Propaganda machen immer nur die anderen
Seite 4: Scheinvielfalt und wachsende Kritik
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Wenn sich selbst der Chef nicht sicher zu sein scheint, bleibt nur der Praxistest. Etwa bei einer Diskussionsrunde der Deutschen-Welle-Akademie zur Ukraine Anfang Juli dieses Jahres. Die von der Moderatorin anfangs angekündigten "unterschiedlichen Perspektiven" mochte man dabei kaum erkennen.
Neben der ukrainischen Journalistin Nataliia Fiebrig, die gegenüber der Führung in Kiew eine weitgehend unkritische Haltung einnahm, durfte Kyryl Savin den neuen Militarismus in der Westukraine als Beispiel des bürgerlichen Engagements präsentieren. Die Versorgung der Soldaten mit Lebensmitteln und Uniformen "aus menschlichen Gründen" sei ein positives Resultat des Maidan-Umsturzes, so Savin, der vor seinem aktuellen Posten als Ländermanager der Deutschen-Welle-Akademie das Büro der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung in der Ukraine leitete und bei der deutschen Botschaft in Kiew angestellt war. Die kampagnenhafte Verklärung von Kombattanten zu nationalen Helden, das indes gibt es auf der Gegenseite genauso, wahrscheinlich auch mit Empathie für "unsere Jungs" begründet.
Fiebrig stellte Berichte über faschistische Kräfte auf dem Maidan bei dem Panel im ARD-Hauptstadtstudio in Berlin als Propaganda dar. Russische Sender hätten über Radikale und Faschisten berichtet, so Fiebrig. Dann aber seien die Menschen auf den Maidan gegangen, um sich ein eigenes Bild zu machen, und eben diese Sender hätten ihre Glaubwürdigkeit verloren. Keine Faschisten in der Westukraine?
Die These der jungen Journalistin, die für einen Sender des Oligarchen Igor Kolomoisky arbeitet, hatte sich wenig später allerdings selbst überlebt, als international über die Mobilmachung der faschistischen Milizen gegen die ihrer Meinung nach zu nachgiebig agierende Führung des Oligarchen Petro Poroschenko berichtet wurde.
Politisch klar positioniert trat der Ukraine-Korrespondent der Deutschen Welle, Frank Hofmann, auf. Im Osten der Ukraine herrsche ein Regime kleiner Kriegsfürsten, merkte er zunächst an, um sich dann auf das ohnehin dominierende Thema Russland einzuschießen: "Ich kann es kurz machen", fuhr er fort: "Die Ukraine ist eine Demokratie, Russland ist es derzeit nicht."
Die Osteuropa-Korrespondentin des Deutschlandradios, Sabine Adler, spielte indes die Gefahr für Journalisten im Einflussgebiet von Kiew herunter. Der in der ukrainischen Hauptstadt erschossene regierungskritische Journalist Oles Busina (Mordanschläge gegen prorussischen Journalisten und Politiker in der Ukraine) sei eben eher als politische Akteur wahrgenommen worden. Es falle ihr daher schwer, diesen Mord als Ausdruck fehlender Pressefreiheit zu sehen.
Im Publikum, in dem mehrere Fachpolitiker und Regionalwissenschaftler saßen, wurde einige dieser Äußerungen durchaus kritisch hinterfragt, was sich im sendereigenen Bericht freilich kaum wiederfindet. "Ich hatte mir erhofft, dass die Veranstaltung der Deutschen Welle genutzt würde, um journalistische Selbstkritik im Hinblick auf die einseitige Berichterstattung zu üben", sagte der bei der Debatte anwesende Obmann der Linksfraktion im Verteidigungsausschuss des Bundestags, Alexander Neu. Stattdessen sei den Teilnehmern vermittelt worden, dass man alles richtig mache, so Neu, der vor allem Hofmanns Demokratieurteil zur Ukraine und Russland zurückwies. "Diese Aussage lässt befürchten, dass die Neuorientierung der DW auf Osteuropa reinen Propagandazwecken dient. Um Zensur und Medienmanipulation zu erfahren, müsse man offensichtlich nicht nach Russland: "Da reicht da die bundesdeutsche Berichterstattung oftmals aus."
Neu ist mit diesem Urteil nicht alleine. Auch aus den Reihen der Grünen und der SPD im Bundestag gab es in den vergangenen Wochen und Monaten kritische Stimmen zum Medienkrieg der Deutschen Welle. Die ersten Beobachtungen lassen erwarten, dass die Konflikte zunehmen werden. Nicht nur im Medienkrieg mit Russland, sondern - wenn man so will - auch an der Heimatfront.