Pottwale mit Bröselknochen

Wale können nicht nur wie Menschen die Taucherkrankheit bekommen, ähnlich wie bei manchen Berufstauchern werden auch bei ihnen die Knochen mürbe.

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Knochennekrose ist eine chronische, schleichende Krankheit bei Tiefseetauchern. Nun haben US-Biologen herausgefunden, dass auch Pottwale diese typischen Schäden an den Knochen aufweisen. Das lange aufrecht erhaltene Dogma, dass Meeressäuger vollständig immun gegen die Dekompressionskrankheit sind, zweifeln sie im aktuellen Science ein weiteres Mal an.

Taucherkranke Wale

Meeressäuger sind an das Leben im Wasser optimal angepasst und auch beim Tauchen völlig in ihrem Element – die galt lange Zeit als unumstößlich richtig. Doch zunehmend stellt sich heraus, dass besonders den Walen das Tauchen auch schaden kann, und sich dadurch bedingt Krankheitssymptome manifestieren wie beim Menschen. Bereits vor drei Jahren (New Scientist, Ausgabe vom 15. Dezember) entdeckten Wissenschaftler vom Navy Marine Mammal Program in San Diego, dass ähnlich wie bei Tauchern, die zu schnell an die Oberfläche gestiegen sind, auch bei Walen Stickstoffblasen Blutgefäße verstopfen und Nerven schädigen können.

Gestrandeter Pottwal mit aufgerissenem Maul. Die Narben am Kopf stammen von den Zähnen anderer Pottwale.

Embolien und Lähmungen, aber auch Desorientierung sind die Folgen – die typischen Symptome der so genannten Dekompressions- oder Taucherkrankheit. Denn nur wenn die Abnahme des Umgebungsdruckes langsam erfolgt, kann der Stickstoff aus dem Körper eliminiert werden, ohne dass sich diese Anomalien einstellen. Als Ursache der Krankheitssymptome wurden die Sonarsignale, die von Schiffen und U-Booten zur Ortung eingesetzt werden, ermittelt.

Spuren der Knochen

Die Biologen Michael M. Moore und Greg A. Early von der Woods Hole Oceanographic Institution in Woods Hole/Massachusetts sind nun auf eine weiteres gemeinsames Leiden von Tauchern und Walen gestoßen. Bei der Sektion eines 14,7 Meter langen Pottwals fanden sie an Rippen und Nasenknochen asymmetrische Läsionen. Histologische Analysen zeigten zudem chronische Knochen- und Knorpelerosionen sowie Anzeichen von Geschwürbildung. Untersuchungen mittels Computertomographie und Röntgen ergaben jedoch, dass die Knochendichte in Flossen und Wirbeln der Tiere ansonsten völlig normal war. Auch Bakterien als Verursacher der Schäden schieden mangels Indizien aus.

Dieser Knochen stammt von einem Pottwal des American Museum of Natural History in New York. Er weist deutlich erkennbar die typischen Läsionen der Knochennekrose auf.

Die Forscher nahmen nun weitere Pottwalskelette aus Atlantik und Pazifik unter die Lupe: Sie analysierten Tiere verschiedenster Größen und Lebensalter, darunter auch die Knochen von Exemplaren, die bis zu 111 Jahre alt waren. Dabei stellten sie fest, dass sich mit zunehmender Körpergröße auch der Grad der Verschleißerscheinungen erhöhte.

Die frühesten Anzeichen von Knochenschäden fanden sie bei einem 7,3 Meter langen männlichen Wal. Bei dem Versuch ihre Befunde einzuordnen, fanden sie, dass die Knochenveränderungen am besten auf die Symptomatik die Knochennekrose passte. Beim Menschen ist sie eine Folge von Barotraumen, Caisson-/Dekompressionskrankheit und Co. – Krankheitsbildern wie sie rund ums Tauchen bekannt sind. Auch für die Wale halten die Biologen Gasembolien für die wahrscheinlichste Ursache.

Wale verletzen sich beim Tauchen

Auch die beiden US-Biologen kommen wie schon andere Forscherteams zuvor zu dem Ergebnis, dass Pottwale weder anatomisch noch physiologisch gegen die Auswirkungen des Tauchens in der Tiefe gefeit sind. Ebenso wie Menschen erleiden sie beim zu raschen Auftauchen akute embolische Verletzungen. Auch Moore und Early halten den Krach, wie ihn insbesondere militärische Sonare im Meer verursachen, für das Hauptübel der Taucherkrankheit bei Walen. Sie weisen aber auch darauf hin, dass die Knochen von fossilen tauchenden Mosasauriern und Plesiosauriern ebensolche Merkmale zeigten.