Ostdeutsche können Demokratie – ist Mitbestimmung am Arbeitsplatz der Schlüssel?

Wer Solidarität erfährt, ist tendenziell eher bereit, sie zu geben. Symbolbild: Gerd Altmann / Pixabay Licence

Studie zeigt: Wo Betriebsräte und Gewerkschaften stark sind, nimmt rechtsextremes Gedankengut ab. Warum das kein Allheilmittel, aber nicht zu unterschätzen ist.

Über die Demokratiefähigkeit der Ostdeutschen wird regelmäßig nach AfD-Wahlerfolgen bei Landtagswahlen diskutiert. Oft wird posthum die DDR für die vermeintliche Unfähigkeit zur Demokratie verantwortlich gemacht – teils wird aber auch die strukturelle Benachteiligung von Ostdeutschen gegenüber Westdeutschen erwähnt; und daraus folgend eine Konkurrenz um den "zweiten Platz" zwischen Ostdeutschen und Migranten.

Einfluss der Arbeitsplatzkultur auf politische Einstellungen

Eher selten ging es bisher in der Forschung dazu direkt um den Ort, an dem Berufstätige einen erheblichen Teil ihrer Lebenszeit verbringen: den Arbeitsplatz.

Wird Frust über Fremdbestimmung durch Chefs und Vorgesetzte an "Fremden" und Minderheiten ausgelassen? Zumindest teilweise – darauf deuten die Ergebnisse einer neuen Studie der Otto-Brenner-Stiftung (OBS) hin. Mit positiven Erfahrungen von Mitbestimmung und demokratischer Handlungsfähigkeit am Arbeitsplatz sinkt jedenfalls die Zustimmung zu extrem rechten Aussagen deutlich, so der Befund.

Mehr Mitbestimmung, weniger Rassismus

In einer repräsentativen Umfrage unter rund 3.000 Beschäftigten aus den neuen Bundesländern hat ein Forscherteam um Johannes Kiess (Else-Frenkel-Brunswik-Institut, Universität Leipzig) den Zusammenhang zwischen Beteiligungserfahrungen am Arbeitsplatz und politischen Einstellungen untersucht.

Zwei Drittel der Befragten, die die Aussage "Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen" ablehnen, sind überzeugt, durch eigenes Engagement im Betrieb etwas zum Positiven verändern zu können.

Demokratieförderung durch Engagement am Arbeitsplatz

Unter denjenigen, die der feindseligen Aussage zustimmen, sehen nur 37,5 Prozent diese Veränderungsmöglichkeiten.

Trotz der schwierigen Transformationserfahrungen hätten viele Beschäftigte von positiven Erlebnissen berichtet, sagt Studienleiter Kiess. "Rund zwei Drittel der Beschäftigten geben eine solidarische Atmosphäre mit den Kollegen im Betrieb an, 58 Prozent fühlen sich bei Entscheidungen nicht übergangen."

Problematisch sei aber, dass knapp ein Fünftel der Befragten keine Möglichkeit sehe, durch eigenes Engagement die Strukturen im Betrieb zum Positiven zu verändern. "Diese wahrgenommene Ohnmacht kann Frustrationen erzeugen, die auch den Blick auf die gesamte Gesellschaft negativ beeinflusst."

Laut Mitautor Andre Schmidt ist die Mitbestimmung am Arbeitsplatz zwar "kein Allheilmittel gegen autoritäre Versuchungen, aber ein direkter Einsatz für die Demokratie".