Polnisch, einflussreich und sexy!
Für den Wahlkampf haben polnische Politiker ihren Sex-Appeal emtdeckt
Dass man mit Sex auch in der Politik Erfolg haben kann, machte Ilona Staller bereits in den 80er Jahren vor. Nach einem freizügigen Wahlkampf zog die gebürtige Ungarin, die unter dem Künstlernamen Cicciolina Karriere in der Pornofilmbrache machte, 1987 in das italienische Parlament ein und erreichte dadurch einen noch höheren Bekanntheitsgrad, als durch ihre Filme. Nun entdecken auch polnische Politiker ihren Sex-Appeal, um im diesjährigen Wahlkampf Aufmerksamkeit zu erregen. Die Gründe dafür sind unterschiedlicher Natur – die einen tun es, weil ihre Parteien in den aktuellen Umfragen schlecht abschneiden, die anderen, weil ihnen einfach die finanziellen Mittel fehlen, um sich im Wahlkampf mit den größten und finanzstärksten Parteien des Landes zu messen, die untereinander seit Wochen eine teure Schlacht mit Wahlspots und Fernsehdebatten führen.
Sandra Lewandowska ist prominent. Dies beweisen schon ihre Präsenz in der polnischen Presse, die regelmäßig über ihr Privatleben berichtet, und die vielen Internetseiten, die ihr gewidmet sind. Deshalb war es eigentlich nur selbstverständlich, dass die 29-Jährige in der aktuellen Staffel der TV-Show Taniec z gwiazdami, dem polnischen Pendant der RTL-Sendung "Let’s Dance" mittanzte, obwohl die „schönste Parlamentarierin“, wie die polnische Presse sie gern nennt, von der Wochenzeitung "Polityka" zu einer der fünf schlechtesten Sejm-Abgeordneten gewählt wurde.
Doch den Machern der Show kann diese Kürung egal sein. Lewandowska ist optisch ein Hingucker und spätestens seit ihrem letzten Ägypten-Urlaub, als sie ihrem um mehrere Jahrzehnte älteren Parlamentskollegen Janusz Maksymiuk oben ohne den Rücken eincremte, und dabei zufällig von einem anderen polnischen Touristen gefilmt wurde, in aller Munde. Durch die Berichte in der Boulevardpresse kennt mittlerweile fast jeder Pole die blanken Brüste der blonden Abgeordneten. Aber auch Lewandowska profitierte von ihrem Auftritt in der Tanzshow, die in Polen seit Jahren ein Straßenfeger ist – momentan findet östlich der Oder der wohl spannendste Wahlkampf seit 1989 statt - und da nutzen die Politiker gerne jede Möglichkeit, um sich präsentieren können.
So war es nicht verwunderlich, dass in der ersten Folge der Show sowohl der schon erwähnte Janusz Maksymiuk als auch Andrzej Lepper, Parteivorsitzender der linkspopulistischen Selbstverteidigung und von Jaroslaw Kaczynski geschasster Landwirtschaftsminister (Polen: Das Ende einer formellen Koalition), im Publikum saßen, um ihre Parteifreundin zu unterstützen. Sandra Lewandowska brachten die beiden VIP-Fans jedoch kein Glück, schon in der zweiten Folge schied sie aus. Doch allein wegen der vielen Bilder und Schlagzeilen war die Teilnahme an der Show für die junge Parlamentarierin und ihre Partei lohnenswert – und positive Schlagzeilen jeglicher Art kann die Partei momentan gebrauchen. Aufgrund unzähliger Skandale sowie der Entlassung Leppers aus der Regierung (Polnisches Bauerntheater), ist die Partei arg gebeutelt und dümpelt seit Monaten unter der Fünf-Prozent-Hürde herum.
Ebenfalls schlecht sieht es für die Partei von Krzysztof Bosak aus. Auch seine ultrakonservative Liga Polnischer Familien dürfte laut aktueller Prognosen den Wiedereinzug ins Parlament nicht schaffen. Deshalb schwang auch der jüngste Abgeordnete des polnischen Parlaments sein Tanzbein in der Show des Privatsenders TVN, weshalb die Wochenzeitschrift Wprost die Sendung, die wortwörtlich übersetzt "Tanz mit den Stars" heißt, in "Tanz mit den Abgeordneten" umbenannte. Aufgrund seines tänzerischen Könnens hatte der Nachwuchspolitiker, der von polnischen Schwulen wegen seiner Lippen zum erotischsten Mitglied der homophoben Allpolnischen Jugend gewählt wurde, bei den Zuschauern mehr Erfolg als seine Parlamentskollegin Sandra Lewandowska. Bosak wurde erst in der sechsten Folge von den Zuschauern aus der Sendung gewählt. Am Sonntag dürfte ihn aber aller Wahrscheinlichkeit nach das selbe Schicksal ereilen wie Lewandowska – der vom Wähler gewollte Rausschmiss aus dem Sejm.
Solch tänzerischer Wahlkampfmethoden, wie sie die Politiker seiner beiden ehemaligen Koalitionspartner anwenden müssen, muss sich Premierminister Jaroslaw Kaczynski nicht bedienen. Seine Partei Recht und Gerechtigkeit liefert sich seit Wochen ein Kopf an Kopf-Rennen mit der liberalkonservativen Bürgerplattform. Kaczynski gab sich während des Wahlkampfs zwar auch volksnah, so war er während des EM-Qualifikationsspiels Finnland – Polen in Helsinki mit einem weiß-roten Schal auf der Tribüne zu sehen, doch in erster Linie dürften es wieder seine Wahlkampfthemen sein – Korruption, Europa und die kommunistische Vergangenheit des Landes –, von denen sich ein Teil der Polen angesprochen fühlt.
Vermittelt werden diese Themen, wie in allen Mediendemokratien, über Wahlspots. Die PiS, PO und die neue Parteienkoalition LiD, Linke und Demokraten, liefern sich seit Wochen eine noch nie da gewesene Schlacht im polnischen Fernsehen, bei der sich die politischen Kontrahenten auch nicht vor Tiefschlägen scheuen.
Die beste Bühne für die Kontrahenten waren jedoch die Fernsehduelle, an denen die Spitzenkandidaten der drei großen Parteien teilnahmen. Diese hatten, trotz aller Politikverdrossenheit, teilweise sogar mehr Zuschauer, als die EM-Qualifikationsspiele der polnischen Fußballnationalmannschaft, der nur noch drei Punkte zur endgültigen Teilnahme am Endturnier in der Schweiz und in Österreich fehlen. Zuerst debattierte Premierminister Kaczynski mit dem Spitzenkandidaten der LiD, dem ehemaligen Präsidenten Aleksander Kwasniewski, einige Tage darauf diskutierte Kaczynski mit seinem größten Konkurrenten, dem Vorsitzenden der oppositionellen Bürgerplattform Donald Tusk. Am Dienstag fand mit der Debatte zwischen Tusk und seinem möglichen Koalitionspartner Kwasniewski nun das letzte große Fernsehduell statt.
Stratgeien oder Geld im Kampf um die Aufmerksamkeit
Von der Teilnahme an einer Fernsehdebatte, ebenso wie an einer großen Unterhaltungsshow, können die meisten gewöhnlichen Kandidaten für den Sejm nur träumen. Diese müssen ihre Wähler anders erreichen – und brauchen dazu Geld. Bis zur 200.000 Zloty, umgerechnet 50.000 Euro, muss ein Kandidat für den Wahlkampf aufbringen, um überhaupt nur eine Chance auf ein Mandat zu haben, wie ein Abgeordneter der PiS, der unbedingt anonym bleiben wollte, dem Wochenmagazin "Wprost" vor einigen Wochen verriet. „Für die Ausstrahlung einiger Wahlspots im Regionalfernsehen – 50.000 Zloty, Werbung in Lokalzeitungen kostet ebenfalls 50.000. Hinzu kommen Kosten für Flugblätter, Plakate und Reklametafeln“, wird der Abgeordnete zitiert.
Das Geld für diesen Wahlkampf muss der Abgeordnete selber aufbringen. Bei einer monatlichen Diät von 7.000 Zloty hat der durchschnittliche Parlamentsabgeordnete die benötigte Summe aber erst nach der Hälfte der Legislaturperiode zusammen. Deshalb ist der Kandidat auf Spenden angewiesen, was der Korruption und Vetternwirtschaft nur Tür und Tor öffnet.
In Polen gibt es bis heute einige staatliche Unternehmen, die schon traditionell mit jedem Regierungswechsel ein neues Management bekommen. Da Unternehmen, egal ob privaten oder staatlichen, gesetzlich die Unterstützung von Parteien untersagt ist, leisten Privatpersonen die Spenden – und nutzen damit eine Gesetzeslücke. „In unserer Fraktion gibt es wahrscheinlich keinen einzigen Abgeordneten, der nicht seine Beziehungen spielen ließ um einem Bekannten einen Job in einem staatlichen Unternehmen zu besorgen. Dafür werden dann bei Wahlen Gegenleistungen erwartet“, gab ein Politiker der PiS zu und fügte hinzu, dass dieser Mechanismus auch dann greift, wenn man einem Bekannten nur einen Job auf kommunaler Ebene verschafft hat.
In dieses beschriebene System sind alle Parteien verwickelt, die im aktuellen Sejm vertreten sind – es ist so alt wie das seit 1989 demokratische Polen. Doch dieses Jahr tritt auch eine Gruppierung an, die in diese Seilschaften und Machenschaften nicht verwickelt ist. Initiiert durch die Schriftstellerin Manuela Gretkowska wurde im Februar dieses Jahres die Polnische Frauenpartei gegründet, die bei den diesjährigen Wahlen in zehn Städten antritt. „Wir sind nicht für die Linken, wir sind nicht für die Rechten –wir setzen uns für die Frauen ein“, heißt es im Manifest.
Mit dieser Vorgabe ist es schwer, im patriarchalischen Polen finanzstarke Unterstützer für den Wahlkampf zu finden. Deshalb hat die Partei neue Wege gefunden, um Wählerstimmen zu gewinnen – und rebelliert damit indirekt gegen das existierende System. Wegen mangelnder finanzieller Mittel sendet die Partei ihre Wahlspots ausschließlich im Internet. Plakate sind die einzigen Werbemittel, für die die Partei größere Summen ausgibt. Doch es sind Plakate, die es in sich haben und für Aufmerksamkeit sorgen, da die Verantwortlichen der Partei sich nicht scheuen, für die Rechte der Frauen im Evakostüm in den Wahlkampf zu ziehen. Lediglich ein Schild mit der Aufschrift „Frauenpartei. Polen ist eine Frau“ schützt die Kandidatinnen vor zu penetranten Blicken.
Ob diese Werbung jedoch ausreicht, um Mandate für den Sejm zu erobern, ist fraglich. Prognosen sagen der Frauenpartei ein Ergebnis von 1 Prozent voraus. Doch auch dieses Ergebnis dürfte für die Frauenpartei, der vor einem Jahr noch vorhergesagt wurde, nicht einmal die nötigen tausend Unterschriften sammeln zu können, um sich als Partei registrieren zu lassen, ein kleiner Erfolg sein. Noch mehr dürften sich aber die Polen selber freuen, denn einen so bunten, intensiven und mit nackten Tatsachen gespickten Wahlkampf bekamen sie vorher noch nie geboten. Allein dies dürfte Entschädigung genug für die letzten zwei Jahre PiS-Regierung sein, und vielleicht auch für die nächsten vier kommenden.