Osteuropas Atompläne: 130 Milliarden Euro für zwölf neue AKWs
Osteuropa plant trotz hoher Kosten neue Atomkraftwerke. Mindestens zwölf Reaktoren sollen entstehen. Doch woher kommt das Geld für die 130-Milliarden-Investition?
Deutschland hat sich aus der Kernenergie verabschiedet. In Osteuropa hingegen sollen in den nächsten Jahren trotz enormer Kosten und Risiken neue Atomkraftwerke gebaut werden. Mindestens zwölf neue Atomkraftwerke sollen gebaut werden, die Kosten könnten sich laut einer Prognose von Bloomberg auf 130 Milliarden Euro belaufen.
Osteuropa setzt auf Atomkraft: Milliardenprojekte trotz Risiken
Die Länder Osteuropas stehen vor einem Dilemma: Der Klimawandel macht eine Abkehr von fossilen Energieträgern notwendig. Zwar könnte Erdgas noch zeitweilig als Brücke in die grüne Zukunft genutzt werden, aber russisches Gas ist momentan nicht wohl gelitten und anderes zu beschaffen, dürfte sich als kompliziert erweisen. Auch Solar- und Windkraftanlagen sind bisher nicht in ausreichendem Maße entwickelt, sodass nur die Kernenergie als Energiequelle übrig bleibt.
Etliche Länder des früheren Ostblocks haben aus den 1970er- und 1980er-Jahren Kernkraftwerke geerbt. Deren Laufzeit ist jedoch begrenzt, zudem stört sich die Europäische Union daran, dass diese Atommeiler meist noch auf russische Brennstoffe ausgelegt sind. Die angestrebte Abkopplung von Russland macht es entsprechend notwendig, neue Kraftwerke zu bauen, die auch mit Brennstäben aus westlicher Fertigung versorgt werden können.
Technische und finanzielle Herausforderungen beim AKW-Bau
Doch die Länder verfügen nicht über das nötige technische Know-how und haben Schwierigkeiten, die enormen Kosten zu tragen, wie Beamte demnach einräumen. Da kein privater Investor das Risiko eines Kraftwerksneubaus allein tragen will, muss die öffentliche Hand einspringen.
Sie blicken nach Brüssel und hoffen auf Subventionen. Schnelle Entscheidungen sind deshalb nicht zu erwarten. Laut Bloomberg könnte es erst im kommenden Juni so weit sein, wenn die EU-Kommission die Haushaltsdebatte abgeschlossen hat. Dann könnte es auch zu einem verstärkten Wettbewerb zwischen den osteuropäischen EU-Ländern kommen, da die Fördergelder wohl nicht für alle Projekte ausreichen werden.
"Die Finanzierung ist bei Weitem das wichtigste Thema", betonte Jan Horst Keppler, Ökonom bei der Kernenergie-Agentur (NEA), einer halbautonomen Institution innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), gegenüber Bloomberg. Sie sei "das Herzstück der Entscheidung".
Fallbeispiel Polen: Ein 30-Milliarden-Euro-Kraftwerk
Das Beispiel Polen verdeutlicht dies. Die Regierung in Warschau will im Land ein Atomkraftwerk bauen lassen. Darüber verhandelt sie mit dem US-Konzern Westinghouse Electric, der den Bau der Reaktoren finanzieren soll. Zumindest teilweise, denn die Kosten für das AKW könnten 30 Milliarden Euro übersteigen. Diese Summe entspricht dem gesamten polnischen Verteidigungshaushalt für 2023 oder 3,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
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Auch wenn sich die Europäische Union an den exorbitanten Kosten beteiligt, wird die polnische Regierung erhebliche Mittel aufwenden müssen, um den Bau zu realisieren. Im Gespräch sind staatlich subventionierte Differenzverträge, wie sie in Frankreich und Großbritannien üblich sind.
Differenzverträge: Staatliche Garantien für Atomstrom
Bei dieser Vertragskonstruktion gibt der Staat einen Garantiepreis für die Stromproduktion vor. Liegt der Marktpreis darunter, zahlt der Staat die Differenz an den Kraftwerksbetreiber. Steigt der Marktpreis jedoch über den garantierten Preis, muss der Kraftwerksbetreiber die Differenz an den Staat zurückzahlen.
Unter bestimmten Bedingungen gehen solche Verträge mit dem EU-Wettbewerbsrecht konform. Die Förderung ist möglich, wenn Maßnahmen zur Nachrüstung, Kapazitätserweiterung oder Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken ergriffen werden. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, müssen die Preisobergrenzen der einzelnen EU-Länder von der EU-Kommission genehmigt werden.
Die Geschwindigkeit, mit der neue Kernkraftwerke gebaut werden, wird auch durch andere Faktoren begrenzt: Probleme in der Lieferkette und ein Mangel an Experten und Unternehmen, die auf den Bau von Kernkraftwerken spezialisiert sind. Die knappen Ressourcen in Europa werden auch durch das französische Bauprogramm für neue Reaktoren in Anspruch genommen.