Regeln für den globalen Emissionshandel gefordert
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Die Energie- und Klimawochenschau: Erwartungen an die Klimakonferenz, Warnung vor Kippelementen und Stagnation beim Windkraftausbau
Am Montag hat in Madrid die 25. Weltklimakonferenz begonnen, die zuvor kurzfristig von Santiago de Chile dorthin verlegt worden war. Von den Staaten sind dabei kaum Zusagen zu stärkeren Emissionsreduktionen zu erwarten - geschweige denn, dass sie ihre bereits zugesagten Ziele einhalten ("Unser Krieg gegen die Natur muss aufhören").
Ein bedeutsamer Punkt der Verhandlungen werden aber die Regelungen für den internationalen Handel mit Emissionszertifikaten sein. Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens sieht vor, dass die freiwilligen nationalen Beiträge zur Emissionsreduktion (NDC) auch durch Maßnahmen in einem anderen Land erbracht werden können. Es soll allerdings vermieden werden, dass diese doppelt angerechnet werden, also sowohl von dem Land, dass die Zertifikate hierfür erwirbt als auch von dem Land, in dem diese tatsächlich erbracht wurden.
An diesem Punkt wurde auf der letzten Klimakonferenz in Katowice keine Einigung erzielt. Vor allem Brasilien, das sich Einnahmen aus dem Zertifikatehandel verspricht, sperrte sich gegen klare Regeln. Grundsätzlich könnte der Handel nicht nur zwischen Staaten laufen, auch die internationale Luftfahrtbranche ist an Emissionszertifikaten interessiert, um ab 2020 zwar noch weiter wachsen zu dürfen, aber rechnerisch ihr bisheriges Emissionsniveau zu halten.
Fraglich bleibt auch, was mit den bisher im Umlauf befindlichen Zertifikaten nach dem Kyoto-Protokoll geschieht. Unter dem "Clean Development Mechanism" (CDM) konnten hier durch die Finanzierung von Klimaschutzprojekten in Entwicklungsländern Emissionsreduktionen gutgeschrieben werden. Allerdings ist bei vielen CDM-Projekten nicht sicher, dass sie "zusätzlich" sind.
Außerdem tragen solche Projekte immer wieder zur Vertreibung von indigener und armer Landbevölkerung bei. Mit einer möglichen Übernahme der CDM-Zertifikate in ein neues System wären zu Beginn zu viele Zertifikate auf dem Markt vorhanden.
Industrieländer kommen bisher nicht für Schäden auf
Ein weiteres wichtiges Thema ist der Umgang mit Schäden und Verlusten durch den Klimawandel. Denn bisher haben die Industrieländer sich geweigert, Mittel für Schäden und Verluste im globalen Süden bereitzustellen, obwohl sie selbst die Hauptverursacher der Klimakrise sind. In Madrid soll nun über Entschädigungen verhandelt werden.
Zwar leisten die Industrieländer Zahlungen für Klimaschutz und Anpassung in ärmeren Ländern, für Schäden und Verluste beispielsweise nach Extremwetterereignissen gibt es jedoch keine Finanzierung.
Im Umgang mit den tatsächlichen Auswirkungen des Klimawandels benötigen betroffene Entwicklungsländer schon heute dringend finanzielle Unterstützung - für das Jahr 2030 gehen Schätzungen von einem Bedarf von bis zu 580 Milliarden USD aus. Die Bereitstellung stockt jedoch: Industrieländer befürchten bei einem Zugeständnis die Einrichtung eines Kompensationsmechanismus - mit für sie unkalkulierbaren Kosten.
Germanwatch
152 Nichtregierungsorganisationen fordern in einem offenen Brief an die Präsidentin der COP25, Chiles Umweltministerin Carolina Schmidt, einen Fonds für Schäden und Verluste einzurichten, in den die reichen Länder regelmäßig einzahlen müssten. Die Gelder sollten dann nicht nur an Regierungen ausbezahlt werden, sondern speziell auch an lokale und von Frauen geleitete Organisationen.
"Mittel sollten sowohl an Regierungen als auch an unabhängige Träger ausbezahlt werden, insbesondere solche, die lokal verankert sind und von Frauen geführt werden. Diese sind am besten in der Lage, die Betroffenen zu erreichen und/oder zu langfristigem Wiederaufbau und Widerstandsfähigkeit beizutragen", heißt es in dem Brief.
Außerdem sollte für von Klimakatastrophen betroffene Entwicklungsländer ein Moratorium für Schuldlasten gelten und in dieser Zeit auch keine neuen Zinsbelastungen entstehen.
Kippelemente möglicherweise schon erreicht
Im Vorfeld der Klimakonferenz haben führende Klimaforscher gewarnt, dass verschiedene Kippelemente (Tipping Points) im Klimasystem sehr bald oder schon jetzt erreicht sein könnten, und rufen zu entschlossenem Handeln auf.
Wir argumentieren, dass die Interventionszeit, um ein Kippen zu vermeiden, bereits gegen Null geht, während die Reaktionszeit, in der wir die Netto-Emissionen auf null reduzieren können, bestenfalls 30 Jahre beträgt. Daher könnten wir bereits die Kontrolle darüber verloren haben, ob das Klima kippt.
Timothy M. Lenton, Johan Rockström, Owen Gaffney et al., Nature
Doch auch nach einem Erreichen der Kipppunkte würde sich der Schaden erst allmählich akkumulieren und daher zu einem bestimmten Maß noch kontrollierbar sein, schreiben die u.a. am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung tätigen Wissenschaftler in ihrem im Fachjournal Nature veröffentlichten Kommentar.
Die Kippelemente würden wahrscheinlich nicht nur früher erreicht als bislang gedacht, sie seien auch stärker miteinander verbunden. Zu den Elementen zählen der Zusammenbruch der Eisschilde in Grönland und in der Westantarktis, was den Meeresspiegel über die nächsten Jahrtausende um 10 Meter ansteigen lassen würde.
Der Amazonas-Regenwald könnte als Ökosystem zusammenbrechen, wenn 20 bis 40 Prozent des Waldes vernichtet würden. Aktuell liegt der Waldverlust bereits bei 17 Prozent. Und auch boreale Wälder sind durch die Erwärmung der Arktis immer stärker bedroht. Brächen die Waldökosysteme zusammen, würden schnell große Mengen von Kohlendioxid freigesetzt, was erneut die Klimaerwärmung verstärken würde. Gleiches gilt, wenn Permafrostböden auftauen.
Durch die einzelnen Effekte könnten sich auch globale Klimamuster verändern. Das betrifft beispielsweise Meeresströmungen - mit Einfluss auf den Monsun oder Dürre in der Sahelzone. Auch Muster der Wolkenbildung könnten sich ab einer bestimmten Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre radikal verändern, mit noch schwer abzusehenden Folgen für Niederschlagsbildung, aber auch für die Sonnenstrahlung, die die Erde ungehindert erreicht und die Temperatur weiter ansteigen lassen würde.
Auch wenn die Folgen eines Überschreitens der Kippunkte noch näher untersucht werden müssten, argumentieren die Autoren, dass die bisherigen Beweise für ein Kippen des Klimas ernst zu nehmen seien, da der Effekt enorm und unumkehrbar wäre. Hier erst auf hundertprozentig gesicherte Ergebnisse zu warten, sei daher keine vernünftige Option.