Rest for the Best

WM 2018: Die deutsche Fußballmaschine erleidet einen Kolbenfresser, Olli fragt: Gab es überhaupt eine Mannschaft?

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Der lässige (lästige?) Werbeslogan der Bessergestellten, dem sich so gut wie das ganze deutsche Team anlässlich der WM verschrieben hat, erweist sich am Mittwochabend als Bumerang: "Best never Rest", im Hintergrund ein bekannter Stuttgarter Automobil-Stern, dürfte vorerst als Stimulator ausgedient haben, der deutsche Riese wird vom koreanischen Zwerg in den Resturlaub geschickt. Das war’s, Leute! Rest for the Best! Mit Schlafwagen-Fußball gegen ausgeschlafene Kicker (Sportbuzzer) ist kein Pott zu gewinnen, der Pokal: Lichtjahre entfernt.

Diese 90. Minute "plus" wird den Rumpelfüßlern aus Germania hoffentlich noch lange im Gedächtnis bleiben: Die Südkoreaner Young Won Kim (90. Minute +2) und Hyeung Min Son (90. Minute +6) besiegeln mit Witz und Entschlossenheit den deutschen Totalschaden von Kasan. Zwei Treffer in der Nachspielzeit! Und was für eine Blamage. Die Fußball-Maschine made in Germany, die schon während der andern beiden Vorrundenspielen mehr als nervig stotterte, endet mit Kolbenfresser. Kapitän Manuel Neuer bringt das Gesamtbild im Interview wenige Minuten nach dem Aus hellsichtig auf den Punkt: "Erbärmlich".

"Brutal frustriert"

Das war die Vorstellung von Beginn an. Helden in der Götterdämmerung. Arroganz ohne Rückgrat. Teure Spitzenkräfte, die nichts zuwege bringen. Die erbärmliche Vorstellung führte zurecht zu Häme und Kritik, zu verbalen Kontern und spaßigen Glossen - aber die Presse ist deswegen noch lange nicht schuld am Debakel. Hier können Verantwortliche und auch einige Fans mal in sich gehen, die im Moment der Krise in den Medien nach Prügelknaben suchen.

Es ist, nebenbei, auch absolut plausibel, angesichts der Müdigkeit der Hauptdarsteller, auf solche Vergleiche zu kommen wie den von Mario Basler über Mesut Özil (Frosch-Metapher) oder auf das charmante Bild vom "alten Straßenkreuzer" (so zuletzt der Kölner Stadt-Anzeiger über Jérôme Boateng). Assoziationen sind erwünscht.

Sowas muss erlaubt sein! Schließlich wusste schon Goethe (allerdings Nichtfußballer), dass, will jemand exponiert sein, derjenige auch hart im Nehmen sein sollte:

Sollen dich die Dohlen nicht umschrein, / Musst nicht Knopf auf dem Kirchturm sein.

J.W. v. Goethe: Zahme Xenien

Hart im Nehmen muss denn ohne Frage jetzt Jogi Löw sein, er zeigt sich nach der Blamage von Kasan (Zitat) "brutal frustriert und enttäuscht". Das dürfte den deutschen Fans auch so gehen, allerdings waren sie auch Zeugen der "Selbstherrlichkeit" (wieder Zitat Löw) ihrer Helden, zum Beispiel schon vor Mexiko - will heißen: Null Dynamik, keine Dominanz auf dem Platz, keine Entschlossenheit in der Mannschaftsseele. Gab es überhaupt eine Mannschaft?

(K)eine Mannschaft?

Beobachter Oliver (Olli) Kahn sagt "Nein", er erkenne "keine Mannschaft", nennt das deutsche Team "stumpf" und klotzt richtig ran: "Zentner" hätten sie im Trikot gehabt, er meint sicher nicht die Werbeeinnahmen, aber der Effekt bleibt der gleiche. Also mangelhaftes Tempo, unzureichender Kombinationsfluss, Probleme mit den Pässen, kein Konzept bei Ballverlust, keine Antwort auf Konter. Reicht es, den Gegner "müde zu spielen", wie es unsere Cracks immer wieder betonen, und ansonsten am Bewährten festzuhalten?

Die Antwort gibt die WM 2018. Auch das Kroos-Tor gegen Schweden, das schon beinahe bis zur Peinlichkeit als "Zünder" bemüht wurde, erwies sich letztendlich für Motivation, Spielfreude und Weiterentwicklung als Flopp. La Mannschaft stagniert, in der Gruppe sind sie Letzter geworden, was schon eine Art Leistung an sich ist. Gewisse Kommentatoren sehen Löw, den brutal frustrierten Coach, schon als "de(n) Merkel des Fußballs", der wie die Kanzlerin keine Klasse neben sich duldet. Nun ja, auch hier könnte der Hase im Pfeffer liegen?

Best never Rest? Seit Mittwoch ein müder Spruch. Und ein etwas voreiliger noch dazu.