Regierungskrise in Portugal führt zu Neuwahlen
Die Regierung von Premier António Costa steht vor dem Aus, da die linken Unterstützer sich nicht "erpressen" lassen wollten, den Haushalt der Sozialisten abzunicken
Am Mittwoch will der konservative portugiesische Präsident Marcelo Rebelo de Sousa nicht mehr sprechen, weil dann der Staatsrat "bis zum Abend tage". Er werde aber sicherlich am Donnerstag sprechen, kündigte Rebelo de Sousa für alle Beobachter klar die Auflösung des Parlaments an. Damit wird es mit aller Wahrscheinlichkeit zu Neuwahlen im Januar kommen.
Der sozialistische Regierungschef António Costa lehnt einen Rücktritt ab und will im Notfall kommissarisch die Regierungsgeschäfte bis zu den Neuwahlen weiterführen. "Marcelo", wie der beliebte Präsident von den Portugiesen genannt wird, war im Januar dieses Jahres mit 61 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt worden. Er hat sich aber nun verkalkuliert, meinen viele im Land.
Vor einer Woche hatte er die Verabschiedung des Haushaltsplans von Costas Partido Socialista (PS) definitiv mit Neuwahlen verknüpft: "Meine Position ist sehr einfach: "Entweder gibt es einen Haushalt oder es wird ein Prozess zur Auflösung des Parlaments eingeleitet." Eine Verabschiedung des Haushalts hatte er als "das Wünschenswerteste" bezeichnet. Der unbedarfte Betrachter könnte glauben, dass der konservative Präsident damit Druck auf den sozialistischen Regierungschef machen wollte.
Weit gefehlt, denn der Präsident vom linken Flügel der Konservativen PSD wollte Costa, mit dem er eine friedliche Koexistenz pflegt, tatsächlich helfen.
Druck auf marxistischen Linksblock und portugiesische "CDU"
Costa und dessen Sozialistische Partei hatten die Wahl von Rebelo de Sousa im Januar still unterstützt, indem sie keine eigenen Kandidaten aufgestellt und der Kandidatur des PS-Mitglieds Ana Gomes die Unterstützung verweigert hatten. Der Präsident wollte vielmehr Druck auf den marxistischen Linksblock (BE) und die von den Kommunisten geführte Demokratische Einheitskoalition CDU (Coligação Democrática Unitária) machen, den PS-Haushalt abzunicken.
Die beiden Parteien empfanden das als Erpressung, wie deren Sprecher gegenüber Telepolis zu verstehen gaben. Sie lehnten schließlich am vergangenen Mittwoch den Haushalt ab. Nach zweitägiger Debatte stimmten nur 108 PS-Abgeordnete zu und die 2019 auf vier Parlamentarier gestärkte Tierschutzpartei PAN enthielt sich. Alle anderen Fraktionen rechts und links der PS im 230 Sitze zählenden Parlament stimmten dagegen.
Die Zeit des Schmusekurses, den sowohl BE als auch CDU in der Zeit der Corona-Pandemie noch fuhren, ist vorbei. Dass Costa die sogenannte "Geringonça", also zwei "unbegreifliche" Pakte mit den beiden linksradikalen Parteien nicht erneuert hatte, fällt ihm nun auf die Füße. Von 2015 bis 2019 hatten diese jeweils eigene Abkommen mit Costa geschlossen und ihm eine stabile Regierung verschafft, in die weder BE noch CDU eingetreten waren.
Die Früchte der erfolgreichen Politik, zu der Costa vor allem von diesen Parteien - und vor allem in sozialen Fragen - getragen werden musste, heimste er bei den Wahlen ein. Seither reagiert er mit seinen gut 36 Prozent so, als hätte er eine absolute Mehrheit hinter sich und benutzt bisweilen linke oder rechte Unterstützer, um seine Ziele umzusetzen.
Das hatte er auch zum Entsetzen von BE und CDU schon zur Bankenrettung und zum Rechteabbau über eine Arbeitsmarktreform getan. Auf die Rechte kann Costa aber nicht mehr bauen, denn die wittert nach den Kommunalwahlen Morgenluft und wollte den eher konservativen Haushalt von Costa auch nicht unterstützen. Sie hofft auf einen Umschwung, da sie Ende September in einem breiten Bündnis der PS nicht nur die Hauptstadt Lissabon abnehmen konnte, sondern auch noch weitere wichtige Städte.
Costa hat diese Warnung nicht verstanden. Er hat seither nicht versucht, auf die Linken zuzugehen, sondern wollte sie gegeneinander ausspielen. Hatte den Haushalt 2020 schon der Linksblock abgelehnt, hatte ihn die CDU noch abgenickt. Doch deren Neuausrichtung hat Costa offensichtlich nicht verstanden, obwohl die Kommunisten dafür zum Teil bei den Kommunalwahlen belohnt worden sind.
PS wollte zentrale Anliegen der Linken ausklammern
Die PS versuchte aus den Haushaltsverhandlungen zentrale Anliegen der bisherigen linken Unterstützer auszuklammern, wie die beschlossenen Arbeitsmarktreformen, über die schon unter der konservativen Vorgängerregierung der Kündigungsschutz aufgeweicht, befristete Beschäftigung ausgeweitet und Arbeitsbedingungen zunehmend prekärer gemacht wurden. Arbeitnehmerrechte sollten wiederhergestellt oder ausgeweitet werden.
Zudem wollen BE und CDU die Corona-Hilfen aus dem "Wiederaufbaufonds" auch für öffentliche Dienstleistungen und Verbesserungen der Lage der Beschäftigten einzusetzen.
Dass es die Linken auf den Bruch angelegt haben, wie António Costa Pinto vom Institut für Soziologie an der Universität Lissabon, meint, ist nur schwer nachvollziehbar. "Die Bedingungen, die sie Costa für ihre Stimmen zum Haushalt gestellt haben, waren so hoch, dass er sie nicht erfüllen konnte", meint er und prognostiziert, dass sie bei den kommenden Wahlen Stimmen verlieren dürften.
Das wird sich im Januar zeigen. Jedenfalls hatte sich die bisherige Costa-Unterstützung für sie nicht ausgezahlt. Zuletzt konnten die Kommunisten nach ihrem Kurswechsel schon Zugewinne bei den Kommunalwahlen verzeichnen. Dass angesichts steigender Inflation Costa den Beschäftigten im öffentlichen Dienst gerade einmal eine Gehaltserhöhung um 0,9 Prozent zubilligt, ist wenig populär. Denn angesichts der steigenden Inflation, die nun offiziell auf 1,8 Prozent ausmacht und weiter steigen wird, verlieren sie erneut Kaufkraft. Nur begrenzt populär ist, dass der Mindestlohn von 665 auf 705 Euro ansteigen soll. 850 Euro hatten die Kommunisten schon vor den Wahlen 2019 gefordert.
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