Polen: Der "Gute Wandel" der PiS im Wandel
Seite 2: Der Deal
Kaczyński mag ein zynischer Machtmensch sein, aber er ist auch Realpolitiker, der nach zwei Jahren erkannt hat, dass mit der Blut- und Boden-Propaganda, die die von ihm kontrollierten Staatsmedien verbreiten, keine Wahlen zu gewinnen sind. Es ist die Wirtschafts- und Sozialpolitik, die ihm die anhaltend hohen Zustimmungswerte beschert.
Nun sollen die noch skeptischen bis feindlich gesinnten urbanen Mittelschichten gewonnen werden. Statt Flugzeugabsturz über Smolensk und Rosenkranzbeten gegen muslimische Einwanderung sollen nun der Kampf gegen den Smog, eine Reform des schwer angeschlagenen Gesundheitswesens, das "polnische Elektroauto" und der "polnische Zentralflughafen" in den Mittelpunkt rücken.
Die Rochade in der Regierung dürfte laut politischen Beobachtern Teil eines Deals zwischen dem Staatspräsidenten und dem PiS-Vorsitzenden sein. Andrzej Duda, ein bis dahin wenig bekannter PiS-Politiker, wurde im Sommer 2015 zum polnischen Präsidenten gewählt und stimmte seit dem Wahlsieg seiner Stammpartei mit seiner Signatur allen kontroversen Gesetzesänderungen zu. Doch bei der viel kritisierten Justizreform verweigerte er in Juli 2017 plötzlich seine Unterschrift. Zusätzlich kam es zum offenen Konflikt mit dem umstrittenen Verteidigungsminister Macierewicz, den der Präsident für untragbar hielt. Duda wurde danach vom Justizminister Ziobro offen angefeindet, er würde dem "Guten Wandel" Steine in den Weg legen. Der PiS-Monolith begann erste Risse zu zeigen.
Bedingt durch die programmatische und personelle Schwäche der parlamentarischen Opposition wurde ausgerechnet der Staatspräsident von PiS-Gnaden zum Hoffnungsträger all jener, die auf einen Gegenpol zum allmächtigen Kaczyński hofften. Duda verdankt dem Vorsitzenden aber zu viel und er möchte auch in der kommenden Legislaturperiode sein Amt behalten.
Kaczyński, Szydło und Duda trafen sich und es kam zu einer Einigung, die in etwa so aussehen könnte: Um den "Guten Wandel" nicht zu gefährden, bekommt Duda mit Morawiecki einen moderaten, sprachgewandten, weltoffenen Wirtschaftsexperten. Dieser poliert Polens Image in der EU wieder auf. Dafür nimmt Kaczyński einige der umstrittenen "Falken", allen voran den unberechenbaren Verteidigungsminister Macierewicz und den die Urwälder Ostpolens abholzenden Umweltminister Szyszko wieder von der Bühne. Justizminister Ziobro, obwohl Dudas Widersacher und ein "Falke" bleibt unangetastet, damit er das Justizsystem weiter für die PiS "reformieren" kann.
Diese Veränderungen sind für den konservativ-klerikalen Flügel ein herber Schlag ins Gesicht, manche rechten Kommentatoren wittern Verrat am "Guten Wandel". Vater Rydzyks Sender schweigt vorerst zu der Personalrochade, doch angesichts der 70 Millionen Zloty, die der Geistliche für seine Projekte von der PiS-Regierung bisher erhalten hat, wird er sich mit Kritik zurückhalten.
Bis zuletzt hatte Kaczyński selbst auf den Posten des Ministerpräsidenten gedrängt. Aber er ließ sich zu einer anderen Lösung überreden. Das politische Chamäleon, wie ihn der Publizist Sławomir Sierakowski bezeichnete, zeigt wieder ein neues Gesicht. Doch ist Morawiecki nicht bloß eine neue Handpuppe im Repertoire Jarosław Kaczyńskis?