Plädoyer für Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg
Seite 2: Ukraine-Krieg: Wunsch nach Verhandlungen wird lauter
- Plädoyer für Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg
- Ukraine-Krieg: Wunsch nach Verhandlungen wird lauter
- Was der ukrainische Traum vom Sieg bedeutet
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Der Westen bewundert zu Recht den heroischen Kampf der Ukraine. Aber angesichts der steigenden Opfer, der gewaltigen Zerstörung und der Gefahr der Eskalation des Krieges wird jetzt der Wunsch nach Verhandlungen auch in den USA lauter. Kürzlich plädierte der ranghöchste US-amerikanische General. Marc Milley für sofortige Verhandlungen, um den Krieg zu beenden.
Henry Kissinger lobte wiederholt die heldenhafte Verteidigung, appelliert aber auch an Kiew, jetzt aus einer Position der Stärke mehr Kompromissbereitschaft für einen Verhandlungsfrieden aufzubringen.
In US-amerikanischen Regierungskreisen wie auch in der Öffentlichkeit mehren sich die Stimmen, die Ukraine nicht weiter bedingungslos zu unterstützen, sondern sie vorsichtig auf eine Kompromisslösung vorzubereiten.
Warum? Waffenlieferungen und Sanktionen werden Russland nicht in die Knie zwingen. Dieses brutale Regime an der Spitze einer Atommacht wird eher eskalieren als dass es aufgeben wird. Und sollte Putin sterben oder abgesetzt werden, dann wird nicht eine liberale Opposition den Krieg beenden, sondern rechtsextreme und noch militantere Nationalisten könnten den Krieg noch brutalerer führen. Sie werden auch das Risiko eine europäischen Flächenbrandes einkalkulieren.
Die Russen mögen ihrer eigenen Regierung nicht trauen, aber dem Westen trauen sie noch weniger. Insbesondere die Forderung des Westens, Russland muss für diesen Krieg bestraft werden und sollte nie wieder als Großmacht auferstehen, befeuert einen grimmigen und militanten Nationalismus, der jetzt auf beiden Seiten dominiert.
Der heldenhafte Verteidigungskrieg der Ukraine wird zu Recht bewundert. Aber dieser kompromisslose Selbstbehauptungswille ist zugleich die Achillesferse der Ukraine für eine zukünftige Friedensordnung. Kiews Kompromisslosigkeit erschwert eine Verhandlungslösung, die allen Seiten Kompromisse abverlangen würde.
Das bislang gemeinsame Ziel der Ukraine und des Westens auf Sieg über Russland erscheint immer fragwürdiger. Durchhalteparolen sind aber kein Ersatz für Strategie und Diplomatie. Den Krieg nur durch Waffen, Hilfe und Sanktionen zu unterstützen mag moralisch befriedigen und innenpolitisch populär sein. Aber dadurch wird nichts gewonnen, vielmehr werden die Ukrainer dem Horror des Krieges weiter ausgesetzt.
Nichts wäre schlimmer als die gegenwärtige Eskalation nur weiter durch Waffenlieferungen zu fördern und darauf zu hoffen, dass Putins Russland zusammenbricht. In Wirklichkeit wird mit dieser Haltung die weitere Eskalation des Krieges, sowie Zerstörung oder gar der Zusammenbruch der Ukraine riskiert.
Auch der Ukraine den Weg in die Nato und in die EU zu eröffnen ist allenfalls dazu geeignet, russische Aggressivität nur noch zu steigern. Die Stimmen in Russland, die diesen Krieg als existentielle Auseinandersetzung mit dem Westen interpretieren und entsprechend verschärfen wollen, werden dadurch nur an Zuspruch gewinnen.
Es fehlt also eine politische Strategie und diplomatische Initiative, um ein Ende des Leidens herbeizuführen und gleichzeitig der Ukraine Sicherheit vor einem neuen russischen Angriff zu garantieren.
Selbst wenn der eher unwahrscheinliche Fall eintreten würde, dass Russland besiegt würde und sich dann im Zuge eines Diktatfriedens völlig aus der Ukraine zurückziehen müsste, wäre das Ergebnis Revanche. Russland würde bei der nächstbesten Gelegenheit erneut die Ukraine angreifen.
Deshalb muss ein Verhandlungsfrieden Russland auch perspektivisch wieder einen Platz in einer europäischen Friedensordnung einräumen, der russischen Revanchismus unmöglich macht.
Das bedeutet auch, dass Kiew auf einen totalen Sieg verzichten und gleichzeitig anerkennen muss, dass es zukünftig nur Seite an Seite mit Russland Frieden und Ausgleich finden kann. Es ist moralisch gesehen eine fürchterliche Zumutung für die Ukraine, dem brutalen Angreifer nun verhandlungspolitisch entgegenkommen zu müssen. Aber die Geschichte zeigt, dass nur Zwang zum Kompromiss erneuten Waffengang erschweren oder gar verhindern kann.
Vor diesem Hintergrund sollte auf Putin und auf Selenskyj Druck ausgeübt werden, direkte Gespräche über Waffenstillstand und Frieden zu führen. Eine Voraussetzung für Friedensverhandlungen wäre ein neutraler Status der Ukraine, der dem Land militärische Sicherheit und politische Offenheit nach Westen und nach Osten garantieren müsste, also eine Art Österreich- oder Finnland-Lösung.
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