Riskiert Heiko Maas (SPD) unseren Atomtod?

Licorne-Test 1970, Französisch-Polynesien. Bild: The Official CTBTO Photostream, CC BY 2.0

Über die nukleare Teilhabe der Nato, Börsengeschäfte und überholte Inzidenzwerte. Die Telepolis-Wochenrückschau mit Ausblick

Der Kalte Krieg ist lange vorbei, aber der atomare Schlagabtausch wird weiter geübt. Etwa im Fliegerhost Büchel in Rheinland-Pfalz, wo schätzungsweise 20 US-amerikanische Atombomben für den Einsatz vorgehalten werden. Gegen Russland mutmaßlich, gegen wen sonst?

Das Ganze ist nicht nur hochriskant, sondern auch höchst undemokratisch. Der Bundestag hat vor elf Jahren den Abzug der US-Atombomben aus Deutschland gefordert, zuletzt sprachen sind 93 Prozent der Deutschen für ein völkerrechtliches Verbot von Kernwaffen aus; 85 Prozent für einen Abzug der nuklearen Sprengköpfe aus Büchel.

Dennoch wurde das US-Atombombenarsenal in Deutschland heimlich modernisiert. Und Piloten der Luftwaffe trainieren ebenso heimlich dem Abwurf der Massenvernichtungswaffen.

All das findet im Rahmen der sogenannten nuklearen Teilhabe der Nato statt, der zufolge die Atommächte des Bündnisses die anderen Staaten "schützen" – was rechtlich allerdings fragwürdig ist.

Außenminister Heiko Maas hat die Beteiligung Deutschlands an dieser Strategie und damit auch den Verbleib von Atomwaffen in Deutschland unlängst erst verteidigt. "Es geht dabei nicht nur um unseren eigenen Schutz, sondern wir übernehmen auch Sicherheitsgarantien, insbesondere für osteuropäische Staaten. Und ich finde nicht, dass man die zur Disposition stellen kann", sagte der SPD-Politiker Anfang Juli vor einer Konferenz zur nuklearen Abrüstung in Madrid.

Zerstörungsradien bei der Explosion einer SS-25 in deutschen Hauptstädten (16 Bilder)

Voraussichtliche Zerstörung beim Einschlag einer russischen SS-25 mit 800 Kilotonnen in Kiel. Bild: Screenshot Nukemap. Eine ausführliche Legende zu den Zerstörungsradien finden Sie hier.

Im Klartext heißt das: Für den zunehmenden Konflikt der Nato und osteuropäischer Staaten mit Russland riskiert die Bundesregierung im Falle eines atomaren Konfliktes Deutschlands ins Fadenkreuz zu rücken. Es sei schließlich so, sagte im Telepolis-Interview Lars Pohlmeier, der Co-Vorsitzende der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, "dass Deutschland mit der Lagerung der US-Atomwaffen zu einem strategischen Ziel im Falle eines atomaren Konfliktes werden würde."

Für das Interview wählten wir eine anschauliche Bebilderung: Auf "Nukemap" lassen sich in einer üblichen Karten-App mögliche Ziele und Atomwaffentypen eintragen, um die potenzielle Zerstörung anzuzeigen. Unser Bild skizziert die Folgen des Einschlags einer russischen SS-25 in Büchel.

Börse für alle? Eine Debatte auf Telepolis

Zu einer Debatte über Aufträge von Kleinanlegern an Neo-Broker kam es in dieser Woche zwischen den Telepolis-Autoren Christian Kreiß und Stephan Schleim. Dabei ging es vor allem um neue Marktplayer wie Robinhood.

Der Top-Slogan von Robinhood laute: "Unsere Mission ist, Finanzanlagen für alle zu demokratisieren", schrieb Kreiß. Ein anderer prominenter Marketing-Spruch laute: "Participation is Power. At Robinhood, the rich don’t get a better deal." Das Unternehmen wende sich also ganz explizit und mit großem Erfolg an Kleinanleger, Neueinsteiger und vor allem junge Menschen unter 35 als Hauptkundensegment. Das Durchschnittsalter der Kunden liegt um die 30 Jahre.

Ob das eine reale Option für Kleinanleger ist und wie und auf welche Weise die Neo-Broker von den Kleinanlegerinvestitionen profitieren, war Gegenstand zwei weiterer Beiträge. So schrieb Schleim in seiner Replik: "Die festen Kosten pro Transaktion sind also nicht null – aber zugegeben sehr niedrig (ein Euro)."

Doch was verberge sich hinter den "Rückvergütungen", fragt Schleim. Warum bezahlen nicht näher genannte "Handelspartner" Geld dafür, dass ihnen die Broker Aufträge von Kleinanlegern zuspielen? Die Antwort lesen Sie hier, die Debatte im Leserforum von Telepolis geht hier weiter. Sollten Sie sich daran beteiligen wollen, gilt wie immer: Bleiben Sie sachlich, belegen Sie Aussagen und beachten Sie die Forenregeln.

Vieles weitere dreht sich – wie zu erwarten – um Corona. In Frankreich deutet sich, wie Telepolis-Redakteur Thomas Pany berichtet, eine kalte Impfpflicht an. „In ein paar Wochen sollen nur mehr Personen mit einem 'Gesundheitspass ' Zugang zu Einkaufszentren bekommen. Hinein darf, wer eine vollständige Impfung nachweisen kann oder einen aktuellen Test, der bestätigt, dass Königin oder König Kunde nicht mit dem Corona-Virus infiziert ist. Der PCR-Test wird aber bald nicht mehr kostenlos sein.“

75 Tage bis zur Bundestagswahl

75 Tage vor der Bundestagswahl am 26. September läuft heute die Frist für die Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen eine Feststellung des Bundeswahlausschusses aus, die Parteien an der Einreichung von Wahlvorschlägen hindert. Bei Telepolis werden uns in den kommenden Wochen auch den kleineren Parteien widmen, die sich bewerben oder die es nicht geschafft haben. Dabei stellt sich auch die Frage, welchen Sinn die Fünf-Prozent-Hürde hat; inwieweit sie also ein Instrument zu Wahrung der Demokratie ist – oder den demokratischen Wettbewerb zugunsten etablierter Kräfte verhindert.

Mit der Krise der Medien und den Umbrüchen der Informationsgesellschaft befasst sich in dieser Woche der Jurist und Politologe Wolfgang Lieb. "Was für die Bildung der öffentlichen Meinung noch entscheidender ist: Bei den 14- bis 29-Jährigen erreicht das Internet ein potenzielles Meinungsbildungsgewicht von über 60 Prozent, bei den 30- bis 49-Jährigen um die 42 und bei der Alterskohorte ab 50 Jahre nur noch rund 15 Prozent", so Lieb.

Für die Hälfte der 14- bis 29-Jährigen bestimmte Plattformen wie Google Search, YouTube, Facebook, Intragram und WhatsApp und andere Medienintermediäre, welche Informationen zum Zeitgeschehen wahrgenommen werden. Dabei vereinen der Google-Mutterkonzern Alphabet und Facebook, zusammen mit seinen Konzerntöchtern Instagram und YouTube fast 86 Prozent des potenziellen Meinungsbildungsgewichts.

Solche Beobachtungen sind nicht nur für die Medienbranche (und auch für uns bei Telepolis) wichtig, sondern haben eine gesamtgesellschaftliche Relevanz. Wir widmen dem Thema daher einen ausführlichen Zweiteiler und sind gespannt auf die Debatten.

Bis dahin, bleiben Sie uns gewogen, Ihr

Harald Neuber