Offerto.de: Der letzte Hammer fällt

Wieder ein Aktionshaus, das seine Kunden zu Ricardo schickt

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Im Frühjahr 99 machte eine neue Geschäftsidee im deutschen Internet Furore: das virtuelle Auktionshaus. Mit Alando.de gab es endlich eine Alternative zum normalen Flohmarkt, bei dem man schon zu nachtschlafender Zeit erscheinen musste und bei dem der Schwund durch Diebstahl in der Pinkelpause oder beim Ausladen der Schätzchen oft die Verkäufe überwog. Beim neuen virtuellen Flohmarkt reichte es dagegen durchaus, auch mittags noch auf die Post zu fahren, es ging höchstens mal ein Päckchen auf dem Versandweg verloren oder ein Käufer zahlte nicht. Der Dienst selbst war dagegen kostenlos.

Wie immer fand die Idee schnell Nachahmer. Hardware.de (heute Atrada.de) war dabei einer der ersten gebührenpflichtigen Anbieter. Doch auch Alando.de wurde kostenpflichtig, als es an Ebay verkauft wurde (Ebay und Co.) und verlangt heute sogar die höchsten Gebühren: einerseits zum Einstellen der Artikel – vergleichbar den Kosten, eine Kleinanzeige zu schalten –, andererseits aber auch eine Provision von bis zu 4% beim Verkauf. Diese kennt man weder vom Flohmarkt noch der Kleinanzeige, obwohl es eigentlich die angenehmere Gebühr ist: hat man etwas verkauft, kann man sie sich ja auch leisten.

Die Mehrzahl der privaten Keller-Aufräumaktionen enden jedoch mit vielen Dingen, die niemand sofort und ganz dringend braucht. Ein neuer 1GHz-Pentium-PC ist von privat ebenso rar wie der Neuwagen zum Dumpingpreis. Bis man für das alte Diskettenlaufwerk oder Omas Radio einen Interessenten gefunden hat, kann es dagegen schon eine Weile dauern. Doch alle 1-2 Wochen sind erneut Einstellgebühren fällig. Da kommt einfach wegwerfen billiger. Kommerzielle Anbieter, die Auktionshäuser mit unzähligen gleichartigen Artikeln verstopfen, bekommen diese hingegen schnell genug los, um sich die Gebühr leisten zu können. Die Begründung der Auktionshäuser, mit der Einstellgebühr gerade solche Anbieter vergraulen zu wollen, trifft daher meist die Falschen.

Zuletzt waren nur noch drei größere Auktionshäuser ohne Einstellgebühr: Offerto.de, Hood.de und Atrada.de. Alle anderen hatten eine solche Gebühr eingeführt oder es zumindest wie bei Ehammer.de versucht. Dieser Anbieter verlor dann aber so viele Kunden, dass er trotz späterer Streichung der Einstellgebühr aufgeben und an Ricardo.de verkaufen musste. Auch das Auktionshaus Itrade.de ging in Folge an Ricardo.

Eine Provision verlangen mittlerweile alle Auktionshäuser mit Ausnahme des sympathischen Robin Hood der Szene Hood.de. Dieser Dienst finanziert sich ausschließlich aus Werbung, was aber wenig Zukunftschancen hat. Daher gibt es bei Hood.de leider nur spärliche Umsätze, weil der schwachbrüstige Server öfters überlastet ist und nur im Schneckentempo reagiert. Zudem kennen Schnäppchenjäger meist Platzhirsch Ebay, haben aber von Hood.de noch nichts gehört.

Offerto.de war, trotz seiner zuletzt vorhandenen Provisionsgebühr, dank eines sehr guten Kundendienstes sehr beliebt, wenn auch die Umsätze nicht an die des Marktführers Ebay.de heranreichten. Da man bei Offerto.de – damals noch unter dem Namen IEZ-Auktion – auch frühzeitig Werbung eingeführt hatte, war der Dienst nie in finanziellen Schwierigkeiten. Doch weder der nette Kundendienst noch die saubere Kalkulation halfen: Der letzte Eigentümer, der Online-Broker Consors, hatte das Auktionshaus an die finnische Gesellschaft Aktivist.net verkauft. Denen war das rein deutsche Offerto nun gegenüber dem durch die Fusion mit dem englischen Anbieter QXL.com internationaleren Ricardo.de nicht mehr interessant genug. Nachdem Aktivist.net Ricardo gekauft hatte, kam das Aus für Offerto: zum 25.6. wird das Auktionshaus zugesperrt, alle Auktionen gelöscht und die 20 Mitarbeiter aufs Arbeitsamt geschickt.

Es zeigt sich daraus, dass das Internet-Business immer noch nicht aus dem großen Crash gelernt hat: nicht der solide arbeitende Dienst überlebt, sondern der, der möglichst viele Wettbewerber aufkauft, auch wenn der Gewinn so geringer ausfällt. Um die Kunden von Offerto kümmert man sich dagegen bei Aktivist.net nicht wirklich: zwar sollen sie zu Ricardo wechseln, eine Übernahme ihres Flohmarkt-Warenkorbs, also der laufenden Aktionen, ist dagegen ebenso wie zuvor bei Ehammer nicht möglich. Dort war lediglich Hood.de unerwartet in letzter Minute als Retter der Vertriebenen aufgetaucht und hatte auf Wunsch eine Übernahme bestehender Ehammer-Auktionen angeboten. Vielleicht klappt das auch diesmal. Der Neuling Besteauktion.de verspricht ebenfalls, Auktionen übernehmen zu können und verzichtet auf die lästige Einstellgebühr.

Die wirkliche Alternative wäre Ricardo.de für die Privat-Flohmarktler angesichts der Einstellgebühren allerdings ohnehin nicht gewesen und die Bedienoberfläche ist allgemein unbeliebt, weil durch zuviel Grafik und Werbung sehr langsam. Ricardo war immer eine etwas undurchsichtige Mischung aus Flohmarkt und "Rudis Reste-Rampe" mit Live-Versteigerung für kommerzielle Restposten.

Als einziger großer einstellgebührfreier Anbieter bleibt nun Atrada.de – der allerdings konnte sich bei Privatanbietern nie durchsetzen und bietet hauptsächlich gewerbliche Ware an. Der kleinere Anbieter Feiniger.de hat ein ähnliches Problem. Somit scheint es, dass sich das schlechtere System durchgesetzt hat.