Polizeigewalt gegen Proteste der Gelbwesten: "Reihenweise Verstümmelungen"

Seite 2: "Dann wären sie vielleicht schon gelyncht worden"

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Der Staatssekretär im Innenministerium, Laurent Nuñez, schloss jedes Verbot aus. Er verwies darauf, dass der Gebrauch der Waffe strengen Regeln unterliege und er machte auf drastische Weise auf die Notwendigkeit der Waffe aufmerksam:

Wenn die Polizisten nicht diese Mittel zur Verteidigung hätten, dann wären manche bei den letzten Demonstrationen vielleicht schon gelyncht worden.

Laurent Nuñez, Staatssekretär des Inneren, Frankreich

Es ist nicht wirklich realitätsfremd, was Nuñez vorbringt. Es gab entfesselte, hässliche, brutale Gewalt aus den Reihen derer, die an den Protesten der letzten Wochen teilnahmen. Es mischen sich Gewaltbereite darunter. Nach allem, was in den vergangenen Wochen von den Demonstrationen der Gelben Westen auch berichtet wurde, ist es vermutlich keine Übertreibung, wenn Polizisten vorbringen, dass sie "mit Flaschen beworfen werden, mit Bausteinen, mit Säure, Schraubbolzen mit Muttern". Kein Polizist würde mehr auf die Demonstrationen gehen, wenn man ihnen diese Waffen nähme, so die Aussage eines Polizeivertreters bei France Soir.

Allerdings gibt es rechtliche Vorgaben, an die sich die Polizisten halten müssen ("verhältnismäßig", "im Notfall") - sie machen es aber nicht, so der Vorwurf von David Dufresne. Der davon spricht, dass Polizisten Demonstranten regelrecht "massakrieren".

Der Vorwurf, den Dufresne bereits letzte Woche äußerte, mag übertrieben klingen, aber er begründet dies ausführlich. Zu erklären ist die Wut damit, dass die Regierung diesen Aspekt vollkommen ignoriert. Macron sprach immer nur von der Gewalt der Demonstranten, die in der Republik keinen Platz habe. Von der Polizeigewalt sprach er nicht. Sein Innenminister trieb diese Ansage noch weiter. Castaner sagte auf die Frage eines Journalisten:

Ich kenne keinen Polizisten und keinen Gendarmen, der die Gilets jaunes angegriffen hätte.

Innenminister Christophe Castaner

Castaner sprach von "attaquer", wie oben gezeigt, heißen die Gummigeschosse auch Verteidigungskugeln, somit ist schon klar, welche Linie die Regierung verfolgt. Auf YouTube werden in dem Video zur Aussage des Innenministers neben Castaners Bilder von verletzten Demonstranten abgescrollt. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Außer dass sich die Regierung auf einem schwierigen Konfrontationskurs mit der Wahrnehmung vieler Franzosen befindet. Die Polizeigewalt, die nicht im Einklang mit den erwähnten rechtlichen Vorgaben steht, wird von Berichterstattungs-Profis dokumentiert. Darüber hinaus gibt es die Aussage aus der Polizei, wonach die Regierung maßgeblich Taktik und Vorgehen der Ordnungskräfte bestimmt. Am 23. Dezember, so Mediapart, habe die Regierung 1,280 neue LBDs bestellt. Bislang sei nichts von einer abschreckenden Wirkung der Waffe bekannt.

Morgen findet Acte X der Gilets jaunes statt.