Ohne AfD und BSW: Wer ist zu rechts für die Münchner Sicherheitskonferenz?
AfD, BSW und Putin seien unerwünscht, heißt es. Russlands Präsident könnte sowieso nicht. Sonst sind die Ausschlusskritierien widersprüchlich. Ein Kommentar.
In knapp zwei Wochen ist es wieder so weit: Spitzenpolitiker und Militärs, vor allem aus der westlichen Welt und der ihrer Verbündeten, treffen sich mit Top-Managern von Rüstungskonzernen zur Münchner Sicherheitskonferenz im Luxushotel Bayerischer Hof. Und wieder einmal sind deren Einladungspolitik und Ausschlusskriterien Thema in Politik und Medien.
Es ist bereits die 60. Konferenz dieser Art – allerdings hieß sie bis 1991 "Wehrkundetagung". Ausgerichtet wird sie von der Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz, die als gemeinnützige GmbH anerkannt ist und Zuschüsse vom Bund bekommt.
Warum Putin gar nicht könnte und 2022 schon nicht wollte
Es gab Zeiten, da waren auch russische Regierungsvertreter anwesend – kurz vor dem Einmarsch in die Ukraine 2022 hatten sie aber ihre Teilnahme mit der Begründung abgesagt, das Treffen habe sich "in den letzten Jahren immer mehr zu einem rein transatlantischen Forum gewandelt".
Nicht nur deshalb war die am Samstag von vielen Medien verbreitete Schlagzeile irreführend: "AfD, BSW und Putin" seien bei der Konferenz "unerwünscht". Der russische Präsident kann ohnehin nicht nach Deutschland reisen, ohne verhaftet zu werden. Auch iranische Regierungsvertreter sind nicht eingeladen.
Formaldemokratische Gründe: Wie wichtig ist das Gewähltsein?
Es lohnt sich aber ein Blick auf die Begründungen, warum die AfD und das vor wenigen Wochen als Partei gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) unerwünscht sind. Im Fall der AfD werden das viele begrüßen, die generell "klare Kante gegen Rechts" zeigen wollen – so wird es auch zumindest sinngemäß begründet.
Christoph Heusgen, der seit 2023 die alljährliche Konferenz leitet, hat dies von Anfang an so gehandhabt: "Ich habe damals gesagt, einer rechtsextremistischen Partei will ich nicht den roten Teppich ausrollen", unterstrich er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
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Die Bundestagsabgeordneten des BSW lehnt Heusgen dagegen mit der formaldemokratischen Begründung ab, sie seien nicht als solche gewählt worden, sondern noch als Kandidatinnen und Kandidaten der Partei Die Linke.
Hier spielt also das Gewähltsein die entscheidende Rolle, im Fall der AfD aber politisch-moralische Kriterien – die wiederum bei Regierungsvertretern von Nato-Staaten keine Rolle spielen: Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni jedenfalls war im vergangenen Jahr eingeladen und erschien nur nicht, weil sie kurzfristig an Grippe erkrankt war. Auch aktuell ist keine Rede von einem Ausschluss italienischer Regierungsmitglieder.
Doppelstandards und politische Ironie: Wer darf teilnehmen?
Melonis Partei Fratelli d’Italia galt aber bisher als nicht weniger rechts als die AfD: Sie wird von einigen Politikwissenschaftlern und deutschen Qualitätsmedien sogar als postfaschistisch bezeichnet. Meloni war mit dem Parteilogo der dreifarbigen Flamme auf einem stilisierten Sarg in den Wahlkampf gezogen, das für Italiens extreme Rechte für den lodernden Geist Benito Mussolinis steht.
Allerdings hatte sich die Ultrarechte kurz nach ihrer Wahl klar zur Nato und zur militärischen Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland bekannt – und nur das ist neben der realen Machtposition wohl tatsächlich ausschlaggebend dafür, wer auf der Münchner Sicherheitskonferenz ein gerne gesehener Gast ist.
Hamas-Freunde in der Nato kein Problem
Die Türkei mit ihrer ebenfalls extrem rechten Regierung gilt zwar für den Westen als "schwieriger Partner", zumal sie für eine islamische Variante des Rechtsextremismus steht.
Aber wichtiger als die offene Sympathie des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für die palästinensischen Dschihadisten der Hamas wenige Tage nach deren Massakern im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober war für die westlichen Partner seine Zustimmung zum Nato-Beitritt Schwedens.
Auch türkische Regierungsvertreter sind regelmäßig auf der Münchner Sicherheitskonferenz vertreten – und als die USA mit Donald Trump einen stramm rechten Präsidenten hatten, war selbstverständlich keine Rede davon, Trump oder dessen Stellvertreter nicht zu empfangen. Nur der Applaus ließ damals zu wünschen übrig und die Berichterstattung renommierter deutscher Medien war deutlich kritischer als im Fall der US-Vorgängerregierung.
Als Linke draußen bleiben mussten: Sicherheitskonferenz 2007
Die Einladungspolitik der Konferenz stand allerdings schon in den Nuller-Jahren in der Kritik, als von einer Abgrenzung nach rechts noch keine Rede war. Damals waren es die Abgeordneten der Partei Die Linke, die vom damaligen Konferenzleiter Horst Teltschik ausgeschlossen worden waren und sich 2007 mit einer Protestnote an ihn und die Öffentlichkeit wandten.
"Die so genannte Sicherheitskonferenz wird mit Bundesmitteln gefördert, von der Bundeswehr bewacht und abgeschirmt, steht aber nur einem sehr eingeschränkten Personenkreis offen", kritisierte der damalige EU-Parlamentarier der Linken, Tobias Pflüger – und bezeichnete Teltschik als "Pseudo-Demokraten".
Unter dem Konferenzchef Wolfgang Ischinger, dem ein demokratisches Image wichtig war, wurde dann auch die Teilnahme von Linken-Politikern üblich.
Manche der schärfsten Nato-Kritikerinnen jetzt beim BSW
Pflüger ist nach wie vor Mitglied der Linken, hat allerdings aktuell kein Mandat – und ein Teil der schärfsten Nato-Kritikerinnen aus der Linkspartei, darunter auch Sahra Wagenknecht selbst, haben jetzt das BSW-Parteibuch. Ihre kritische Haltung zu dem Militärpakt dürfte auch eine Rolle bei dem Ausschluss bei spielen.
Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen, inzwischen BSW, hatte 2023 als Vertreterin der Partei Die Linke auf der Gegendemonstration zu der Konferenz auf dem Münchner Marienplatz eine besonders scharfe Protestrede gegen den Aufrüstungskurs der aktuellen Bundesregierung gehalten.
Klare Kante gegen Aufrüstung: Solche Reden sind unerwünscht
Wenn es etwa um die Lieferung schwerer Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine geht, spricht Verteidigungsminister Pistorius von einem "Frühlingspaket" für das Land, als würde es sich um ein Geschenk auf einem Kindergeburtstag handeln – und Außenministerin Baerbock witzelt, ob sie beim Karneval nicht im Leopardenkostüm hätte erscheinen soll, eine Hinterbänklerin für die Grünen im Verteidigungsausschuss erscheint dann im Leopardenkleid, als ginge es um ein Kinderspiel, wo mit Kostümierungen für Mordwaffen geworben würde.
Man hat den Eindruck, als würden die Vertreter einer gelangweilten Bourgeoisie aus lauter Langeweile eine Sehnsucht nach der Apokalypse herbeireden, indem Mord und Totschlag als spielerisch ausgelebte Befreiung gelten.
Sevim Dagdelen, Februar 2023
Klar, solche Töne würde die Harmonie des Treffens empfindlich stören.
AfD: Keine Friedenspartei, aber aktuell vorsichtig
Innerhalb der AfD ist dagegen das Verhältnis zur Nato umstritten: Manche wünschen sich dort als Voraussetzung für ein starkes deutsches Engagement auch eine stärkere deutsche Führungsrolle, was wohl die Mehrheitsposition ist und sich auch im Fall einer Regierungsbeteiligung durchsetzen dürfte. Andere, darunter der Thüringer AfD-Rechtsaußen Björn Höcke, zogen bereits den Austritt aus der Nato in Betracht.
Für Abrüstung ist die AfD im Gegensatz zum BSW aber keineswegs – sie plädiert sogar für eine Wiedereinsetzung der Wehrpflicht. Allerdings wird eine Konfrontation mit Russland in AfD-Kreisen momentan deutlich abgelehnt, weil sie nicht im deutschen Interesse sei.
Schließlich haben sich deutsche Landser im Kampf gegen Russland schon einmal blutige Nasen und mehr geholt; und so etwas möchte man den eigenen Landsleuten, wenn überhaupt, doch bitte nur im nationalen Interesse zumuten, und nicht im Interesse der USA.
Was das Bild von der wertegeleiteten Außenpolitik stören würde
Die Münchner Sicherheitskonferenz ist allerdings eine der Gelegenheiten, bei denen die Doppelmoral der "wertegeleiteten Außenpolitik" der aktuellen deutschen Regierung besonders deutlich wird. Das könnte durch die Anwesenheit von AfD-Politikern noch unterstrichen werden, wenn diese zum Beispiel von der italienischen Delegation als Brüder – "Fratelli" – im Geiste besonders herzlich begrüßt würden.
Dabei möchte man doch die einen als wichtige Partner und die anderen als Schmuddelkinder behandeln.