Polen: Protest gegen "Putin-Rocker"

Die "Nachtwölfe" wollen den Sieg der Roten Armee in Berlin feiern und dazu über Polen nach Deutschland fahren

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Normalerweise sind Rocker dafür bekannt, dem Staat nicht sehr nahe zu sein. Ganz anders ist dies bei den "Nachtwölfen". Die sind der älteste Motorradclub Russlands, der noch in den 1980er Jahren in der Sowjetunion gegründet wurde und als staatstragende Gemeinschaft gilt, die sich gern zusammen mit Wladimir Putin oder Vertretern der Orthodoxen Kirche ablichten lässt.

Die "Nachtwölfe". Bild: nwrussia.info

Nun wollen die Rocker den Sieg der Roten Armee vor 70 Jahren feiern und Ende April von Moskau nach Berlin rollen, vorbei an Stationen wichtiger Schlachten und an sowjetischen Friedhöfen, dazu zählt die heute polnische Stadt Breslau (Wroclaw).

In Polen werden immer mehr Stimmen laut, ihnen dies zu verweigern. "Nein zu einer Durchfahrt russischer Banditen durch Polen" nennt sich eine Facebook-Seite mit über 10 000 Likes. Aufgefordert wird hier, den Grenzübertritt zu verhindern, notfalls mit einer selbstgemachten Blockade.

Eine Petition an das Außenministerium haben auch schon Tausende unterschrieben, die Initiatoren gehören zur "Kämpfenden Solidarnosc", ein radikaler Flügel der Gewerkschaftsorganisation, die in den 1980er Jahren gegen die sozialistische Regierung unter Wojciech Jaruzelski kämpfte. Verwiesen wird in beiden Aufrufen, dass die Rocker eine nationalistische Politik vertreten und in Kämpfen in der Ost-Ukraine verwickelt waren.

"Symbolische Gewalt, der reale Gewalt folgen wird", sieht der konservative Oppositionspolitiker Pawel Kowal mit dem Biker-Konvoi aufziehen und fordert von den Verantwortlichen in Warschau den Schlagbaum. Die polnische Regierungspartei, die konservativ-liberale "Bürgerplattform" (PO), fürchtet derzeit eine Eskalation und schiebt die Verantwortung von sich. Der stellvertretende Außenminister Rafal Trzaskowski erklärte im polnischen Fernsehen, der Grenzschutz würde über die Einreise entscheiden.

Visa könne Polen nicht verweigern, da die Gruppe vermutlich Schengen-Visa in Deutschland beantragt habe. "Diese Motorradfahrer fahren nicht nach Deutschland, um Hitler zu ehren, sondern um seine Niederlage zu feiern", so verteidigt der ehemalige Premierminister und heutige linke Oppositionspolitiker Leszek Miller die Rockerfahrt.

Sollte die Durchfahrt verboten werden, könnten auch polnische Motorradfahrten ins westrussische Katyn, wo polnische Offiziere und Beamte ermordet wurden, von russischer Seite blockiert werden. Darum wird auf einer Facebook-Seite polnischer Motorradfreunde die Durchfahrt der Russen gefordert.

Die Angst vor Zusammenstößen ist nicht unbegründet. Während der EM 2012 kam es in Warschau zu schweren Auseinandersetzungen zwischen polnischen und russischen Hooligans. Die Initiative ging dabei von polnischen Randalierern aus, die sich über eine angemeldete Parade der russischen Fans vom Zentrum der Stadt zum Stadion erregten. Eine ähnliche Situation liegt wieder vor. Viele Polen sehen die Rote Armee, die 1945 die deutschen Besatzer besiegt hatte, nicht oder nicht allein in der Rolle als Befreier, sondern (auch) als neue Besatzungsmacht, was in Russland nicht nachvollzogen wird.

Aleksander Zaldostanow gilt als Freund Putins. Bild: nwrussia.info

Aleksander Zaldostanow, Anführer der etwa 5000 "Wölfe", beharrt jedenfalls auf der Reise, die auch durch Minsk, Brest, Brünn/Brno, Wien und München führt. "Sollte es polnische Aktionen geben, gibt es Reaktionen", so seine Botschaft. Zaldostanow erwähnte den Anteil der Polen in der Roten Armee, unterstellt den Gegner der Fahrt sie wären wohl "Nachfahren der Polizisten (die mit den Deutschen kolaboriert haben) und der Aufseher im Juden-Ghetto". Zur Beschwichtigung teilten die Rocker mit, es würden nur 100 Fahrer des Clubs teilnehmen und man werde in kleinen Gruppen fahren.

Doch der ideologische Hintergrund Zaldostanows, von Beruf Chirurg, trägt nicht zur Deeskalation bei: Der Rocker ist bekennender Anhänger Josef Stalins und nennt die Stadt Wolgograd weiterhin bei ihrem alten Namen "Stalingrad". Zusammen mit dem populären Schauspieler Michail Porotschenkow, der schon auf Seiten der Separatisten medienwirksam gegen ukrainische Soldaten zum Maschinengewehr gegriffen hatte, gründete er die Bewegung "Antimajdan", die eine ähnliche Revolution wie in der Russland verhindern soll und die liberale Opposition unter Druck setzt.

Neben den Rockern wird nun Polen auch mit einem russischen Autokorso konfrontiert - der "Freiwilligen-Verband zur Unterstützung der Armee, der Luftstreitkräfte und der Flotte" (DOSAAF) startet am 18. April von Moskau, um über Minsk und Warschau nach Torgau auf "Straßen des Ruhms" zu fahren. In der sächsischen Stadt trafen sich am 25. April 1945 erstmals sowjetische und amerikanische Soldaten auf deutschem Boden. Dabei werden Afghanistan- und Tschetschenien-Veteranen teilnehmen, unterwegs werde man den Kontakt zu Veteranen des Zweiten Weltkrieges und Lokalpolitikern suchen. In Warschau wird es so sicher zu spannenden Begegnungen kommen.