Politics.com wirft das Handtuch

Auch der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf rettet kommerzielle Politikwebseiten nicht vor der Pleite

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Ob Bush, Gore, Nader oder sonst wer: Politics.com hat die Wahl schon verloren.

Die Berichterstattung über die amerikanische Präsidentschaftswahl und die teilweise seltsamen Gestalten, die der Wählerschaft ihre Dienste anbieten, lockte eine Menge Venture-Kapital an, mit dem sich auch die Webseite Politics.com, eine Schwesterpublikation von Newsbytes.com, eindeckte.

Der Dienstleister bot eine Mischung aus Analysen, Links zu den wichtigsten Umfragen und Information über die Kandidaten an, für die sich aber nur wenige Menschen interessierten. Vielleicht wirkte die Endung ".com" und die Assoziationen, die damit geweckt wurden - von Börsenverlusten bis zu unsauberer Wahlkampffinanzierung - im Zusammenhang mit Politik doch nicht so vertrauenserweckend wie ein ".org" oder ein ".net". Nach Trey Rust, von PoliticsOnline Inc. war Politics.com ein Opfer der generell schlechten Akzeptanz kommerzieller Webseiten, die mit Politik Geld verdienen wollten, und wird nicht das letzte Opfer eines Startup-Sterbens in diesem Bereich sein. Dabei kann kaum von einer allgemeinen Politikmüdigkeit im amerikanischen Teil der Onlinewelt gesprochen werden.

Auf Webseiten wie Slashdot stieß eine umfangreiche Berichterstattung, die speziell auf sonst vernachlässigte (aber für Nutzer des Internets entscheidende) Fragen zu Softwarepatenten, geistigem Eigentum und Monopolen ausgerichtet war, auf reges Interesse. Zwar interessierten sich die Kandidaten der beiden großen Parteien wenig für eine Beantwortung jener Fragen, die für das Internet wirklich relevant sind (was dazu führte, dass die große Slashdot-Diskussion nicht zwischen Bush und Gore sondern zwischen den Präsidentschaftskandidaten der Libertarian Party und der Socialist Party begann), andererseits sind die für den Kandidaten einer dritten Partei ungewöhnlich hohen Umfragewerte Ralph Naders zum Teil sicher auch darauf zurückzuführen, dass er sich als einziger der Kandidaten klar für eine Unterstützung der Free Software Bewegung, gegen Softwarepatente und gegen die Einschränkungen der Privatsphäre zugunsten des Urheberrechts ausgesprochen hat. Vielleicht würde es Gore, der unter anderem wegen der Konkurrenz Naders in den letzten Tagen bei den Unfragen ins Hintertreffen geriet, nützen, seine Vorhaben zu diesen Fragen offen zu legen.

Vor allem im letzten Jahr versuchten viele kommerzielle Webseiten den erwarteten Informationsbedarf zur amerikanischen Präsidentschaftswahl in bare Münze zu verwandeln. Die Rechnung ging nicht auf: Selbst in der heißen Phase des Präsidentschaftswahlkampfs verzeichneten die Politikseiten weitaus weniger Hits als nichtspezialisierte Nachrichtenanbieter. Noch innerhalb des nächsten Monats wird eine Bereinigung des Marktes auf etwa 6-12 Politik-Dotcoms erwartet.

Währenddessen versteigert Politics.com schon den eigenen Domainnamen auf seiner Webseite: Mindestgebot 500.000 $.