Rückbau-Bankrott: Betreiber von Thorium-Reaktor in Hamm vor der Insolvenz
Thorium-Reaktor-Betreiber in Hamm am Abgrund. Rückbaukosten übersteigen Finanzierung. Droht nun ein radioaktives Erbe ohne Verantwortliche?
Der Rückbau von Kernkraftwerken fällt offensichtlich viel teurer aus als bislang erwartet. Dadurch ist zu erwarten, dass diese Kosten die Finanzkraft der ehemaligen Betreiberfirmen übersteigen und als Ausweg nur noch die Insolvenz übrig bleibt.
Mit dem Bau des Thorium-Hoch-Temperatur-Reaktors THTR-300, meist kurz HTR, wurde ein Konsortium aus den Firmen BBC, Krupp Reaktorbau und Nukem beauftragt. Auf Initiative der damaligen Bundesregierung und des Landes NRW begann der Bau der Anlage 1971. Eingeweiht wurde das Kraftwerk vom damaligen Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber am 13. September 1983.
Rund 60 Prozent der Baukosten trug damals der Bund, den Rest das Land NRW und die Gesellschafter. Der HTR in Hamm/Uentrop war der einzige seiner Art in Deutschland, der von Forschern aus NRW entwickelt wurde. Umstritten war er nicht zuletzt aufgrund einer Zahl von Störfällen und einer möglichen waffentechnischen Nutzung des Brennstoffes. Am 29. September 1988 erfolgte die Außerbetriebnahme.
Während sich einige Stadtwerke noch rechtzeitig aus der Betriebsgesellschaft des heliumgekühlten Kugelhaufen-Hochtemperaturreaktors verabschieden konnten, konnten andere diese Reißleine nicht mehr ziehen.
Aktuell sieht die Liste der Gesellschafter der Hochtemperatur-Kernkraftwerk GmbH (HKG) wie folgt aus:
- RWE Power: 31 Prozent
- Gemeinschaftskraftwerk Weser (E.ON Kernkraft, Stadtwerke Bielefeld): 26 Prozent
- Mark E: 26 Prozent
- Gemeinschaftswerk Hattingen (WSW Wuppertaler Stadtwerke, RWE Power): 12 Prozent
- Stadtwerke Aachen: 5 Prozent
RWE Power wurde auf dem Umweg über die Fusion der Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen (VEW) Gesellschafter.
Wie ist der Rückbau derzeit geplant?
Ursprünglich war vorgesehen, im Jahr 2028 mit den Vorbereitungen zum Abbruch des Millionengrabs in Hamm/Uentrop zu beginnen und das stillgelegte Kraftwerk ab Ende 2030 zurückzubauen, wofür mindestens zehn Jahre veranschlagt wurden. Noch ist aber nicht geklärt, wie die Zwischen- und Endlagerung von leicht und stark verstrahlten Reaktorbauteilen erfolgen soll.
Die aktuelle Kostenabschätzung scheint die Gesellschafter der Hochtemperatur-Kernkraftwerk (HKG) offensichtlich zu überfordern und so haben sie zuletzt auf Kostenübernahme durch Land und Bund geklagt, waren damit jedoch vor Gericht bislang nicht erfolgreich.
Ihre Klage ist vom Gericht abgewiesen worden. Eine Verpflichtung zur Erstattung der Kosten bestehe nicht, wie die 10. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf mitteilte. Eine derart unbegrenzte Haftung folge nicht aus dem zwischen den Parteien im Jahr 1989 geschlossenen Rahmenvertrag. Das Urteil ist allerdings bisher nicht rechtskräftig.
In der Folge dieses Urteils erklärte die Betreibergesellschaft, dass sie nun vor der Situation einer ungeklärten Finanzierung der Restabwicklung des einst von Bund und Land NRW initiierten und vorangetriebenen Forschungsprojektes stehe.
Die Tatsache, dass das Kraftwerk stillgelegt wurde, bedeutet nicht, dass keine laufenden Kosten für den Erhaltungsbetrieb anfallen. Seit der Stilllegung des Reaktors sind bislang 441 Millionen Euro an derartigen Kosten angefallen.
Rückbau wird viel teurer als geplant
Ursprünglich hatte man für den Rückbau des Kugelhaufenreaktors 350 Millionen Euro eingeplant. Vor drei Jahren nannte die NRW-Landesregierung dann auf Anfrage Gesamtkosten von 753 Millionen Euro. Aufgrund der inzwischen realisierten Preissteigerungen wird mit Kosten in Milliardenhöhe gerechnet. Dies dürfte die Gesellschafter, die derzeit auch mit dem Ausbau der Netze belastet sind, wohl finanziell überfordern.
Die benötigten Rückstellungen bei den Gesellschaftern sorgen dort für rote Zahlen in der Bilanz, was letztlich auch die Finanzierung des Netzausbaus signifikant verteuern dürfte und somit die Energiewende in ihren Versorgungsgebieten auf wackelige Beine stellt.
Jetzt steht die Betreibergesellschaft offensichtlich vor der Insolvenz. Es ist damit zu rechnen, dass die Gesellschafter beim HTR sich rechtzeitig erfolgreich aus der wirtschaftlichen Verantwortung zurückgezogen haben.
Die Betreibergesellschaft hat wohl der zuständigen Atomaufsicht des Landes mitgeteilt, dass ihre finanzielle Liquidität akut gefährdet sei und man beabsichtige, in den nächsten Wochen einen Insolvenzantrag zu stellen. Mit einer Insolvenz wäre die Pflicht zur Übernahme der Rückbaukosten jedoch gegenstandslos.
Die Anlagen einfach als Lost Places sich selbst zu überlassen, wie das mit zahlreichen Industrieruinen geschieht, dürfte auf wenig Zustimmung in der Bevölkerung stoßen. Wer würde für frei werdende Radioaktivität eines insolventen Unternehmens haften? Kurzfristig könnte man sich damit behelfen, wenn man die zulässigen Strahlungsgrenzwerte erhöhen würde. Eine dauerhafte Lösung wäre dies jedoch nicht.
Praktisch wird jetzt das Land Nordrhein-Westfalen in die Bresche springen müssen und Fachfirmen beauftragen, die statt der insolventen Betreibergesellschaft den Abriss der Anlage organisieren.
Die Kosten will man allerdings nur zwischenfinanzieren und dann an die Bundesregierung weiterreichen, wofür die Chancen wohl recht gut stehen, da das Land das Atomgesetz nur im Auftrag des Bundes ausführt. Man beruft sich dabei auf Artikel 104a Absatz 2 des Grundgesetzes. Dort steht, dass der Bund Ausgaben der Länder trägt, wenn sie im Auftrag des Bundes handeln.
Bis es zur Weiterreichung der beachtlichen Kosten kommt, dürfte allerdings die aktuelle Bundesregierung nicht mehr im Amt sein. Die Kosten werden somit gesichert einer politischen Konstellation auf die Füße fallen, die derzeit gegen die Ampel schießt.