Parlamentswahl Russland

Bild Wladimir Putin: Kremlin.ru / CC-BY-4.0 / Grafik: TP

Frischer Wind, Parfüm-Partei oder Spoiler?

Russland wählt ein neues Parlament und wegen der politischen Stimmung genießen Parteien, die neu in die Duma einziehen könnten, große Aufmerksamkeit. Doch nicht alle machen unzweifelhaft ernste Politik und die, die es tun, werden mit teils merkwürdigen Methoden von den Behörden behindert.

Viel Interesse für neue Parteien wegen Unzufriedenheit

Noch vor der deutschen Bundestagswahl wird ein anderes landesweites Parlament gewählt - vom 17. bis 19. September bestimmen die Russen ihre neue Staatsduma. Die Vorzeichen von der allgemeinen Stimmungslage im Volk stehen dabei gar nicht so schlecht für frische Kräfte, neu den Einzug in das Parlament zu schaffen.

Fast jeder fünfte, der zur Wahl gehen will, will für eine Partei stimmen, die im Parlament noch nicht vertreten ist, fand das staatliche Umfrageinstitut WZIOM heraus. WZIOM-Chef Walery Fedotow stellt entsprechend fest, dass bei den aktuellen Wahlen viel Interesse auf neue Parteien gerichtet ist.

Grund dafür sind unter anderem wirtschaftliche Faktoren im Land, die Unzufriedenheit produzieren. Die Inflation, die aktuell bei knapp sieben Prozent liegt, empfinden die meisten Russen als zu hoch. Nur eine Minderheit im russischen Volk fühlt sich noch angesichts der finanziellen, wirtschaftlichen und politischen Lage wohl. Das ermittelten Daten des staatlichen Meinungsforschungsinstituts WZIOM, das nicht den Ruf besitzt, Dinge zu pessimistisch darzustellen.

Eine Alternative, die Änderung verspricht, stellen dabei die im Parlament bereits vertretenen Parteien der sogenannten "Systemopposition" nur eingeschränkt dar. Als handzahm gegenüber den Mächtigen in der Bürokratie gelten vor allem Schirinowskis LDPR und die Partei Gerechtes Russland, die neben den Kommunisten als einzige über eine Dumafraktion verfügen. Letztere versuchen noch am intensivsten ihr angepasstes Image loszuwerden und werden dafür mit einem aktuellen Umfragehoch belohnt.

Nur drei Parteien der zersplitterten Opposition haben Chancen

Das müsste normalerweise eine Chance auf Stimmengewinne für Parteien sein, die nicht im Ruf stehen, nur ein angepasstes Anhängsel der russischen Bürokratie zu sein. Doch die aktuell 19 Prozent Anhänger neuer Kräfte unter den Russen sind unter zahlreichen Bewegungen zersplittert und eine wirkliche Chance auf einen Einzug ins Parlament haben nur drei Parteien, die nicht alle für eine echte Erneuerung der politischen Landschaft in Russland stehen oder bei ihrem Wahlkampf zum Teil massiv behindert werden: Die sogenannten Nowy Ludi ("Neuen Leute"), die liberale Partei Jabloko und die Partei der Rentner.

Dass alle übrigen Kräfte eher unter ferner liefen marschieren (jeweils unter 2 Prozent in den Umfragen), liegt aber nicht unbedingt an staatlichen Repressionen. Zum einen sind sie oft in vielen Regionen der riesigen Russischen Föderation lokal kaum vertreten.

Zum anderen bieten sie oft auch keine überzeugenden Inhalte an. Forscher des Forschungsinstituts Minority Opinion Foundation untersuchten die Wahlprogramme aller bei der Dumawahl antretenden Parteien bezüglich der abgedeckten Themen, ihrer Struktur und Begründungen enthaltener Vorschläge und kamen zu dem erschreckenden Ergebnis, dass die meisten dieser Programme sich inhaltlich selbst widersprechen, ihnen innere Logik und Struktur fehlen und sie mehr oder weniger nur existieren, weil das Gesetz ein solches Programm für eine kandidierende Partei vorschreibt.

Die "Neuen Leute" - ein Spoiler?

Eine Ausnahme bildeten dabei die besagten "Neuen Leute", die im Programmtest unter den kleineren Parteien eine Spitzenposition erreichten und bei denen der Neueinzug ins russische Parlament - auch dort gibt es eine Fünfprozenthürde - noch am wahrscheinlichsten ist. Das liegt an prominenten Initiatoren. Parteichef Alexei Netschajew ist erfolgreicher Präsident des russischen Kosmetikriesen Faberlic.

Die Verteilung von Duftwässerchen im Wahlkampf hat seiner Bewegung bei den Russen den Spitznamen "Parfüm-Partei" eingebracht. Kleine Selbstständige und Wirtschaftsleute gehören zur Zielgruppe der Partei, für die es wirtschaftsliberal orientierte Forderungen - Stichwort "schlanker Staat" und Steuersenkungen - gibt.

Doch, ob die modern auftretenden "Neuen Leute" wirklich bei einem Parlamentseinzug neue Ideen in das russische Parlament bringen, ist zweifelhaft. Denn sie stehen im Verdacht, eine sogenannte "Spoilerpartei" zu sein, also eine von den Behörden inszenierte Kraft, die vor allem existiert, der echten Opposition Stimmen abzunehmen und nicht, um eigene Ziele zu verwirklichen.

Parteichef Netschajew ist selbst Mitglied von Putins "Allrussischer Volksfront", einer regierungsnahen, staatstragenden Bewegung aus dem Umfeld des Kreml. Dass seine "Neuen Leute" ins Parlament einzieht, war ursprünglich eventuell gar nicht geplant, berichten russische Zeitungen. Die Partei versuche angesichts ihres überraschenden Erfolgs sogar, sich eher wieder in eine Nischenposition zurückzuziehen, um der Regierungskraft "Einiges Russland" nicht zu viele Stimmen zu kosten.