Portugal: Im Lockdown vom Hotspot zum erneuten Vorbild

Metro in Lissabon, Dezember 2020. Bild: RickMorais/CC BY-SA 4.0

Dank der Abriegelung und des Lockdowns weist es nun eine vorbildliche Sieben-Tage-Inzidenz von 28 aus, doch die soziale Lage wird immer prekärer

Helfen durchgreifende Maßnahmen wie ein Lockdown, um extrem viele Coronavirus-Neuinfektionen zu stoppen, die Zahl der Corona-Todesfälle stark zu senken und ein kollabierendes Gesundheitssystem zu stabilisieren?

Wenn es daran Zweifel gab, dann hat das kleine arme Portugal sie beseitigt, wie die aktuelle Situation zeigt. Die Lage im Januar und Februar war dramatisch. Angesichts eines kollabierenden Gesundheitssystems musste Portugal einen Hilferuf an die europäischen Partner aussenden - schließlich rückte sogar die Bundeswehr zum Hilfseinsatz im Hotspot im Südwesten Europas aus.

Die Lage war fatal, wie der Autor vor Ort in der Hauptstadt Lissabon feststellen konnte. Ende Januar wies Portugal mit fast 900 sogar weltweit die höchste Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner aus. Der Großraum Lissabon, wo schon im Januar 50 Prozent aller neuen Infektionen durch die britische Variante verursacht worden waren, kam sogar auf extreme 2.000.

"Ich habe große Angst", erklärte Isabel Andrade dem Autor in einer Bäckerei, wo sie als Verkäuferin arbeitet. Und ihre Angst, die vielen nach einem relativ sorglosen Weihnachtsfest wieder in die Glieder gefahren ist, war berechtigt. So verwies die junge Frau auf etwa 300 Tote täglich. Das war eine Tragödie. Da Portugal nur gut zehn Millionen Einwohner hat, wären das auf Deutschland hochgerechnet etwa 2.500 Corona-Tote pro Tag!

Das war eine Konsequenz daraus, dass sich im Weihnachtsgeschäft - vermutlich über Touristen eingeschleppt - die aggressivere britische Variante des Virus im Land breitgemacht hatte. In dem Land, das wegen harter Maßnahmen und der schnellen und disziplinierten Reaktion seiner Bürger sehr gut durch die erste Welle kam und das auch mit beschränkten Maßnahmen schnell die zweite Welle in den Griff bekam, hatte die Regierung vor Weihnachten den Fehler begangen, bestehende Maßnahmen fast vollständig zurückzunehmen.

Dahinter standen vor allem dort ökonomische Gründe, um das Weihnachtsgeschäft zu retten, den Tourismus wieder anzukurbeln, um die darbende Wirtschaft zu stützen. Viele Menschen hatten zwischenzeitlich weitgehend die Angst verloren. Sie wiegten sich, auch durch die Rücknahme der Maßnahmen bestärkt, in der Weihnachtszeit in einem trügerischen Gefühl, das Schlimmste wohl schon hinter sich zu haben.

Doch das erwies sich als fataler Trugschluss. Das Ergebnis war angesichts der britischen Variante tödlich. Deshalb ist es, angesichts der portugiesischen Erfahrungen, nun unverantwortlich, dass in Mallorca mit Urlaubern und der noch aggressiveren brasilianischen Variante gespielt wird.

Komplette Abriegelung

Schon die britische Variante brachte im Januar auch immer häufiger jüngere Menschen wie Brotverkäuferin Andrade ins Krankenhaus, auf Intensivstationen oder in Leichenhallen. Das Ergebnis der Vorgänge war, dass Portugal im Januar einen tödlichen traurigen Rekord aufgestellt hat. 5.576 Covid-Tote wurden verzeichnet. Das waren fast 45 Prozent aller Todesfälle der gesamten Pandemie bisher zu diesem Zeitpunkt.

Angesichts der Entwicklung nach Weihnachten griff die sozialistische Regierung unter Antonío Costa, allerdings zunächst nur zaghaft, schließlich aber zur Notbremse. Verordnet wurde Mitte Januar ein "Lockdown-Light", bei dem zum Beispiel die Schulen geöffnet blieben. Als sich die Lage aber nicht besserte, sondern sich sogar weiter zuspitzte, zog Costa dann real die Notbremse.

Trotz der Präsidentschaftswahl Ende Januar wurde ein harter Lockdown verordnet und auch Schulen und Kitas wurden wieder geschlossen. Lissabon glich, ausgenommen am Wahlsonntag, bei dem jede Überraschung ausblieb, glich fast zwei Monate einer Geisterstadt.

Um die Lage schließlich definitiv in den Griff zu bekommen, wurde das Land wieder komplett abgeriegelt. War schon zuvor die Einreise per Flugzeug und Schiff unterbunden, wurde schließlich auch der Landweg gesperrt und eine Einreise war nur noch in Ausnahmefällen möglich. Costa eierte auch nicht herum. Er schenkte der Bevölkerung reinen Wein ein und stellte seine Landsleute auf "sehr harte Wochen" ein.

Letztlich wurde die Krise mit den Maßnahmen bewältigt, mit denen man gut durch die erste Welle gekommen war. Zwar wurde in Deutschland von einem "Corona-Wunder" in Madrid oder Spanien fabuliert, das war aber nur ein über Fake und Propaganda produziertes Trugbild. Nun könnte man ernsthaft - wieder einmal - von einem portugiesischen Wunder sprechen, während Madrid wieder ein "extremes Risikogebiet" ist.

Hatte die Linksregierung das Land nach der Finanzkrise unter Anwendung des gesunden Menschenverstands aus dem ökonomischen Sumpf gezogen, gelang ihr auch ein "Corona-Wunder". Dabei ist auch das real kein Wunder. Es wurden schlicht die Maßnahmen umgesetzt, die in einer Pandemie notwendig sind, wenn man unzählige Tote vermeiden will, um von Spätfolgen von Erkrankten nicht zu sprechen.

Sieben-Tages-Inzidenz bei 28

Die aktuellen Zahlen aus Portugal sprechen Bände über die Erfolge, die in gut zwei Monaten in dem Land erreicht wurden. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt im Landesdurchschnitt nun gerade einmal bei 28, während sie in Deutschland nun wieder bei 132 liegt. Es wurden am Mittwoch nur 388 neue Infektionen in Portugal registriert.

In Deutschland waren es dagegen gut 17.000. Inzwischen befinden sich in den Krankenhäusern nur noch so wenige Covid-Fälle wie zuletzt im vergangenen Oktober und die Zahl sinkt weiter. Gegenüber dem Vortag sind es nun 39 weniger. Statt 300 Toten wie im Januar waren es in den letzten 24 Stunden nur zwei. Das sind so wenige wie zuletzt im vergangenen September. In Deutschland waren es dagegen 249.

In der vorletzten Woche fielen nach Angaben des Robert-Koch-Instituts knapp acht Prozent aller Tests in Deutschland positiv aus. Das ist ein weiterer deutlicher Anstieg gegenüber der Vorwoche, als es noch knapp sieben Prozent waren. In Portugal sind es nur noch knapp 1,5 Prozent. Ende Januar lag die Positivquote dagegen bei etwa 20 Prozent.

Als jeder fünfte Test in Portugal positiv ausfiel, war klar, dass die Zahl der Infizierten, die nicht entdeckt wurden, sehr hoch war. Eine hohe Impfquote kann aber auch in Portugal, anders als in Großbritannien, nicht für die klare eine Entspannung der Lage angeführt werden. Wie in Deutschland wurde gut zehn Prozent der Bevölkerung über 18 Jahre mit der ersten Dosis geimpft.