Regulierte Öffentlichkeit

Das Privatleben, die Pressefreiheit und der gehörnte französische Minister

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Die Trennung zwischen Privatleben und Politik ist überholt und spießig, fast alle Details aus unserem Leben als „modernes Ehepaar“ haben das Publikum zu interessieren: Nach diesem Motto verfuhren bis vor kurzem der französische Innenminister, Präsidentschaftskandidat und begnadete Selbstdarsteller Nicolas Sarkozy sowie seine (Noch-)Ehefrau Cécilia. Wurde in den Medien zur Abwechslung einmal nicht über die Heldentaten des Ministers an der Spitze „seiner“ Polizei berichtet, dann über sein Familienleben, seinen Sohn oder die Rolle seiner Frau und Beraterin. Solange jedenfalls, bis Madame ihrem grenzenlos ehrgeizigen Göttergatten davon lief, im Frühsommer dieses Jahres. Jetzt ist es plötzlich vorbei mit dem Postulat, dass die Öffentlichkeit ein legitimes Interesse am Privatleben der Herrschaften zu haben habe. Und auch die Freiheit der Presse oder der Kunst ist nicht mehr so wichtig, wenn es darum geht, eben jener Öffentlichkeit Einzelheiten vorzuenthalten, die der kleinwüchsige „starke Mann“ momentan als unangenehm empfindet.

Mitte November hätte eine Biographie von Cécilia Sarkozy im französischen Verlagshaus First erscheinen sollen. Ihre Veröffentlichung wurde jedoch gestoppt, nachdem bereits 25.000 Exemplare gedruckt worden waren. Grund war eine direkte Intervention von Ehemann Nicolas, der den Verlagschef persönlich in sein Ministerium vorgeladen und ihm mit allen erdenklichen Konsequenzen gedroht hatte.

Die Sache hatte ein Vorspiel im August: Damals hatte die Regenbogenzeitschrift Paris Match ein Foto von Madame mit ihrem neuen Lover (Richard Attias) auf der Titelseite abgedruckt. Das Blatt konnte erscheinen, doch Monsieur erregte sich öffentlich darüber, dass „mein persönlicher Freund“ Arnaud Lagardère – der Chef des Multimedienkonzerns Hachette, dem u.a. Paris Match gehört und der rund ein Drittel der französischen Medien kontrolliert – das überhaupt habe durchgehen lesen. Ende November deutete Lagardère eine baldige Entlassung des Chefredakteurs von Paris Match (Alain Genestar) an, um jedoch 24 Stunden später zu dementieren.

Dieses Mal konnte Sarkozy sich offenkundig durchsetzen. Nach einem Rechtsstreit mit dem Verlagshaus First, der mit einer gütlichen Einigung endete, konnte die Autorin der Biographie (Valérie Domain) ihr Manuskript zurück erlangen und darf sich jetzt einen anderen Verlag suchen.

Wie Ende voriger Woche in Paris bekannt wurde, hat Cécilia Sarkozy bereits im Frühjahr das Erscheinen eines weiteren Buches kurz vor dem geplanten Datum verhindert. Am 8. März hätte ein Band, der verschiedene Gespräche mit prominenten Frauen enthielt, erscheinen sollen. Cécilia Sarkozy breitete sich darin über „familiäre Werte“ aus. Da ihr Seitensprung damals anscheinend schon aktuell war, wurde ihr dies jedoch vermutlich peinlich. Die Herausgeberin des Sammelbands, Corinne Tanay, erhielt bisher keine Entschädigung und arbeitet an einer Neuveröffentlichung – ohne den Beitrag von Madame.