Promis mit ADHS: Diagnosen, Outings und historische Verdachtsfälle
Bei Mozart, Einstein und Churchill sind es nur Vermutungen: Worauf sie beruhen und wer sich heute zu ADHS bekennt.
Bekannte Persönlichkeiten mit ADHS sind nicht nur Comedians vom Typ "Zappelphilipp" oder Schulabbrecherinnen, die nach einer schwierigen Jugend eine Zeit lang im Showgeschäft Fuß fassen und von der Klatschpresse auseinandergenommen werden, sobald sie straucheln, wie etwa Nadja Abd el Farrag.
Trotz häufiger Schulprobleme betroffener Kinder gibt es prominente Erwachsene mit dieser Diagnose, die sie zum Teil erst spät erhielten und trotzdem erfolgreich ein Studium durchgezogen haben.
ADHS-Verdacht und Selbsterkenntnis: Eckart von Hirschhausen
Einer von ihnen ist der Arzt und Moderator Eckart von Hirschhausen, dem die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung attestiert wurde, als er einen Dokumentarfilm zu dieser Thematik drehte. "Ich hatte schon lange einen Verdacht", erklärte er 2023 gegenüber der Wochenzeitung Die Zeit.
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"Es war Teil meiner Entdeckungsreise in diesem Film, die ganze Diagnostik mitzumachen, zur Veranschaulichung – und zur Selbsterkenntnis." Er selbst schätzt sich aber als nur moderat betroffen ein.
ADHS in Hollywood: Outings und Prozessakten
Entsprechende Outings von Hollywood-Stars wie Sylvester Stallone und Emma Watson trugen vielleicht dazu bei, dass ADHS inzwischen oft als "Modediagnose" bezeichnet wird.
Über deren Schauspielkollegen Johnny Depp wurde die Diagnose allerdings durch Gerichtsunterlagen bekannt, als er gegen Presseorgane prozessierte, die über ihn als "Frauenschläger" geschrieben hatten, nachdem Ex-Ehefrau Amber Heard ihm häusliche Gewalt vorgeworfen hatte. Auch Depressionen und Drogenmissbrauch waren demnach bei ihm diagnostiziert worden.
Hirschhausen betonte später in einem Interview, "dass man etwa mit einer nicht festgestellten Hyperaktivität auch auf die schiefe Bahn kommen kann". Er habe für seinen Film einen jungen Mann im Knast getroffen, der "erst dort richtig diagnostiziert und behandelt" worden sei.
Aber auch im positiven Sinn sind mit ADHS außergewöhnliche Leistungen möglich, wenn Motivation und Umfeld stimmen – wenn also die Betroffenen eine für sie passende Chance bekommen.
Hyperfokus: Star-Qualitäten durch ADHS?
Schauspielerinnen und Schauspieler mit ADHS hätten vermutlich große Schwierigkeiten, den Text für eine Rolle auswendig zu lernen, die sie nur aus finanzieller Not annehmen, ohne sich dafür begeistern zu können – denn die leichte Ablenkbarkeit und Reizfilterschwäche, die diese Störung kennzeichnet, lässt sich am ehesten ausschalten, wenn eine Rolle oder ein Thema die Betroffenen "fesselt" und sie alles um sich herum vergessen können.
Dann, im "Hyperfokus", sind Menschen mit ADHS besonders leistungsfähig. Wenn sie monotone Tätigkeiten ausführen oder aus ihrer Sicht langweilige Lerninhalte verinnerlichen müssen, fällt ihnen das deutlich schwerer als anderen.
Das Belohnungssystem in ihrem Gehirn braucht stärkere Impulse, wie Hirschhausen es ausdrückt. Er selbst war zum Zeitpunkt der Diagnose schon über 50, die Publizistin Samira El Ouassil, die er für seinen Film interviewt hat, 38.
Ritalin gegen ADHS: Stütze mit Nebenwirkungen
Die WDR-Dokumentation spart Nebenwirkungen von ADHS-Medikamenten wie Methylphenidat nicht aus – eine Schülerin sagt vor der Kamera, dass sie davon appetitlos werde, die Tabletten hasst und sich wünsche, sie nicht mehr nehmen zu müssen – Hirschhausen und andere seiner Gesprächspartnerinnen beschreiben sie aber als kleineres Übel im Vergleich zu den Schwierigkeiten, die Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit dieser Erkrankung sonst haben können.
Allerdings kann die Medikation auch als zeitweilige "Stütze" dienen und später abgesetzt werden – was laut dem Kinder- und Jugendpsychiater Ralph Meyers aus der Doku auch ein erklärtes Behandlungsziel ist. Eine Langzeitstudie aus den USA warnte 2016 vor der dauerhaften Einnahme des Medikaments, das auch unter dem Namen Ritalin bekannt ist.
Harvard-Professor mit ADHS: Selbstvergleich mit Fruchtfliege
Der Harvard-Professor Jeffrey Karp hat laut Selbstauskunft als ADHS-Betroffener Trainingsmethoden für sein Gehirn entwickelt, Medizin studiert und darüber geschrieben – nachdem der als Kind nach eigenen Worten "die Aufmerksamkeitsspanne einer Fruchtfliege" gehabt habe.
Ich entdeckte einige grundlegende Möglichkeiten, mit meinem Gehirn zu arbeiten, um mich an einige Reize zu gewöhnen (gewöhnliche Dinge, die mich ablenkten) und meine Aufmerksamkeit für andere zu sensibilisieren (zu schärfen), damit ich meine umherschweifenden Gedanken wieder einfangen und die synaptischen Botschaften absichtlich umleiten konnte. Einmal stand in dem Raum, in dem ich lernte, neben mir ein Flipperautomat und hinter mir ein Fernseher. Ich lernte, beides zu ignorieren und nutzte das Flipperspiel als Belohnung für die Erledigung meiner Hausaufgaben.
Jeffrey Karp / Business Insider
Studienabbrecher mit ADHS: Bill Gates
Anders als Karp hat der heutige Multimilliardär Bill Gates zwar sein Studium abgebrochen, aber – trotz oder wegen ADHS – erfolgreich die Firma Microsoft gegründet. Der Computerraum der Harvard-Universität hatte es ihm einfach angetan.
In Deutschland sollen rund 1,8 Millionen Erwachsene von ADHS betroffen sein – viele von ihnen, ohne es zu wissen.
Mozart, Einstein, Churchill: Keine ADHS-Diagnose zu Lebzeiten
Unter den spekulativen historischen "Verdachtsfällen" für ADHS sind sogar der Komponist Wolfgang Amadeus Mozart, der Physik-Nobelpreisträger Albert Einstein und der zweimalige britische Premier Winston Churchill. Keiner von ihnen bekam aber zu Lebzeiten diese Diagnose, die damals noch nicht existierte.
Mozart galt als sprunghaft – möglicherweise hyperaktiv – und war auf dem Gebiet, für das er sich begeistern konnte, hochleistungsfähig.
Einsteins Ruf als "zerstreuter Professor" mit wirrem Haar und zerknitterter Kleidung könnte darauf hindeuten, dass er oft im Hyperfokus arbeitete und vieles um sich herum vergaß. Dass er schlecht in der Schule gewesen sei, gilt jedoch inzwischen als Mythos. Auf seinem Schweizer Abiturzeugnis war zwar von "Fünfen" und "Sechsen" geprägt – dies waren aber in der Schweiz die Bestnoten, wie beispielsweise im Faktencheck von MDR Wissen betont wird.
Churchill war für unkonventionelles Verhalten bekannt und beschrieb sich selbst als "Draufgänger" – ihm wird deshalb spekulativ ADHS nachgesagt. Diagnostiziert wurde bei ihm aber eine bipolare Störung, die in manischen Phasen zu hoher Risikobereitschaft und hoher Leistungsfähigkeit führt. Im Wechsel dazu hatte er depressive Symptome gezeigt.
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