Opelretter in der Kritik

Auch nach dem Pfingstwochenende wird die am frühem Samstagmorgen verkündete Übereinkunft der Opelrunde im Kanzleramt quer durch alle politische Lage skeptisch bis ablehnend beurteilt

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Die konservativ-liberale FAZ hat denn auch ganz bewusst das Kabinettsmitglied, das sich bis zum Schluss gegen den Einstieg von Magna und für eine Insolvenz von Opel ausgesprochen hat, mit Lob geradezu überschüttet. „Gab es jemals einen Politiker, der nach hundert Tagen sein Gesellenstück abliefern musste? Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte ein Thema zu bearbeiten, das eine Autonation auch außerhalb von Wahlkampfzeiten erregt ... Die Probe seines Könnens ist dem 37 Jahre alten Politiker gelungen, weniger vielleicht in ökonomischer, wohl aber in politisch-handwerklicher Hinsicht“, kommentierte die FAZ am Dienstag auf der Titelseite. So viel Lob für einen Politiker, dessen Konzept doch in den Opel-Verhandlungen durchgefallen war, und der für eine kurze Zeit an Rücktritt dachte, muss auf den ersten Blick verwundern.

Ein anderer Kommentator begründet, was nicht nur die FAZ so für den Adeligen aus Bayern schwärmen lässt:

Guttenberg, der Aufsteiger der Saison und Jungstar der CSU, der dem Kanzlerkandidaten der SPD die Schau stiehlt, hat den Kampf um eine tragfähige Zukunft von Opel verloren. Aber das ist keine Schande, seiner Popularität muss das keinen Abbruch tun. Und trotz des Dissenses mit der Kanzlerin, .... braucht Merkel zu Guttenberg noch: als einen der wenigen in der Union, die Zugkraft mit Geradlinigkeit verbinden und so die Abwanderung enttäuschter Unionswähler zu FDP verhindern können.

In diesen Sätzen steckt auch eine implizierte Kritik an der Kanzlerin, aber auch an den CDU-Ministerpräsidenten, die in der Opelfrage eben nicht geradlinig der reine Ideologie der Marktwirtschaft nachgegeben, sondern mit Blick auf die kommende Bundes- und Landtagswahlen eher den sozialdemokratischen Finanz- als den christsozialen Wirtschaftsminister in der Opel-Frage unterstützt haben. Die FAZ-Kommentatoren drücken hier ein verbreitetes Gefühl der FDP- und Unionsbasis aus, die nicht in Bundesländern mit Opel-Standorten lebt. Guttenberg wird von ihnen auch deshalb so gelobt, weil er den nach dem Rückzug von Friedrich Merz vakanten Posten des Marktradikalen in der Union wieder besetzt.

Nach der Bundestagswahl im Herbst hat er in jeder denkbaren Konstellation Profilierungsmöglichkeiten. Sollte es zu einer Fortsetzung der großen Koalition kommen, würde er seine Rolle als Gegenpart zur SPD weiterhin wahrnehmen, die Merkel als Moderation nicht ausfüllen will und kann. In einer liberal-konservativen Regierung könnte Guttenberg sogar zu einer Merkel-Konkurrentin werden. Er könnte sich also als ernstzunehmender Anwärter auf Spitzenpositionen in der Post-Merkel-Ära profilieren, nachdem Koch und Rüttgers für diese Rolle nicht mehr infrage kommen.

Warnung vor den Opel-Rettern

Die Kritik an der staatlichen Opel-Krise kommt aber nicht nur von den Marktradikalen aus Union und FDP. Auch ein Leitartikler der SPD-nahen Frankfurter Rundschau warnt vor den Opel-Rettern. Die Finanz- und Wirtschaftskrise sei der deutschen Politik längst über den Kopf gewachsen, die sich statt von wirtschaftspolitischen von wahltaktischen Erwägungen leiten lasse.

Wer hier überhaupt noch Fragen stellt, wer wie Bundeswirtschaftsminister Guttenberg nach Garantien der Investoren fragt und aus verhandlungstaktischen Gründen die schlechten Karten nicht von Anfang an auf den Tisch legen will, der wird einfach als Störenfried abgetan. Von der SPD, von den Ministerpräsidenten – und schließlich auch von der Kanzlerin. Am Ende steht ein unbefriedigendes Ergebnis, das dem Investoren alle Chancen lässt und dem deutschen Staat das Risiko.

Kommentar in der FR

Mit dieser Kritik trifft er sich mit den der Linkspartei nahestehenden Verkehrsexperten Winfried Wolf, der eine vernichtende Analyse veröffentlichte. Es habe am Pfingstsamstag gar keine Lösung der Opel-Krise gegeben. Vielmehr sei lediglich ein dreiseitiges, vielseitig interpretierbares Memorandum of Understanding ausgearbeitet worden. „Tatsächlich wurde nichts verbindlich vereinbart. Verbindlich dürfte nur der Belegschaftsabbau von 8500 Jobs, darunter 2600 in Deutschland sein.“ Wolf, der sich seit Wochen kritisch mit dem Magna-Engagement beschäftigt hat, spricht von einer „extrem labilen Struktur des neuen, zum Teil erst angedachten Unternehmens“, weist darauf hin, dass an die GM-Nachfolgeunternehmen Lizenzgebühren für den weiteren Bau der aktuellen PKW-Flotte bezahlt werden müssen und dass Opel nach der Vereinbarung keine Autos in die USA exportieren darf. Für eine längere Frist ist auch der kanadische Markt gesperrt und nach China könne nur unter spezifischen Auflagen PKW geliefert werden Wolfs Schlussfolgerung ist ernüchternd: „Das sind tödliche Einschränkungen für einen PKW-Massenhersteller. Dieser muss auf vier der fünf entscheidenden Regionalmärkte für PKW präsent sein. Es geht dabei um Nordamerika, China, Westeuropa und Südamerika. Doch New Opel soll von den zwei wichtigsten Märkten ferngehalten werden.“

Obwohl sie aus denkbar unterschiedlichen politischen Richtungen kommt, gibt es entscheidende Überschneidungen bei der Kritik an New-Opel. „Die Hilfe für Opel ist eine Einladung an Konzerne, die Regierung im Wahlkampf zu erpressen“, steht im Kommentar der FAZ..

Steiniger Weg

Selbst einer der eifrigsten Förderer eines Magna-Einstiegs bei Opel, der Gesamtbetriebsrat des Autokonzerns Klaus Franz, spricht davon, dass die Sanierung des Konzern ein „steiniger Weg“ sein wird. Er weist den aus vielen europäischen Nachbarländern mit Opelstandorten geäußerte Kritik am deutschen Standortnationalismus zurück: „Aber bei uns gilt weiter der Grundsatz: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Wir werden alles daran setzen, mit Arbeitszeitverkürzungen und anderen Beiträgen Entlassungen zu vermeiden – in ganz Europa.“ Erst am Mittwoch wies Franz öffentlich Spekulationen zurück, dass Magna es sich mit dem Opel-Einstieg noch anders überlegen könnte Aber allein, dass diese Klarstellungen notwendig sind, zeigt doch nur, dass eben am Pfingstsamstag vieles offen blieb .

Nach Opel auch Arcandor retten?

Keine Stellung wollte Franz zu der Frage nehmen, ob jetzt auch andere kriselnde Branchen wie der Kaufhauskonzern Arcandor mit Staatshilfe saniert werden sollen. Diese Frage aber dürfte das politische Berlin in der nächsten Zeit verstärkt beschäftigen. SPD-Chef Franz Müntefering hat schon die Parole ausgegeben, nicht nur industrielle Arbeitsplätze, sondern auch Jobs im Dienstleistungsbereich retten zu wollen. Doch dafür erntet er auch in seiner eigenen Partei Kritik.

Ob das Kalkül mancher SPD-Wahlkampfstrategen aufgeht, die Verweigerung solcher staatlicher Sanierungen als verweigerte Rettung von Arbeitsplätzen darzustellen, ist völlig offen. Mittlerweile gibt es Umfragen, in denen sich eine Mehrheit der Befragten gegen weitere Finanzspritzen für Unternehmen ausspricht. Die Parole „Schutzschirme nicht nur für Banken sondern für die Menschen“ ist mittlerweile quer durch alle politischen Spektren populär. Sie wurde im Vorfeld der Antikrisendemonstrationen vom 28. März von linksalternativen Gruppen geprägt, wird mittlerweile auch von der rechtskonservativen Deutschen Sozialen Union im Dresdner Kommunalwahlkampf verwendet. Den Politikern, die weitere Finanzspritzen für Unternehmen fordern, könnten bald mit der Frage konfrontiert werden, ob die Gelder nicht in der Bildung, dem Gesundheitswesen und an vielen anderen Stellen, nicht zuletzt bei der Umwandlung der Autoindustrie in eine umweltfreundliche Produktionsstätten besser aufgehoben werden