Politische Ökonomie des Krisennationalismus
Seite 2: Trump und der Protektionismus der Krisenverlierer
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- Trump und der Protektionismus der Krisenverlierer
- "Niemand gewinnt. Es verliert nur die eine Seite langsamer"
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Die Schlussfolgerung aus den obigen Ausführungen ist evident: der Wirtschaftsnationalismus eines Donald Trump, der von den Ideen des Protektionismus und der Reindustrialisierung getragen wird, ist ein Nationalismus der "Verlierer" in diesem globalen Verdrängungswettbewerb.
Die protektionistische Abwehr der überlegenen Konkurrenz aus Deutscheuropa und China stellt einen verzweifelten Versuch dar, die Krisenentwicklung der letzten Dekaden in den USA zu revidieren: Die Deindustrialisierung der Vereinigten Staaten, die weit vorangeschrittene Erosion der amerikanischen Mittelklasse sowie der damit einhergehende, sozial destabilisierende Pauperismus sollen eben durch den Abbau der Handelsdefizite überwunden werden; indem Waren, die derzeit im Ausland produziert werden, künftig wieder ein "Made in USA" tragen. Dies ist das wirtschaftspolitische Kernversprechen der Trump-Administration, die Amerika durch protektionistischen Defizitabbau "Great Again" machen will.
Die massiv verschuldeten USA, die trotz gigantischer - zumeist durch unproduktive Konsumkredite und Hypotheken angehäufter - Schuldenberge eine marode Infrastruktur und einen ausgedehnten "Rostgürtel" in den ehemaligen Industrierevieren aufweisen, wollen somit unter Trump ihre Rolle als wichtigstes Defizitland der kapitalistischen Weltwirtschaft abschütteln. Damit spitzt Trump aber zugleich die Widersprüche zu, die das spätkapitalistische Weltsystem zerrütten. Letztendlich steht die Hegemonie der USA auf dem Spiel, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten gerade durch die Defizitbildung der Vereinigten Staaten aufrechterhalten wurde.
Eine hegemoniale Stellung einer Großmacht im kapitalistischen Weltsystem besteht immer dann, wenn die untergeordneten Mittelmächte diese akzeptieren, da sie selber - wenngleich geringere - Vorteile aus dieser Konstellation schöpfen. Dies ist ein wichtiger Unterschied zu einer Position bloßer machtpolitischer Dominanz, wie sie etwa die Bundesreplik in der Eurozone innehält.
Die Grundlage der amerikanischen Hegemonie in der "westlichen Welt" wandelte sich seit deren Errichtung im Gefolge des Zweiten Weltkrieges. War es zunächst die "fordistische" Nachkriegsprosperität mitsamt der Rolle der USA als militärischen Türsteher des Westens gegenüber der Sowjetunion, so gewannen nach dem Zusammenbruch des Ostblocks die "weltpolizeilichen" Interventionen in der rasch erodierenden Peripherie des Weltsystems an Bedeutung.
Zudem schufen die USA nach der großen neoliberalen Wende der 80er, die gerade in Reaktion auf die Krise des Keyesianismus in der Stagnationsphase der 70er vollzogen wurde, die Voraussetzungen für den Aufstieg der Finanzmärkte und die Verschuldungsorgie der vergangenen, "neoliberalen" Jahrzehnte. Die ökonomische Grundlage der US-Hegemonie nach dem Auslaufen der Nachkriegsprosperität wandelte sich somit fundamental. Die seither in Wechselwirkung mit der US-Verschuldungsdynamik ansteigenden US-Handelsdefizite bildeten einen stabilisierenden Faktor der Weltwirtschaft.
Amerika fungiert als eine Art "Schwarzes Loch" der Weltwirtschaft
Der jahrzehntelang sei den 80ern boomende Finanzsektor der USA und die ansteigende Schuldenlast mitsamt den zunehmenden Defiziten - sie bildeten nur zwei Seiten einer Medaille. Die historisch einmalige Dimension dieser regelrechten Explosion der Finanzmärkte lässt sich sehr gut am historischen Chart des Dow Jones als wichtigsten US-Börsenindex nachvollziehen. Sehr gut sind die größten Finanzblasen zu erkennen, die als wichtige Beschleuniger der Kreditaufnahme fungierten: die Dot-Com-Blase von 2000, die ab 2007 platzende Immobilienblase, wie auch die gegenwärtige Liquiditätsblase, die durch die expansive Geldpolitik der Notenbanken ausgelöst wurde.
Amerika fungiert somit als eine Art "Schwarzes Loch" der Weltwirtschaft, das durch sein Handelsdefizit einen großen Teil der Überschussproduktion der Welt aufnimmt und diese folglich stabilisiert. Die USA sind schlicht ein - kreditfinanzierter - Absatzmarkt für viele exportorientierte Volkswirtschaften, der gerade durch die Stellung des US-Dollar über solch eine lange Zeitperiode aufrechterhalten werden kann. Da der Greenback immer noch als die Weltleitwährung, als das Wertmaß aller Warendinge fungiert, können sich die USA in ihm beliebig verschulden. Ohne den Dollar in seiner Funktion als Weltleitwährung wäre Washington nur ein überdimensioniertes - und hochgerüstetes - Athen.
Die ökonomische Grundlage der erodierenden US-Hegemonie ist somit evident: Es ist die Defizitbildung der USA in ihrer Weltleitwährung. Länder wie China oder auch Deutschland akzeptierten die Hegemonie der USA samt der Stellung des Dollars als Weltleitwährung gerade deswegen, weil sie davon ebenfalls profitieren: durch ihre Exportüberschüsse in die USA.
Ein Abbau der US-Defizite wird somit die US-Hegemonie vollends in Geschichte überführen, wie es die jüngste geopolitische Entwicklung illustriert. Sobald Trump ankündigte, etwa die deutschen Handelsüberschüsse abzubauen, ging man in Berlin sofort zum Konfrontationskurs gegenüber dem ehemaligen "großen Bruder" in Washington über. Vor allem China und die Bundesrepublik haben somit die Rolle der USA als Hegemon und des US-Dollar als Weltleitwährung akzeptiert, solange die Defizitbildung der Vereinigten Staaten auch ihnen - vermittels der Handelsüberschüsse - indirekt zugute kam. Doch wieso sollte Berlin, wieso sollte Peking den US-Dollar weiterhin als das Wertmaß aller Wertdinge, vor allem der Energieträger, akzeptieren, wenn Washington zum offenen Protektionismus übergeht?
Mit dem angedrohten Abbau der Defizite stellen die USA auch den US-Dollar als Weltleitwährung infrage. Das Gefährliche an der Trump-Strategie besteht gerade darin, dass Trump die hegemoniale Stellung der USA aufgeben könnte, um zur nackten, militärisch aufrecht gehaltenen Dominanz überzugehen. Der aktuelle Bau neuer US-Flugzeugträger könnte eine Phase der globalen Dominanz der USA einleiten, die durch bloße militärische Übermacht aufrechterhalten wird, ohne den imperialen Konkurrenzen wie China oder Deutscheuropa noch hegemoniale "Ausgleichsmechanismen" anzubieten. Die Kriegsgefahr wächst in der gegenwärtigen Krisenkonstellation, in der ein hochgerüstetes und im Abstieg begriffenes Amerika die Kosten seiner Hegemonie nicht mehr tragen kann, somit rasch an.
Die eskalierenden Auseinandersetzungen um Handelsüberschüsse und Defizite, die sich immer stärker mit den ansteigenden geopolitischen Spannungen verzahnen, stellen somit die treibende Kraft bei der Erosion der kapitalistischen Globalisierung. Bevor der Rechtspopulist Trump sie ans Tageslicht der Öffentlichkeit zerrte, wurden sie hinter verschlossenen Türen verbissen von den Funktionseliten geführt. Zudem stellten die Währungsabwertungen, die seit der globalen Wirtschaftskrise von 2008 zunehmen, eine Vorform des gegenwärtig drohenden offenen Protektionismus dar.
Insbesondere zwischen Washington und Peking sorgte die Währungspolitik schon seit gut einem Jahrzehnt für Spannungen. In einer globalisierten Weltwirtschaft bildeten diese gezielten Abwertungen der eigenen Währung, womit die im eigenen Währungsraum hergestellten Waren auf den Weltmarkt billiger wurden, die einzige effektive Maßnahme zur Steigerung der eigenen Exportüberschüsse. (Dies ist ja auch das Geheimnis des deutschen Exporterfolgs: ein in Relation zur deutschen Wirtschaftsleistung unterbewerteter Euro).