Qualifizierungsmaßnahmen und ihre Sinnhaftigkeit

Seite 2: Persönliche Erfahrungen

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Meine (Bettinas) Erfahrungen hinsichtlich der Weiterbildungen, die vermittelt werden, sind durchweg negativ. Mir wurden letztendlich drei Weiterbildungen bzw. Ausbildungen vermittelt und finanziert, zwei davon habe ich frühzeitig abgebrochen, eine dritte beendet.

Eine der Weiterbildungsmaßnahmen war eine sogenannte Übungsfirma, in ihr sollte mir beigebracht werden, wie eine Firma funktioniert, von der Buchhaltung über Lagerarbeit bis hin zu Preiskalkulation und Kundenakquise bzw. -verkehr. Dies war zum einen ein so bunter Reigen aus verschiedensten "Arbeiten", dass viele der Teilnehmer völlig damit überfordert waren, an einem Tag nicht nur mit Regaleinräumen (Pseudoware), sondern auch mit den Überlegungen in Bezug auf Bewerbung der Waren, Preisgestaltung und nicht zuletzt fingierten Telefonaten mit Kunden konfrontiert zu werden.

Kaum jemand konnte sich überhaupt vorstellen, in einer späteren Position mit all diesen Tätigkeiten gleichzeitig zu tun zu haben, ferner sollte es am Schluss der für zwei Jahre angelegten Weiterbildung nur eine Teilnahmebestätigung geben, die von vielen Firmen schon vorab als "nichtssagend" angesehen wurde.

Dazu kam, dass die Zusammensetzung der Teilnehmer sehr willkürlich erschien, manche waren bereits langjährig in der Buchhaltung tätig, andere hatten noch gar nicht gearbeitet, wieder andere konnten wegen gesundheitlicher Aspekte z.B. nicht beim Regaleinräumen mitarbeiten und wurden dann entweder irgendwo "geparkt" oder aber sie taten lediglich so als würden sie mitarbeiten um nicht als jemand angesehen zu werden, der nicht teilnehmen will und daher dann ggf. mit Sanktionen konfrontiert zu werden.

Eine spätere Weiterbildung führte zu einem Abschluss als "Fremdsprachliche Korrespondentin in Englisch" und entpuppte sich als eine Ausbildung, die nicht nur Stenographie, sondern auch Maschineschreiben, die Arbeit am PC (Word, Excel), sondern auch Wirtschaftsenglisch enthielt. Dies klang zunächst vielversprechend, schon bald war aber ersichtlich, dass die Dozenten pädagogisch ungeschult waren, ihre Qualifikationen konnten nicht überprüft werden und teilweise waren ihre Aussagen grotesk falsch, wurden jedoch nur selten korrigiert.

In Erinnerung bleibt mir bis heute die Aussage einer älteren Dame, die sehr kurzfristig als EDV-Lehrerin eingesetzt wurde nachdem der andere Dozent sich verabschiedet hatte. Wohl um die Dame ein wenig zu belustigen / zu verkohlen, hatte er ihr noch beigebracht, wofür LAN stünde, was sie dann dem Teilnehmerkreis recht stolz auch weitertrug: für ein in Ludwigshafen entwickeltes "Area Network", weshalb das L auch für Ludwigshafen stünde.

Ein paar der Teilnehmer lachten, andere schrieben dies eiligst mit, eine Beschwerde beim Kostenträger brachte nur ein belustigtes "nette Geschichte" mit sich, was aber jemand, der diese Information verinnerlicht und dann in einem Vorstellungsgespräch oder dem Bewerbungsschreiben anbringt, erleben dürfte, wurde gar nicht erst realisiert.

Was noch schlimmer war: um auch vor dem Kostenträger gut dazustehen, wurden die Ergebnisse stark frisiert, so dass der Abschluss letztendlich nicht das Blatt Papier wert war, auf dem er gedruckt zu finden war. Den Teilnehmern wurde es so leicht gemacht, diverse Tests oder Prüfungen zu bestehen, dass die vergebenen Noten nichts mehr aussagten. So wurde beispielsweise der Brief, der zunächst per Stenographie aufzunehmen war, dann per Maschineschreiben in die richtige Form gebracht werden musste, so lange geübt, bis manche ihn auswendig konnten, so dass die "Steno-Aufnahme" lediglich ein Gedächtsnistraining war.

Da die stenographische Aufnahme des Gesagten nicht kontrolliert wurde, sondern nur der Brief, der am Schluss stand, gab es so Bestnoten gerade auch für die Gedächtniskünstler. Der Wirtschaftsenglischtest wurde von einer Teilnehmerin bestanden weil sie sich in einem sehr guten Englisch darüber beklagte, dass sie wegen ihrer familiären Situation als alleinerziehende Mutter nun einmal nicht viel lernen könne, weshalb sie nunmehr auch mit Dingen wie der Europäischen Zentralbank nicht viel anfangen könnte, dafür wisse sie aber, wie man ein weinendes Kind beruhigt. Der Dozent zeigte sich ob der Schlagfertigkeit und des guten Englisch begeistert und vergab eine Eins.

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