Propaganda machen immer nur die anderen
Seite 3: Sanktionen und gezielte Einflussnahme
- Propaganda machen immer nur die anderen
- Medienstrategien von EU und Nato
- Sanktionen und gezielte Einflussnahme
- Scheinvielfalt und wachsende Kritik
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Brisant sind die Medienstrategien der Europäischen Union in Osteuropa auch, weil sie von restriktiven Maßnahmen gegen russische Pressevertreter flankiert werden. Schon jetzt haben EU-Staaten mehreren Mitgliedern russischer Redaktionen die Einreise verwehrt oder ihre Arbeit anderweitig behindert.
Im Ausschuss der Ständigen Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten (AStV) wurde in den vergangenen Monaten eine Ausweitung der Sanktionen für "Propagandisten" beraten. Der französische Diplomat und Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienstes, Pierre Vimont, sah dafür bereits bei Beratungen im vergangenen Herbst die rechtlichen Grundlagen gegeben. Vor allem osteuropäische Vertreter, etwa Polens und der baltischen Staaten, forderten ein entschiedeneres Vorgehen.
Nach Auskunft eines beteiligten Diplomaten argumentierte die polnisch Delegation beim AStV, dass es sich bei russischen Pressevertretern oft eben nicht um Journalisten handele, sondern um Vertreter des Staates. Ein schwieriges Argument freilich, da auch die Deutsche Welle eine unmittelbare staatliche Institution ist. Dass Sanktionen mit Gegensanktionen belegt werden könnten, war den Beteiligten im AStV klar. Man müsse daher, hieß es dem Vernehmen nach, vorsichtig vorgehen und dürfe nicht den Eindruck erwecken, die Meinungsfreiheit einzuschränken.
Zwar wurde der Vorstoß osteuropäischer und baltischer Vertreter unter anderem von Großbritannien und Schweden unterstützt. Allerdings scheinen seither keine weiteren russischen Medienvertreter mit Sanktionen belegt worden zu sein, wie die EU-Sprecherin für Außenpolitik Maja Kocijancic auf Telepolis-Anfrage bekräftigte. Die Liste der inzwischen 151 sanktionierten Personen wurde bis Mitte Februar dieses Jahres erweitert. Der einzige Medienvertreter ist jedoch Dmitri Konstantinowitsch Kisseljow. Der Chef der Nachrichtenagentur Rossija Sewodnja darf seit März 2014 nicht mehr in die EU einreisen.
Statt die Sanktionen gegen Medienvertreter auszudehnen, haben westliche Strategen daher die russischsprachigen Minderheiten in Osteuropa ins Visier genommen. Seit der russischsprachige Bevölkerungsteil in der Ostukraine beim Konflikt zwischen Kiew und Moskau eine entscheidende Rolle gespielt hat, gehen nicht nur EU-Planer und Nato-Vertreter auf die nationalen Minderheiten ein, die vor allem im Baltikum massiv unterdrückt werden.
Im Mai reiste Deutsche-Welle-Intendant Limbourg in die estnische Hauptstadt Tallinn, um dort ein Kooperationsabkommen mit dem Sender ERR abzuschließen. Das deutsche Auslandsfernsehen wird dem Kanal künftig mehrere russischsprachige Produktionen zur Verfügung stellen.
Eingefädelt hatte den Deal Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit einem klaren Hintergedanken: Es soll Einfluss auf die russische Minderheit ausgeübt werden, die im Baltikum vom politischen Leben weitgehend ausgeschlossen ist, obgleich sie in Estland und Lettland gut ein Drittel der Bevölkerung ausmacht. Zwar könnte die EU auch auf die Staatsführungen der Nato-Staaten im Baltikum Druck ausüben, um die Diskriminierung zu beenden. Derzeit scheint aber mehr Energie und Geld in den Versuch investiert zu werden, die Menschen über Medienarbeit zu beeinflussen.
Als Propaganda will man das in Berlin und Tallinn freilich nicht verstanden wissen. "Mit unseren Programmlieferungen in russischer Sprache tragen wir dazu bei, dass die Menschen Informationen russischer Medien besser einordnen können", sagte Limbourg laut einem Bericht von Spiegel Online, der einen "Kampf gegen russische Propaganda" und eine "Gegenoffensive" ankündigte.
Nun ist es relativ belanglos, ob Propagandisten den Vorwurf der Propaganda von sich weisen und sich selber als die echten Journalisten bezeichnen. Täten sie es nicht, wären sie schlechte Propagandisten. Aufschlussreicher als die Selbsteinschätzung der neuen Kalten Krieger an der Westfront des europäischen Medienkrieges sind daher eher die Stellungnahmen, etwa zur Neuausrichtung der Deutschen Welle.
Im besten Duktus der als überwunden geglaubten Blockkonfrontation sagte der Deutsche-Welle-Intendant gegenüber der "Zeit" Sätze wie: "Was den Westen und sein System stark gemacht hat, ist, diese Freiheit (der Kritik) zuzulassen."