Putins Entnazifizierung endet vor der Tür der AfD
"Kein Anzeichen von Neonazismus": Russlands Präsident bekräftigt Kontakte mit Rechtspopulisten. Das Machtwort beendet eine innerrussische Diskussion.
Bei einer Pressekonferenz in Sankt Petersburg waren von Russlands Präsident Putin erstaunlich offene und positive Worte zur deutschen Rechtspartei AfD zu hören. "Wir sehen im Vorgehen der AfD keine Anzeichen von Neonazismus" widersprach Putin einer immer häufigeren Kritik an den deutschen Rechten.
Man werde mit allen zusammenarbeiten, die mit Russland zusammenarbeiten wollten. Da man in Russland die Zweifel an der Verfassungstreue der AfD in Deutschland kennt, fügte Putin noch hinzu, es sei nicht die Aufgabe Russlands zu bewerten, ob sich eine politische Kraft im Rahmen der Verfassung bewege. "Wir sehen aber nichts, was bei uns Besorgnis auslösen würde."
Was in deutschen Berichten über Putins Äußerungen dabei meist unter den Tisch fällt, ist, dass Russlands Staatsoberhaupt damit auch einen endgültigen Schlussstrich unter eine Diskussion im russischen Politestablishment setzt.
Diese Deabtte freilich verlief schon seit einigen Jahren zugunsten der Befürworter einer engen Zusammenarbeit mit der deutschen Rechtspartei. Aber zweifelnde Stimmen angesichts eben einer Besorgnis wegen zu großer Nähe der AfD zu deutschem Neonazismus hatte es bis zuletzt in Moskau gegeben.
Nazi-Nähe als historisches Tabu für Partner
Hier handelt es sich im russischen Politestablishment auch um ein wichtiges Argument. Immerhin fand ja sogar der russische Überfall auf das ukrainische Nachbarland 2022 unter der offiziellen Rechtfertigung statt, man würde einen dortigen "Nazismus" bekämpfen, eine "Denazifizierung" durchführen.
Diese Sprachregelung wurzelt in der grauenhaften historischen Erfahrung Russlands nach dem Überfall der deutschen NS-Diktatur auf die Sowjetunion.
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Man rückt in offiziellen Verlautbarungen die aktuelle Regierung in Kiew bis heute vonseiten des Kremls in die Nähe damaliger rechter ukrainischer Nazikollaborateure zur Schaffung eines entsprechenden Feindbildes.
Da ist es schwer zu verkaufen, wenn man andererseits gerade mit einer deutschen Partei paktiert, die im eigenen Land von vielen Menschen ganz oder zumindest in Teilen als rechtsextrem gesehen wird.
Partnerschaft zunächst als AfD-Initiative
Die AfD zeigte sich bereits wenige Jahre nach ihrer Gründung 2013 offen für eine Partnerschaft mit Moskau, bot sie über russische Kontakte regelrecht an. Es war die russische Seite, die sich zunächst hier noch zierte.
Als 2016 der Spiegel von einer Kooperation zwischen der Jungen Alternativen und dem Putinpartei-Nachwuchs "Junge Garde" berichtete, bezog er sich auf Quellen aus der AfD.
Der Junge-Garde-Chef Denis Dawydow bestritt gegenüber dem deutschsprachigen Stadtjournal Moskau.life sogar, dass überhaupt ein Treffen stattgefunden habe.
Als 2017 eine AfD-Delegation unter Führung der damaligen Vorsitzenden Frauke Petry nach Moskau flog, waren nur Vertreter der zweiten Reihe des russischen Politestablishments zu einem Treffen bereit. Währenddessen scheuten sich zu dieser Zeit auch regierungsnahe russische Medien nicht, die AfD als "Ultrarechte" zu bezeichnen.
Mahner in Moskau
Hier gab es in Moskau damals noch einflussreiche Mahner, die, anders als heute Putin, sehr wohl eine zu große Nähe der AfD zum Rechtsextremismus für eine Kooperation sahen. Veronika Kraschenninikowa, die dem Vorstand der Putin-Partei EIniges Russland angehört, kritisierte die "antislamische" Ausrichtung der "ultrarechten" deutschen Partei.
Dies ist ein Knackpunkt, der bis heute zwischen der AfD und Russlands Offiziellen besteht, denn auch Putin betrachtet sehr wohl den Islam als Teil Russlands und lässt gerade sogar die afghanischen Taliban von der Liste der terroristischen Organisationen streichen.
Der damals führende russische Deutschlandexperte Wladislaw Below von der Russischen Akademie der Wissenschaften bezeichnete Björn Höcke als "Nazi wie sein Umfeld, das einen Teil der AfD darstellt".
Noch Ende 2018 veranstalteten die russischen AfD-Kritiker einen Kongress in Moskau zu westlichem Rechtsextremismus, zu dem sogar die prominente AfD-Aussteigerin Franziska Schreiber zugeschaltet war.
Parallel wachsendes Netzwerk
Doch parallel waren auch andere Kräfte am Werk, die eine rechte Partnerschaft mit dem offiziellen Russland bereits einfädelten, vor der von Kraschenninikowa und Below noch gewarnt wurde. Aktiv war hier schon früh beim Knüpfen eines rechten russisch-deutschen Netzwerkes etwa Jurij Kofner, damals Gastdozent an der Moskauer Elite-Hochschule MGIMO und Experte der dort wichtigen Gortschakow-Stiftung für öffentliche Diplomatie. Heute ist er Sprecher des Landesfachausschusses für Finanzen und Steuern der AfD Bayern.
Er und seine Mitstreiter verstanden sich gut mit dem rechtspatriotischen Flügel der Putinisten. Die Zusammenarbeit stieß im Zuge der wachsenden Konfrontation zwischen Russland und dem Westen mehr um mehr auf offene Ohren und Wohlwollen bei der russischen Führung.
Durchbruch mit Lawrow-Empfang
2020 erfolgte dann der Durchbruch für die rechtsrussische Partnerschaft. Eine AfD-Delegation in Moskau musste als Gesprächspartner nicht mehr mit zweitklassigen Politikern vorliebnehmen, sondern wurde von Außenminister Sergej Lawrow persönlich empfangen.
Das war eine erste, demonstrative Aufwertung der Bedeutung der Partei durch den Kreml, denn eine solche Ehre wurde nur wenigen westlichen Parlamentariern bei einem Moskaubesuch zuteil.
Die Ursache war neben der immer weiteren Abkühlung des Verhältnisses zum westlichen Establishment auch ein immer deutlicherer innenpolitischer Rechtskurs der russischen Regierungspolitik.
Betrachtete man sich zu Beginn der 2010er-Jahre im Selbstbild noch vor allem als konservativer Wahrer von Stabilität, rückte nun etwa ein radikal in die Vergangenheit gewandtes Gesellschafts-, Familien- und Geschlechterbild und ein nationalpatriotisch-reaktionärer Kurs in den Vordergrund.
Nach der Invasion der Ukraine 2022 wandelte sich der russische Staat mehr und mehr von einer konservativen Autokratie hin zu einem totalitären System, das rechtsradikalen Vorstellungen sehr nahekommt.
Die Bewunderung rechtsrandiger AfD-Politiker für das System Putin wurde hierdurch noch verstärkt. Selbst zur wegen Manipulationen im großen Stil scharf kritisierten Wiederwahl des russischen Präsidenten 2024 reisten drei AfD-Landtagsabgeordnete als offizielle Beobachter, darunter die wegen des früheren Versands von Hitler-Bildern skandalumwitterte Nürnbergerin Elena Roon. Und sie lobten den Ablauf der Wahl.
Mahner werden verstummen
Die Mahner und Zweifler an einer AfD-Partnerschaft in Moskau selbst verstummten bis dahin nicht und zeigten, dass eine positive Beurteilung der deutschen Rechten, anders als die Unterstützung des Ukraine-Kriegs, noch kein in Moskau einzuhaltendes Dogma war.
Kraschennikowa, weiter auf ihrem Posten, äußerte sich in diesem Jahr kritisch über Putin-Interviewer Tucker Carlson als "Medienförderer für Rechtsextreme", Below äußerte sich in einem Interview 2023 ebenso kritisch zur AfD, wie er das fünf Jahre zuvor getan hatte.
Mit den deutlichen Worten Putins dürften in Moskau jedoch auch diese letzten kritischen Stimmen an einer Zusammenarbeit mit westlichen Rechten nun zum Schweigen gebracht werden.
Denn ein solcher Ausspruch der unumstrittenen Symbolfigur des dortigen Regierungssystems hat einen noch einen in weitaus höheren Stellenwert als jedes politische Treffen mit einem seiner Untergebenen.
Wenn der große Staatenlenker selbst die AfD für nicht besorgniserregend hält und bei ihr kein Anzeichen von Neonazismus sieht, müssen auch die Experten schweigen, die durch ihre jahrelange Kenntnis der deutschen Innenpolitik eine andere Auffassung haben.