Rolling-Stone-Journalistin wegen böswilliger Verleumdung verurteilt

Seite 2: Du lässt mich im Stich

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Aus eigener Erfahrung kann gesagt werden, dass sich eine Vielzahl von Menschen an Journalisten wendet und die eigene Geschichte erzählt, sich wünscht, dass sie veröffentlicht wird. Diese Geschichte ist oft damit verknüpft, anderen die Schuld bzw. die Verantwortung für Erlebtes zuzuweisen. Sie enthält oft Übertreibungen, einseitige Betrachtungen, Auslassungen oder schlichtweg Lügen. Daten zu überprüfen, die anderen Beteiligten anzuhören und nicht zuletzt auch dann nachzuhaken, wenn es schmerzhaft wird, ist Aufgabe eines Journalisten. Dies führt öfter dazu, dass sich jene, die sich an einen Journalisten wenden, von diesem im Stich gelassen fühlen, wenn er entweder zur Recherche nicht in der Lage ist oder aber diese (auch auf Grund der fehlenden Bereitschaft des Kontaktierenden) unmöglich wird.

Es gibt beispielsweise unzählige Geschichten von Menschen, die von den Jobcentern sanktioniert werden und davon diese Geschichten erzählen können. Aber diese Geschichten müssen nicht unbedingt wahr sein. Die Gründe für die Sanktion können falsch dargestellt sein, die Mitarbeiter falsch porträtiert werden.

Ohne die Möglichkeit zu haben, sich hier weiter zu informieren, ist der Journalist nicht in der Lage, eine erlogene Geschichte von einer wahren Geschichte zu unterscheiden (sofern es nicht schon offensichtliche Lügen gibt, wie z.B. falsche Adress- oder Datumsangaben etc.). Dass die Kontaktierenden oft Angst haben, sich zu outen und Daten an den Journalisten weiterzugeben, ist verständlich - doch ohne dieses Entgegenkommen ist es nicht möglich, zu berichten - es sei denn, es soll nur eine Seite zu Wort kommen.

Glaubt den Opfern einfach

Frau Erdelys Verhalten ist aber nicht nur journalistisch gesehen kritikwürdig, es folgt auch einer Agenda, die da heißt "glaubt Opfern sexueller Gewalt einfach". Dies bedeutet jedoch, wie auch hier bereits dargestellt, dass schon von Anfang an die Rollen der Beteiligten vorgegeben sind: hier das Opfer, dort der Täter.

Die Vorstellung, dass es auch anders sein könnte, wird ausgeblendet - und somit schon das Blickfeld verengt. Das bereits angesprochene Mitgefühl macht es gerade auch Menschen, die nicht einmal aus Böswilligkeit, sondern z.B. aus psychischen Problemen heraus Geschichten erfinden, einfach, mit diesen Geschichten durchzukommen und im schlimmsten Fall eine Schneise der Vernichtung von Reputationen und Leben zu hinterlassen.

Selbstverständlich besteht diese Gefahr auch ohne das Zutun der Medien, doch es ist eben an den Medien, sich nicht zum Handlanger zu machen und stattdessen ihrer Aufgabe nachzukommen, die insbesondere auch einen kritischen Blick verlangt. Wie es auch die Polizei tun sollte, so sollten Journalisten stets auch davon ausgehen, dass das, was ihnen gesagt wird, falsch sein könnte. Auch ist die genaue Formulierung bei Aussagen, die lediglich laut einer Quelle getätigt wurden, wichtig da bereits ein paar Wörter darüber entscheiden ob ein Fakt oder eine Behauptung vorliegen.

Dieses Verfahren ist dabei keineswegs dazu da, Opfer sexueller Gewalt zu diskreditieren. Es eignet sich dafür, die Spreu vom Weizen zu trennen und somit auch falsche Artikel zu vermeiden, die letztendlich auch dazu führen, dass wirklichen Opfern sexueller Gewalt nicht geglaubt wird. Jackie und diejenigen, die entweder übertreiben oder lügen, die andere verleumden, sie sorgen dafür, dass die nächsten Opfer nicht mehr ernstgenommen werden weil sie eben jenen Futter geben, die sowieso hinter jeder Anzeige wegen Vergewaltigung nur psychisch kranke und/oder rachsüchtige Menschen sehen. Auch um dies alles zu vermeiden, muss derjenige, der über einen Fall berichtet, sich nicht von den eigenen Emotionen oder Gedankenwelten kontrollieren lassen.

Prangert Jackie an

Der Ruf, Jackie anzupangern, ist verständlich, doch sie ist die Quelle des Rolling Stone und sie nunmehr preiszugeben wäre nach dem bisherigen Desaster der Todesstoß für diese Publikation da dadurch ein Präzedenzfall für die Missachtung des Quellenschutzes entstünde. Der Rolling Stone tut gut daran, solchen Aufrufen nicht nachzukommen. Dass eine Quelle lügt ist nichts Neues, doch die journalistischen Grundsätze zu beachten sollte dazu führen, dass die Chance, selbst zum Sprachrohr des Lügners zu werden, sinkt und somit auch die Medien gerade bei solch wichtigen Themen wieder ernstgenommen werden. Dies wird im Fall von Vergewaltigungen zu Anfeindungen führen und zu einigen "Shitstorms", wie es heutzutage genannt wird, wenn sich Menschen medial zusammenfinden um über jemanden herzuziehen und ihn zu kritisieren und oft zu beleidigen, doch dies muss ausgehalten werden, wenn noch eine journalistische Qualität erhalten werden soll. Alles andere führt nur zu gelenkter Berichterstattung.

Verlierer allerorten

Der Fall "A rape on campus" zeigt auch, welche verheerenden Folgen sich aus der Missachtung der journalistischen Sorgfalt ergeben, denn es gibt auf allen Seiten nur Verlierer. Eine Studentenverbindung, deren Mitglieder als Vergewaltiger dastehen, die mit Beleidigungen, mit Drohungen und Sachbeschädigungen des Verbindungshauses sowie einer Reputationsschädigung dasteht, die sich über Jahre hinweg halten wird.

Eine Universitätsmitarbeiterin, die mit Todesdrohungen zu leben hatte und deren Engagement für die Opfer sexueller Gewalt überschattet wird von dem,, was ihr im fraglichen Artikel zur Last gelegt wurde. Eine Journalistin, deren bisherige Tätigkeit nicht mehr zählt und die nach dem Artikel kaum mehr mit wichtigen Themen betraut wird und werden wird, ihre Redakteure und sonstigen Verantwortlichen, die ihre Glaubwürdigkeit auf lange Zeit beschädigt haben.

Die Opfer sexueller Gewalt, die nunmehr mit Kommentaren wie "ach ja, so ein Opfer wie Jackie oder die Frau, die Horst Arnold hinter Gitter brachte" Unglauben, Hohn und Spott ausgesetzt sind und nicht zuletzt die Medien allgemein, deren beschädigtes Image weiter mit solchen Ereignissen wie dem Jackie-Artikel verknüpft werden wird. Verlierer, die schlichtweg nicht hätten Verlierer sein müssen, wenn nicht mittlerweile eher geglaubt als recherchiert wird.