Propaganda machen immer nur die anderen
Seite 2: Medienstrategien von EU und Nato
- Propaganda machen immer nur die anderen
- Medienstrategien von EU und Nato
- Sanktionen und gezielte Einflussnahme
- Scheinvielfalt und wachsende Kritik
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Tatsächlich ist die jähe Neuausrichtung der Deutschen Welle Teil einer umfassenderen Strategie der Bundesregierung und der Europäischen Union für die Staaten der sogenannten Östlichen Partnerschaft. Die EU bezeichnet damit den Raum zwischen ihrer Ostgrenze und Russlands Westgrenze. Die dortigen Staaten sollen politisch und wirtschaftlich an die EU gebunden werden - und damit auch mehr oder weniger offen an die Nato.
Die Rolle der Medien in diesem Bereich der Europäischen Nachbarschaftspolitik wurde spätestens mit Ausbruch des offenen Konfliktes mit Russland massiv aufgewertet. Der damalige EU-Kommissar für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik, Stefan Füle, lud Ende Juni vergangenen Jahres Medienvertreter aus ganz Europa zu Beratungen ein. Das Treffen mit rund 40 Vertretern aus Medien, Denkfabriken, dem Europäischen Auswärtigen Dienst und der EU-Kommission fand hinter verschlossenen Türen statt; ebenso wie Folgetreffen, bei denen nach Aussagen von beteiligten Brüsseler Diplomaten "Gegenpropaganda der EU" beraten wurde. Konsens war, dass die medialen Netzwerke in den Staaten der Östlichen Partnerschaft ausgebaut werden sollen.
Das lässt sich die EU einiges kosten. Nach Auskunft der Kommission soll die Vernetzung "traditioneller und neuer Medien" sowie "von Medienvertretern aus den Ländern der Östlichen Partnerschaft (…), die regelmäßig in Kontakt zu EU-Institutionen und EU-Delegationen stehen" ausgebaut werden. Gegenüber der deutschen Europaabgeordneten der Linken Sabine Lösing führte die EU-Kommission die Zahlen auf: Zwischen 2011 und 2015 wurde das EU-Regionalprogramm "zur Förderung der Entwicklung freier und unabhängiger Medien" mit 15,5 Millionen Euro unterstützt. Für die Zeit nach 2015 wird das Programm auf 20 Millionen Euro aufgestockt. Zugleich stellt die EU bereits zwischen 2011 und 2013 rund 40 Millionen Euro "zur Förderung der Rolle der Zivilgesellschaft im Hinblick auf Reformen und den demokratischen Wandel" bereit. Auch dieses Budget soll erhöht werden.
Dass die Grenzen zwischen der EU-Erweiterungspolitik und dem Handeln der Nato in Osteuropa fließend sind, zeigte sich unter anderem bei einem einer Veranstaltung des Nordatlantikpaktes im vergangenen November. Bei der von der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) und der Deutschen Atlantischen Gesellschaft (DAG) ausgerichtet Konferenz wählte der Nato-Sonderbeauftragte für den Kaukasus, James Appathurai, klare Worte. "Russland steht in starker Opposition zu unseren westlichen Werten und bildet immer mehr antiwestliche Institutionen", sagte der Kanadier vor rund 450 Gästen im Berliner Hotel Adlon.
Diese starke antiwestliche Propaganda müsse gestoppt werden. "Wir sollten nicht nur versuchen, Putins Meinung zu ändern, sondern die Meinung der Russen insgesamt", so Appathurai bei der Konferenz, bei der Russland neben der Terrorgruppe IS und der Ebola-Epidemie als größte Gefahr für den Westen bezeichnet wurde.
Während sich hinter den Kulissen der bundesdeutschen und europäischen Medienpolitik also einiges tut, halten sich die Verantwortlichen offiziell bedeckt. Auf Anfrage von Heike Hänsel, der Linken-Abgeordneten im Bundestag, versicherte das Auswärtige Amt, über keine weiteren Informationen zu den in Brüssel entwickelten Medienstrategien zu verfügen. Bei der Zusammenkunft unter der Ägide von EU-Kommissar Füle habe es sich um ein "informelles Brainstorming" gehandelt, so Staatsministerin Maria Böhmer (CDU): "Der Bundesregierung liegt weder eine Teilnehmerliste vor, noch sind die Auswahlkriterien bekannt."
Auch das Büro von Füle wollte auf Anfrage der Europaabgeordneten Lösing keine Teilnehmerliste herausgeben. Naheliegend ist, dass die Deutsche Welle vertreten war. "Wir sind gern bereit, mit der EU zu sprechen, die unsere Experten auch eingeladen hat, an Gesprächen teilzunehmen", sagte Intendant Limbourg im April dieses Jahres im Gespräch mit der Wochenzeitung Die Zeit.