"Poroschenko ist unser Robespierre"
Seite 2: "In Russland gibt es eine Ruhe vor dem Sturm"
- "Poroschenko ist unser Robespierre"
- "In Russland gibt es eine Ruhe vor dem Sturm"
- "Wenn die Menschen arm sind, ist die Identität das Wichtigste, was ihnen noch bleibt"
- "Der Rechte Sektor wurde mit Hilfe der Präsidialverwaltung auf den Maidan gebracht, um diesen zu diskreditieren"
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In Russland ist der Rechte Sektor verboten. Deren Website ist in Russland gesperrt.
Sergej Kiritschuk: Russland reagiert panisch. Wenn der Konflikt in der Ukraine nicht auf irgendeine Weise von Russland gewonnen wird, greift er auf Russland über.
Diese Panik ist berechtigt?
Sergej Kiritschuk: Natürlich. In Russland gibt es so viel soziale Ungerechtigkeit, so viel Korruption.
Ist in Russland auch ein Maidan möglich?
Sergej Kiritschuk: Davon bin ich überzeugt.
Welche Anzeichen gibt es?
Sergej Kiritschuk: Es gibt eine Ruhe vor dem Sturm. Wenn man die ganze Opposition mundtot macht und es keinen Dialog mit der Opposition gibt, bricht das irgendwann auf. Russland hat seinen Einfluss auf die Ukraine verloren. Dabei wäre es eigentlich logisch, dass es in Kiew eine prorussische und keine proamerikanische Regierung gibt. Wenn Putin nur zu zehn Prozent die Politik durchführen würde, die Chavez in Venezuela durchführte, wo die Öl-Dollars zum Bau von Häusern für die Armen und für Bildung und Medizin verwandt wurden, wäre es anders. Das Geld fließt aber in die Taschen der Oligarchen und der Großteil der Bevölkerung leidet unter neoliberalen Reformen.
Nach Meinungsumfragen ist die Unterstützung für Putin so hoch wie nie.
Sergej Kiritschuk: Das ist eine gefährliche Droge. Das hohe Rating muss man ständig hoch halten. Aber viele russische Oligarchen wollen sich mit dem Westen versöhnen und die Konfrontation beenden. Sie träumen davon, dass sie in der internationalen Bourgeoisie intergiert sind. Die russischen Oligarchen sind dazu bereit, dass auf der Krim ein zweites Referendum durchgeführt wird. Aber die öffentliche Meinung in Russland wird das nicht zulassen, sie ist zu aufgeheizt.
Die russische Führung ist schon ein Gefangener der öffentlichen Meinung. Der Kreml wäre wohl schon bereit, ein zweites Referendum durchzuführen. Aber er kann es nicht machen. Die Bevölkerung würde das nicht verstehen.
Viele Linke meinen, an dem Ukraine-Konflikt seien sowohl die USA als auch Russland schuld.
Sergej Kiritschuk: Ich bin der Meinung, dass man den Ukraine-Konflikt nicht nur aus der geopolitischen Sicht betrachten darf. Dass ausländische Staaten sich in den Konflikt einmischen, ist die Logik des Bürgerkrieges. Im spanischen Bürgerkrieg haben sich Italien und Deutschland auf der einen und die Sowjetunion auf der anderen Seite eingemischt. In der Ukraine ist der Bürgerkrieg teilweise von den Vereinigten Staaten provoziert worden. Aber die inneren Widersprüche kamen aus der Ukraine selbst.
Was ist der Grund des ukrainischen Bürgerkrieges?
Sergej Kiritschuk: Die Ereignisse von heute wurden schon Anfang der 1990er Jahre provoziert. In den 1990er Jahren begann der Kapitalismus. Das war eine solche Armut, ein solcher Schock, ein solches Drama! Es war überhaupt nicht das, was man uns versprochen hatte. Und natürlich gab es eine Gefahr der roten Revanche. Es gab Leute, die sagten: "Also Leute, lasst uns zum Sozialismus zurück. Denn so läuft es nun wirklich nicht." Pjotr Simonenko (Vorsitzender der KPU) hätte die Präsidentschafts-Wahlen 1998 leicht gewinnen können. In dieser Situation brauchte die nationale Bourgeoisie, die Oligarchen, die sich in den 1990er Jahren das Staatseigentum angeeignet hatte, einen ideologischen Schirm, um die rote Revanche zu stoppen. Sie wählten damals die betäubende nationalistische Ideologie.
Wie lief das genau?
Sergej Kiritschuk: Ich ging damals zur Schule. Der Geschichtsunterricht war gegen die Sowjetunion gerichtet. Und schon damals gab eine Heroisierung von Stepan Bandera (Nazi-Kolaborateur im 2. Weltkrieg, U.H.) und der Ukrainischen Aufstandsarmee (UPA).