"Peak Oil"
Über das Ende des Ölzeitalters, die Visionen der Autopioniere Diesel und Ford und die Wiederkehr des Universalrohstoffs Hanf
Rudolf Diesel und Henry Ford sind die vielleicht bedeutendsten Pioniere in der Geschichte des Automobils – letzterer vor allem mit seinen Leistungen in der industriellen Fertigung und Diesel wegen des bis heute nach ihm benannten Motors. Doch mit ihren entscheidenden Visionen konnten sich die beiden Pioniere in ihrer Zeit nicht durchsetzen: der Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen. Angesichts explodierender Rohölpreise und der Aussicht, dass die globale Produktion ihren „Peak“ erreicht hat, sind ihre Pläne jetzt wieder hochaktuell. Und damit auch wieder ein lange vergessener und verbotener Biorohstoffe: Hanf.
„Der Gebrauch von Pflanzenöl als Kraftstoff mag heute unbedeutend sein. Aber derartige Produkte können im Laufe der Zeit ebenso wichtig werden wie Petroleum und die Kohle-Teer-Produkte von heute“, hieß es 1912 in einer der Patentschriften Rudolf Diesels, was deutlich die Intentionen des genialen Erfinders widerspiegelt. Zwanzig Jahre zuvor hatte er das erste Patent für seinen „selbstzündenden“ Motor erhalten, und die ersten Modelle wurden von Erdnussöl, Petroleum und bald darauf auch von Rohöl angetrieben und waren aus Schiffen, Lokomotiven, Lastwagen und Personenautos bald nicht mehr wegzudenken.
Bis Rudolf Diesel 1913 bei einer Schiffsüberfahrt zur "Consolidated Diesel Manufacturing Ltd." London im Ärmelkanal unter ungeklärten Umständen ums Leben kann, hatte er unter anderem daran gearbeitet, seine Motoren für den Pflanzenölgebrauch zu optimieren – was zu der Verschwörungsthese geführt hat, dass er von der Erdölindustrie beseitigt wurde, beziehungsweise von Agenten Kaiser Wilhelms, die verhindern wollten, dass Diesel seine neuen Ideen dem „Feind“ verriet.
Wie auch immer, Fakt ist, dass seit Diesels Tod der Antrieb der nach ihm benannten Motoren nahezu ausschließlich mit fossilem Öl erfolgt; auch den Weiterentwicklungen von Nachfolgern wie Ludwig Elsbett, die weiter auf das Bio-Öl setzten, ist bis heute kein echter Durchbruch gelungen. Das mag damit zusammenhängen, dass zu den wichtigsten Großaktionären der Automobilindustrie schon immer die Mineralölindustrie zählte, die verständlicherweise wenig Interesse an einem Pflanzenölmotor hat: Jede Bauerngenossenschaft, die Raps, Sonnenblumen oder Hanf anbaut, könnte dann einfach eine Tankstelle aufmachen. Einzige technische Voraussetzung wäre eine simple und billige Ölpresse, sowie an Pflanzenöl angepasste Motoren, wie sie Diesel ursprünglich vorschwebten, doch bis heute nur von Kleinfirmen wie Elsbett angeboten werden.
Der „Bio-Diesel“, den die Mineralölindustrie mittlerweile verkauft, geht denn auch den genau umgekehrten Weg: Statt den Motor an Pflanzenöl anzupassen, wird das Pflanzenöl in einem energieaufwendigen chemischen Verfahren zu Methylesther umgewandelt, um es an die auf Mineralöl getrimmten aktuellen Dieselmotoren anzupassen. Die dazu notwendigen kapitalaufwändigen Anlagen sorgen dafür, dass auch „Beyond Petroleum“ – so der neue Öko-Slogan von BP – der Markt unter Kontrolle der Großindustrie bleibt.
Das Auto, das vom Acker wächst
Auch Henry Ford hatte weit reichende Ideen, was die Zukunft des Autobaus betrifft. Er experimentierte seit 1910 mit nachwachsenden Rohstoffen und ihrer Verarbeitung zu Kunststoffen, wobei er vor allem auf Hanf und Soja setzte. Letzteren baute er auf seiner großen Versuchsfarm in Michigan auch noch an, als mit dem „Marijuana Tax Act“ von 1937 der Anbau der „Mörderdroge“ in den USA bereits verboten worden war .
1941 stellte Ford den Prototypen seiner Vision vor: „Das Auto, das vom Acker wächst.“ Die Kunststoff-Karosse war aus Pflanzenfasern und der Motor lief mit Hanföl oder mit Ethanol, aus Pflanzen gewonnenem Biosprit. Mit großem Werbegetöse präsentierte Henry Ford sein Zukunftsauto, doch schon Ende 1941 wurde die Werbung und die Weiterentwicklung eingestellt. Der Hintergrund dürfte aber weniger mit dem Ausbruch des 2. Weltkriegs zu tun gehabt haben, mit dem der bekennende Hitler-Fan und fanatische Antisemit Henry Ford politisch ins Abseits geraten war. Auch Standard Oil, General Motors (GM), DuPont und andere Großindustrielle machten mit den Nazis beste Geschäfte, GM und DuPont gründeten mit der IG Farben unter anderem die „Ethyl GmbH“ zur Gewinnung alternativer Kraftstoffe. Das Verschwinden von Fords „Pflanzenauto“ hatte viel mehr mit dem grundsätzlichen Konflikt zwischen Agrarkultur und Industrialisierung und den „Faserkriegen“ der 20er und 30er Jahre zu tun, wie sie der Historiker Dave West sie am Beispiel des „Kriegs“ zwischen der Baumwoll- und der Hanfindustrie beschrieben hat (Fiberwars)
Ab Mitte des 19 Jahrhunderts war Hanf als wichtigster Faserlieferant von der Baumwolle überholt worden, die sich einfacher gewinnen und verarbeiten ließ, doch dank neuer Ernte- und Verarbeitungsmaschinen schickte sich die Hanfindustrie ab Ende der 20er Jahre an, zu ihrer alten Bedeutung zurückzufinden. „A billion dollar crop“ – eine neue Milliardenernte aus der „besten Nutzpflanze, die man sich wünschen kann“, versprach das führende Technikmagazin „Popular Mechanics“ und berichtete von den über 25.000 Produkten – „von Dynamit bis Cellophan“ - die sich aus dem schnell wachsenden und zellulosereichen Rohstoff herstellen lassen. Doch erschien der Artikel Anfang 1938 leider zu spät, wenige Monate später kam durch das Hanfverbot in den USA der Anbau zu Erliegen.
Gegen grüne Konkurrenz vom Acker – die Prohibition
Die vielfältigen Gründe, die zu dem Verbot der Hanfpflanze führten, habe ich mit Jack Herer in Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf (1993/2004) ausführlich beschrieben. Im Zusammenhang mit Diesels Pflanzenöl-Konzept und Fords „Auto vom Acker“ sind hier vor allem die industriellen Strippenzieher interessant: Finanziert wurde das für die Hanfverfolgung gegründeten „Federal Bureau of Narcotics“ (FBN) – die heutige „Drug Enforcement Agency“ (DEA) – unter anderem mit einem großzügigen Scheck von DuPont, der auch mitten in der Wirtschaftsdepression eine große Propagandakampagne gegen das nun als „Mörder der Jugend“ apostrophierte Kraut ermöglichte.
DuPont hatte gerade die aus Erdöl gewonnene Kunstfaser (Nylon) marktreif gemacht und träumte in seinen Geschäftsberichten von einer Welt „ohne Naturfasern“. Eine wieder erwachende Hanfindustrie passte da ebenso wenig ins Konzept wie Fords erfolgreiche Versuche mit Kunststoffen und Kraftstoffen aus Pflanzenmaterial. Dass neben DuPont der zeitweilige Finanzminister und Banker der Ölmagnaten Andrew Mellon sowie der Pressezar, Papierhersteller und Waldbesitzer Randolph Hearst zu den wichtigsten Betreibern der Hanfprohibition gehörten, überrascht nicht. Sowohl als Energiepflanze als auch als Lieferant für Papier stellt Hanf eine überzeugende Alternative zu Erdöl bzw. Holz dar.
Mit dem Schlagwort „Marijuana“ freilich - weil dem guten alten „hemp“ derlei mörderische Qualitäten niemand abgenommen hätte - wurde das mexikanische Slangwort in die amerikanische Sprache eingeführt, ebenso wie die dazu frei erfundenen Horrorassoziationen von Wahnsinn, Mord und Vergewaltigung, die man seinen Konsumenten - meist Latinos und Schwarzen – zuschrieb. Damit fuhr das FBN eine der erfolgreichsten Propaganda-Kampagnen der Moderne. Ihr Leiter Harry Anslinger wurde später in das neue gegründete Drogenbüro der UNO befördert, wo er für die weltweite Verbreitung der Hanfprohibtion sorgte. Damit wurde die nützlichste Pflanze des Planeten für über ein halbes Jahrhundert zur „flora non grata“ und geriet in Vergessenheit – ebenso wie die Alternativen der Autopioniere Diesel und Ford. Nachdem die Preise an den Zapfsäulen seit einigen Jahren beharrlich vor Augen führen, dass das Ölzeitalter zu Ende geht, werden nun nicht nur diese alten Visionen wiederentdeckt – auch die fast ebenso alte Hanfprohibition neigt sich zumindest in Europa ihrem Ende zu.
Die Revolution im Tank
Neben dem Motorenbetrieb mit reinem oder chemisch verändertem Pflanzenöl existiert noch eine weitere Methode der Kraftstoffgewinnung aus Pflanzen, mit der auch Henry Ford schon experimentierte und bei der durch die Verbrennung von Pflanzenmaterial ein flüssiges Gas gewonnen wird. Diese BtL-Kraftstoffe (Biomass to Liquid) genannten Produkte benötigen als Ausgangsprodukt nur trockene Biomasse, also Wald,- und Landwirtschaftsreste und Bioabfälle aller Art (Biomasse - Energiequelle oder Lebensmittel?, Die Energie-Bilanz der Biomasse).
Der weltweit erste dieser Biomasse-Reaktoren entsteht jetzt in Sachsen, ein weiterer soll in Mecklenburg-Vorpommern gebaut werden. Der Sundiesel genannte Kraftstoff, den die Betreiberfirma Choren ab 2007 liefern will, ist trotz der Herstellungskosten von ca. 50 Cent pro Liter bei den derzeitigen Benzinpreisen konkurrenzfähig, da die Mineralölsteuer bei Biokraftstoffen entfällt. Darüber hinaus hat er weitere gravierende Vorteile gegenüber herkömmlichem Diesel: Er ist aromaten- und schwefelfrei, nahezu CO2-neutral und verfügt wegen seiner höheren Cetan-Zahl auch über ein besseres Zündverhalten.
Die geplanten Großanlagen sollen 1 Million Tonnen Biomasse pro Jahr verarbeiten, wobei die Versorgung dieser Anlagen vorerst kein großes Problem darstellen sollte – allein die 40 Millionen Tonnen Stroh, die jährlich auf deutschen Landwirtschaftsflächen untergepflügt werden, könnten 4 Millionen Tonnen Sundiesel – 14 % des Gesamtbedarfs – liefern. Auch die Nutzung von Abfällen der Waldwirtschaft und des jährlichen Holzuwachses könnte bedeutend zur Entkoppelung vom Rohöl beitragen: Würden 50% davon zu Sundiesel verarbeitet, so hat Prof. Scheffer vom Institut für Nutzpflanzenforschung der Uni Kassel (Biomasse –gespeicherte Sonnenenergie) berechnet, würden weitere 2,5 Millionen Tonnen Kraftstoff hinzukommen. Allein diese „Resteverwertung“ der Bioabfälle von Wald und Feld könnte theoretisch also schon 20% des gesamten Kraftstoffverbrauchs decken.
Darüber hinaus bieten sich, eine flächendeckende Versorgung mit solchen Bio-Raffinerien vorausgesetzt, die stillgelegten Agrarflächen zur Energieproduktion an – und hier kommt erneut die Hanfpflanze ins Spiel, der am schnellsten wachsende einheimische Rohstoff. Hanf wächst in 100 Tagen über vier Meter hoch und produziert mehr Biomasse pro Hektar als jede andere heimische Pflanze. Selbst unter normalen Umständen sind es je nach Sorte und Standort ca.12- 15 Tonnen Trockenmasse, was 3000 - 4000 Litern Kraftstoff entspricht. Unter für die Energiegewinnung optimierten Methoden und in Kombination Vor- oder Folgefrüchten lässt sich sogar noch ein deutlich höherer Energieertrag pro Hektar und Jahr erzielen.
Andere in Frage kommende „Energiepflanzen“ wie Zuckerhirse, Chinagras, Eukalyptus und weitere schnell wachsende Hölzer sind zwar, was den Biomassezuwachs betrifft, gleichwertig oder sogar überlegen, bringen aber zumal bei großflächigen Anbau in Monokulturen ökologische Nachteile mit sich. Hanf indessen eignet sich hervorragend als Zwischenfrucht auf jedem für den Nahrungspflanzenanbau genutzten Acker, da er keine Pestizide oder Herbizide benötigt und die Böden optimiert - und ist auch im großflächigen Anbau auf einem Teil der 12 Millionen Hektar Agrarflächen in Deutschland als Energielieferant geeignet. Sowie, ganz nebenbei, als Rohstoff der 25.000 anderen Produkte, die sich daraus gewinnen lassen.
Der grüne Staatssekretär im Berliner Landwirtschaftsministerium setzt große Hoffnungen auf alle möglichen Varianten von Biosprit. Sprit von deutschen Äckern welch glänzende Aussicht wäre das für seine Landwirte. Berninger hat ausrechnen lassen, auf wie viel der knapp zwölf Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche sich Rohstoffe für Sundiesel anbauen ließen: auf immerhin rund zwei Millionen Hektar. Selbst wenn die Bauern strengste Umweltvorschriften beachteten, könnten sie genug Rohstoffe für ein Viertel des deutschen Dieselverbrauchs erzeugen, haben Berningers Fachleute den Staatssekretär wissen lassen. Weitere Sundiesel-Chargen ließen sich im Ausland herstellen.
Revolution im Tank, Die Zeit, 29/2004
Bricht mit dem Ende des Ölzeitalters (Peak oil im Sommerloch) nun definitiv das Zeitalter der Biorohstoffe und ihrer immer noch verbannten Königin Cannabis sativa an ?
Weiter in Teil 2: Wie die Prohibition der Energiepflanze Hanf die eigenen Finanzierungsquellen abschneidet.