Polen und das Luxusproblem

Warschau. Bild: MaxPIxel/CC0

Die regierende PiS hatte den Wahlkampf als angebliche Partei der kleinen Leute gegen das Establishment gewonnen, aber jetzt wächst die Zahl der Reichen

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Die Modebegeisterten in Polen können die Korken knallen lassen - ab Mitte Februar erscheint die erste polnische Ausgabe der Modezeitschrift Vogue endlich in polnischer Sprache.

"Vogue Polska" sei eine Antwort auf "die Bedürfnisse der Polinnen, welche nahe an der eleganten und schönen Philosophie sind", so die etwas umständliche Aussage von Justyna Markiewicz, Direktorin von "Visteria". Der polnische Verlag hat die Rechte des amerikanischen Mutterkonzerns "Condé Nast International" übernommen.

Auch habe die Entwicklung des polnischen Marktes zu dieser Entscheidung beigetragen, erklärte Markiewicz. Nach Angaben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KMPG habe der Anteil der vermögenden Polen im vergangenen Jahr eine Million überschritten. Für Luxusgüter wurden in dem Land mit knapp vierzig Millionen Einwohnern 16,4 Milliarden Zloty (3,9 Milliarden Euro) im Jahr 2016 ausgegeben. Ein Zuwachs von 15 Prozent zum Jahr 2015.

Gut für die hochpreisige Modewelt der Vogue ist der Trend, dass die Ausgaben für exklusive Kleider in Polen nach den Nobelautos mit 2,2 Milliarden Zloty an zweiter Stelle stehen. Es soll weiterhin aufwärts gehen, für dieses Jahr wird das Wirtschaftswachstum auf vier Prozent geschätzt, was von den Medien des Regierungslagers als hausgemachter Erfolg gefeiert wird.

Doch das Sich-Ausbreiten der Schönen und Reichen und ihrer Statussymbole ist für die nationalkonservative Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) nicht unbedingt ein Grund zum Feiern. Luxus ist in Polen auch ein Politikum.

Die PiS versprach den "einfachen Leuten" die Partizipation am Wirtschaftsaufschwung

Den Wahlkampf gewann die PiS 2015 gegen die damals regierende "Bürgerplattform" PO (im Verbund mit der kleineren Bauernpartei PSL) mit umfassenden Sozialversprechen und Vorwurf an das Lager der Regierungspartei, "Establishment" zu sein, das in seiner elitären Welt den Kontakt zu den Nöten der einfachen Bevölkerung verloren zu haben.

"Sie schauen sich Polen durch die Fensterscheiben des Pendolinos (ein Schnellzug) an und ich gehe dahin, wo die letzten Bahnverbindungen aufgehoben worden sind", schleuderte Beata Szydlo, die damalige PiS-Kandidatin, der amtierenden Premierministerin Ewa Kopacz im TV-Duell 2015 entgegen.

Wahlentscheidend waren auch die in teuren Restaurants heimlich aufgenommenen Gespräche führender PO-Politiker, hoher Beamter sowie Geschäftsleute, die dort verächtlich und vulgär über andere Personen des öffentlichen Lebens herzogen. Die PiS versprach den "einfachen Leuten", so etwas wie die Rückgewinnung ihrer Würde und die Partizipation an einem polnischen Wirtschaftsaufschwung (Wahlkampf in Polen).

Die Opposition muss die PiS derzeit nicht fürchten

Die Sozialausgaben taten Wirkung, heute müssen polnischen Machthaber die Opposition nicht fürchten, die Umfragewerte der PiS liegen bei 44 Prozent. Die PO hingegen würden gerade noch 15 Prozent wählen, ihr Parteivorsitzender Gregorz Schetyna gilt eher als innerparteilicher Machtkämpe denn als nach außen überzeugend wirkender Politiker.

Die liberale Partei "Modernes Polen" (N) hat gerade einen Streit hinter sich, bei der der Parteigründer und Vorsitzende Ryszard Petru abgesetzt wurde. Der bastelt nun gekränkt an einer eigenen Vereinigung.

Nur am Rande kommen die beiden Linksparteien SLD und "Razem" in der öffentlichen Wahrnehmung vor. Sie haben es nicht in den Sejm geschafft. Das Sozialversprechen konnten die Rechten weit besser vermitteln. Denn auch die postkommunistische Partei SLD, die Anfang der Nuller Jahre regierte, sorgte mit ihrer Machtgier und Tendenz zum Protzen für den ersten PiS-Wahlsieg im Jahre 2005. Auch damals spielte eine heimliche Audio-Aufnahme eine Rolle.

Die SLD stand für Turbokapitalismus und Seilschaften in den Staatsunternehmen, Staatspräsident Aleksander Kwasniewski wurde mit seiner anspruchsvollen Gattin Jolanta zu einem Celebrity-Star, SLD-Größen wurden "Barone" genannt. Ryszard Kalisz beispielsweise warb gelegentlich für das Verständnis für sozial Schwache, aber donnerte ansonsten medienwirksam mit einem Jaguar durch Polen. Zum Verhängnis wurde der Regierung unter Leszek Miller dann, als sie vermutlich den Filmmagnaten Lew Rywin mit einem Bestechungsangebot an den Chefredakteur der Gazeta Wyborcza schickte, der die Unterredung mitschnitt und veröffentlichte.

Shopping Mall in Warschau. Bild: VanNouten/public domain

Der PiS-Parteivorsitzende Jaroslaw Kaczynski hingegen demonstriert seit eh und je Bescheidenheit - er lebt in einer kleinen Wohnung im Norden Warschaus, seinen Urlaub verbringt er ausschließlich in polnischen Gefilden. Ohne Belastung durch eine Ehefrau, welche materielle Ansprüche anmelden könnte, scheint er von der Gier nach teurem Besitz gefeit zu sein, über die so manche Politiker stolperten.

Schwerer hat es da Mateusz Morawiecki. Der Anfang Dezember vereidigte Premierminister war zuvor Banker und führte seit den 1990er Jahren ein Leben auf der Überholspur (Ex-Banker regiert Polen).

In der Volksrepublik Polen war "Luxus" mit dem Erwerb von Gütern aus dem Westen verbunden und galt wie in vielen Blockstaaten als eine ebenso verfemte wie begehrte Angelegenheit. Wer Westkontakte hatte, konnte mit Dollar oder D-Mark in den "Pewex"-Läden einkaufen und mit echten Jeans und dergleichen angeben, der Rest musste sich mit der Rolle des Neiders bescheiden.

Da dem Zloty misstraut wurde, fehlte die Tradition des Sparens, Geld wurde nach der Wende in Besitz wie Immobilien oder in Konsum investiert. Nun sind es Shoppingmalls, die ihren magischen Reiz ausüben. Gerade ärmere Familien verbringen ganze Sonntage dort wie bei einem Palastbesuch, ohne groß etwas zu kaufen, jedoch um eine "adeligere" Umgebung um sich zu haben.