl kaum zu überschauen und noch weniger ihre zum Teil sehr unterschiedlichen und konfligierenden Interessen, wie dies in Medienberichten hervorgehoben wird.

Humanitärer Notfall

Die UN-Hilfsorganisation OCHA bereitet sich auf einen humanitären Notfall vor, für den man schlecht gerüstet ist. Ihr fehlen Mittel zu Versorgung der Flüchtenden warnte sie bereits im September. Bis zu 1,5 Millionen Einwohner Mosuls könnten von der Offensive direkt betroffen sein, eine Million Einwohner könnten ihre Chance in der Flucht sehen, so die OCHA, die ihre Zahlen mit Angaben von Hilfsorganisationen begründet.

Allerdings ist völlig unklar, ob überhaupt noch so viele Menschen in Mosul leben. Laut einem Bericht des US-Mediums Christian Science Monitor schätzt man die derzeitige Einwohnerschaft auf 700.000. Früher war Mosul die zweitgrößte Stadt Iraks mit über 2 Millionen Einwohnern.

Die Eroberer

Seit Juni 2014 steht sie unter der Kontrolle von IS-Milizen. Kurz darauf wurde von dort aus das IS-Kalifat ausgerufen. Die Stadt ist wichtig für den IS und die Rückeroberung der Stadt ist wichtig für die irakische Regierung, für die scheidende Obama-Regierung, für die iranische Regierung, für die türkische Regierung, für die Regierung der autonomen Region Kurdistan, für Stämme der Gegend, für die französische Regierung, für die britische und für den ehemaligen Gouverneur der Provinz Niniveh. Man kann die Liste bestimmt noch verlängern.

Aufgezählt wurden die Akteure, von denen bekannt ist, dass sie Truppen einsetzen, die mit ihnen verbunden sind. Dass da noch der ein oder andere verdeckte Mitspieler dabei sein könnte, zeigt das oben genannte Beispiel Frankreichs.

Erdogan gegen Abadi

Schon jetzt kochen Konflikte hoch. Der türkische Präsident Erdogan weigert sich der Anordnung des irakischen Premierministers al-Abadi Folge zu leisten. Dieser hatte klar und deutlich erklärt, dass er keine türkischen Truppen auf irakischem Gebiet dulde und ist in der Sache zum UN-Sicherheitsrat.

Erdogan äußerte daraufhin Ansicht, dass die türkische Armee "keine Weisungen eines irakischen Premierministers entgegennimmt". Man werde so vorgehen wie in Dscharabulus und an der Offensive teilnehmen. Etwa 1.000 türkische Soldaten sollen in Bashiqa in der irakischen Provinz Nineveh, nordöstlich von Mosul stationiert sein.

Das US-Verteidigungsministerium versucht laut CNN zu vermitteln, eine starke Ansage Richtung Ankara ist nicht zu vernehmen. Erdogan steht in engem Verhältnis zum kurdischen Clan-Chef Barzani, den die USA nicht übergehen wollen und können.

Die kurdischen Peshmerga haben größtes Interesse an Mosul, stehen aber auf feindlichem Fuß mit den schiitischen Milizen. "Die Peschmerga-Kommandeure sagen, sie würden nicht zulassen, dass die unter ihnen verhassten schiitischen Milizen auf kurdisches Terrain vordringen", zitiert die FAZ.

Der irakische Ministerpräsidident Abadi versucht beide, die Peshmerga wie Hashd-Milizen, auf Militäreinsätze außerhalb der Stadt oder am Stadtrand zu verpflichten. Ob ihm das gelingt, ist noch nicht sicher.

Der Befehl zum Start der Offensive liegt bei Abadi, er ist der Oberkommandeur der irakischen Streitkräfte. Allerdings werden die Amerikaner, die über 5.000 Soldaten im Irak haben, erheblichen Einfluss darauf nehmen. Gut möglich, dass die US-Regierung die Militäraktion für die Endphase des Präsidentschaftswahlkampfs nutzen will.

Allerdings steht nicht fest, dass der IS den Erfolg leicht macht. Die Miliz hatte gute zwei Jahre Zeit sich auf die militärische Offensive ihrer Gegner vorzubereiten.