Rätselraten um Tunguska Explosion

Neue Hypothese

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Die sogenannte Tunguska-Explosion (Vgl.Spiegelkometen und -meteoriten stürzen auf die Erde) gilt bis zum heutigen Tag als eines der größten Rätsel des 20. Jahrhunderts. Denn noch immer kann die Ursache des monströsen Phänomens, das am 30. Juni 1908 in Sibirien über 2.000 Quadratkilometer Taiga verwüstete, weder vollständig noch auch nur ansatzweise befriedigend erklärt werden.

Bild: Smithsonian Institution

Jahrzehntelang diskutierte die Wissenschaft über die Möglichkeit eines Meteoriteneinschlags, hin und wieder war auch vom Absturz eines fremden Raumschiffs die Rede, und die ortsansässigen Tungusen machten sogar den Donnergott Agdy und seine eisernen Vögel für die Katastrophe verantwortlich.

Der russische Geologe Vladimir Epifanov vom Sibirischen Forschungsinstitut für Geologie, Geophysik und Minerale hat auf einer Tagung in Moskau jetzt eine ganz prosaische Theorie vorgestellt. Er glaubt, dass im Jahr 1908 eine gigantische Fontäne aus Öl und Gas explodierte, die von einer elektrisch geladenen Aerosolschicht entzündet wurde.

Die russische Nachrichtenagentur Informnauka berichtet, dass Epifanov seine Hypothese auf mehrere, durchaus schlüssige Beobachtungen stützt. Zum einen finden sich im Explosionsgebiet direkt unter der Erdoberfläche große Kohlenwasserstoffmengen. Außerdem wird die Region von zwei tiefen Brüchen durchzogen, die sich durch das Sedimentgestein mit den Öl- und Gasvorräten schlängeln, und darüber hat sich vulkanisches Basaltgestein abgelagert, das vor 200 Millionen Jahren durch Vulkanausbrüche und andere Erschütterungen an die Oberfläche gelangte. Schließlich konnte festgestellt werden, dass das Epizentrum jener gewaltigen Explosion exakt über einem der uralten Vulkankrater lag.

Nach Epifanovs Ansicht hat sich das explosive Gemisch im Laufe der Jahrtausende unter der Basaltdecke angestaut und diese - möglicherweise unterstützt durch ein kleineres Erdbebeben - 1908 aufgesprengt. Anschließend stieg ein mit Staub durchsetzter Gasstrom auf, in den oberen Schichten der Atmosphäre bildete sich eine elektrisch aufgeladene Aerosolschicht, die das Ganze neun Tage später entzündete, woraufhin eine Feuersäule Richtung Erdoberfläche raste und in der sauerstoffreicheren Atmosphäre explodierte.

Auch das Resultat der Tunguska-Katastrophe deutet für Epifanov darauf hin, dass außerirdische Einflüsse hier keine Rolle gespielt haben. Denn die Zerstörungen ähneln eher den verheerenden Auswirkungen einer 50 Megatonnen-Wasserstoffbombe, die durch die reichen Helium-Vorkommen der Region eventuell noch verstärkt worden sind. Die Stärke der Druckwelle, das Ausmaß radioaktiver Verseuchungen, die Veränderungen im Landschaftsbild und viele andere Untersuchungsergebnisse können mit der Theorie eines Meteoriten- oder gar Raumschiffabsturzes kaum in Einklang gebracht werden. Noch entscheidender ist für den Geologen freilich der schwer widerlegbare Umstand, dass in dem gesamten Gebiet keinerlei Spuren gefunden wurden, die auf irgendeine extraterrestrische Aktivität hinweisen. Und so hat Epifanovs Tunguska-Theorie schließlich doch einiges für sich - auch wenn die anderen fast ausnahmslos sehr viel interessanter klingen ...