Oxfam appelliert an die Regierungen, die wachsende Ungleichheit zu stoppen

Seite 2: Moralische Appelle reichen nicht

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So wichtig es ist, Zahlen über die Kluft zwischen Arm und Reich und die ungerechte politische und wirtschaftliche Ordnung zusammenzufassen und zu veröffentlichen, so absehbar ist es, dass auch der wiederholte - moralische - Appell an Regierungen, hier etwas zu ändern, nichts fruchten wird. So fordert Oxfam die Bundesregierung auf, "ihren Beitrag zum Abbau von Ungleichheit zu leisten". Dazu gehöre, die Steuervermeidung von Konzernen und Superreichen zu stoppen, faire Einkommen und gleiche Chancen für Frauen und Männer durchzusetzen und in Bildung und Gesundheit für alle zu investieren.

Während aber die Reichen tief verankert in den politischen Strukturen sind und entsprechend Druck ausüben können, der weit über moralische Appelle hinausgeht, fehlt dieser Druck seitens der Unterprivilegierten auf die Regierungen und die Reichen. Der kann nicht moralisch geleistet werden, sondern muss seinerseits politisch erfolgen und von einer Idee begleitet sein, wie eine Gesellschaft mitsamt ihrem Wirtschaftssystem gerechter organisiert werden kann. Daran aber fehlt es.

So wird zwar etwa von Jörn Kalinski, dem Kampagnenleiter von Oxfam Deutschland, beklagt, dass "die massive soziale Ungleichheit ein Krankheitssymptom unseres Wirtschaftssystems ist, nicht etwa ein Zeichen gesunden Wachstums". Aber dann wird nicht gefragt, wie das Wirtschaftssystem, das auch nicht näher beschrieben wird, verändert werden sollte. Offen bleibt auch, ob nur das Wirtschaftssystem krank ist und geheilt werden kann oder ob eine Veränderung erforderlich wäre. In einem Gespräch erläutert Kalinski, die Ungleichheit sei Folge des Wirtschaftssystems, das "die Profitinteressen einer kleinen Gruppe über das Wohl der großen Mehrheit" stellt. Er schließt mit der Frage: "Da muss man sich schon fragen, wer die Gestaltungsmacht hat - der Staat oder Konzerne und Großaktionäre."

Zurück zum Statement anlässlich der Veröffentlichung des Berichts. Auf den Verweis auf das Krankheitssymptom unseres Wirtschaftssystems folgt eine Beschreibung der Folgen: "Eine reiche Minderheit nimmt massiv Einfluss auf politische Entscheidungen und senkt Unternehmenskosten - insbesondere Löhne und Steuern - in unverantwortlicher Weise, um die Profite der Anteilseigner zu steigern. Den Preis der Profite zahlen Milliarden von Menschen weltweit, die zu Löhnen, die nicht zum Leben reichen, schuften müssen und keinen Zugang zum öffentlichen Bildungs- und Gesundheitssystem erhalten." Und schließlich kommt der Appell an die Regierung.

Im Bericht freilich werden Reformen angemahnt: Stärkung der Gewerkschaften, Kooperativen und Mitbestimmung, Multinationale Unternehmen sollen einen existenzsichernden Mindestlohn zahlen, das Einkommen der Topmanager soll höchstens das Zwanzigfache des einfachen Angestellten betragen, der Gender Pay Gap soll entfallen und die Frauenrechte gestärkt werden, Abschaffung von Sklavenarbeit und Armutslöhnen sowie von prekärer Arbeit.