Paschtunen: Umfassende Ablehnung westlicher Werte und Ideen
Seite 2: Der Ordnungs-Versuch der Sowjetunion
- Paschtunen: Umfassende Ablehnung westlicher Werte und Ideen
- Der Ordnungs-Versuch der Sowjetunion
- USA: Kapitale Fehlentscheidungen
- Fazit: Wie weiter mit Kabul?
- Auf einer Seite lesen
Angesichts der britischen Erfahrungen ist kaum nachvollziehbar, was die Entscheidungsträger der Sowjetunion bewog, an Weihnachten 1979 ihren in Kabul in der Klemme sitzenden Genossen zur Hilfe zu kommen.
Die Invasion entwickelte sich zur einer der unglücklichsten Episoden der Sowjetepoche und führte zwar nicht allein, aber mitentscheidend zu deren Ende. Dabei hatte es im Vorfeld an warnenden Stimmen nicht gefehlt.
Natürlich verfolgte man als direkter Nachbar Afghanistans die dortigen Vorgänge. Das Great Game mit den Briten wich dem Kalten Krieg mit den USA. Es lief vor allem auch umgekehrt: Das bitterarme, rückständige Afghanistan konnte nicht wählerisch sein, ging selber auf alle potenziellen Freunde zu und nahm Geld egal, woher es kam. Und scheute auch nicht vor Erpressung zurück. Um eine Weltmacht zur Zahlung zu bewegen, wurde mit der anderen gedroht.
Aufmerksam verfolgte (und weniger erfolgreich dirigierte) Moskau die 1965 gegründete People's Democratic Party of Afghanistan (PDPA), die es nicht wagte, sich im stockkonservativen Umfeld "kommunistisch" zu nennen. Bald bemerkte Moskau die berüchtigte Streitsucht: Die PDPA zerfiel in zwei Fraktionen und das nicht aus ideologischen Gründen, sondern aus Stammeskonkurrenz.
Die Sowjets brachen mit einem ihrer zentralen Dogmen und unterstützten zwei KPs. Das Politbüro war wenig erfreut, als einige Generäle der Khalq(Volk)-Fraktion der PDPA im April 1978 den republikanischen Präsidenten Mohammad Daoud stürzten. Die "Glorreiche Saur (April) Revolution" war nur ein besonders blutiger Armeeputsch.
Wohl waren die Sowjets vorher informiert, haben jedoch den Coup nicht gefördert, da keine einzige Voraussetzung für eine proletarische Revolution gegeben und mit unmittelbarem starkem Widerstand zu rechnen war, der dann auch aufkam. Es gibt Quellen, die behaupten, Moskau hätte Taraki und Amin, den Protagonisten der Khalq, strengstens abgeraten.
Unbestritten ist, dass es vor der Invasion zu heftigen Meinungsverschiedenheiten in Politbüro, Roter Armee und KGB kam. Denn, wie es zu erwarten gewesen war, fuhr sich die als gottlos wahrgenommene Khalq mit völlig überzogenen Reformen und brutalem Gewalteinsatz fest und rief nur ein Jahr nach der Machtübernahme nach Verstärkung aus Moskau.
Gleichzeitig erreichte ein neuer Machtkampf, jetzt innerhalb der Khalq den Höhepunkt. Hafizullah Amin ließ seinen Vorgänger Taraki ermorden, übernahm die Macht und setzte auf Staatsterror. Es folgte ein Blitzfeldzug, der Amin stürzen und die Mudschahedin neutralisieren sollte.
Amin war bald beseitigt, doch der Blitzfeldzug dauerte fast zehn Jahre und am Ende behielten die Mudschahedin die Oberhand. Dieser Einmarschbefehl gehört zu den verhängnisvollsten Beschlüssen der damals verkalkten KP-Führung. Michail Gorbatschow blieb nur der Rückzugsbefehl, um das bis heute blutigste Kapitel in Afghanistan zu beenden.