Atommüll-Endlager in Deutschland: Warum der Standort erst 2074 feststehen könnte

radioaktiver Abfall in Fässern

(Bild: Dotted Yeti / Shutterstock.com)

Die Endlagersuche für Atommüll in Deutschland stockt gewaltig. Eine Studie geht von jahrzehntelangen Verzögerungen aus. Wie gefährlich wird es?

In einem halben Jahrhundert muss der Atommüll in Deutschland sicher endgelagert werden. Der Zeitraum, in dem dies geschehen muss, übersteigt die menschliche Vorstellungskraft bei Weitem. Je nach Halbwertszeit und Menge kann es Jahrmillionen dauern, bis ein radioaktives Element so weit zerfallen ist, dass von ihm keine für Mensch und Umwelt gefährliche Strahlung mehr ausgeht.

In Deutschland haben sich inzwischen 17.000 Tonnen hochradioaktiver Abfälle angesammelt, für die in einem wissenschaftsbasierten und transparenten Verfahren ein sicheres Endlager gefunden werden soll.

Die Suche nach diesem Endlager für hochradioaktiven Abfall stand vor sieben Jahren in den Startlöchern. Der Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen wurde am 5. Mai 2017 als ″Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle (Standortauswahlgesetz – StandAG)″ veröffentlicht. So wirklich aus den Startlöchern gekommen ist dieser von der damaligen Großen Koalition beschlossene Prozess noch heute nicht.

Der Verfahrensablauf erinnert inzwischen mehr an den Flughafen BER, den Bahnhof Stuttgart 21 oder den Deutschlandtakt der Bahn in extended version. Verantwortlich für die Endlagersuche ist das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE).

Das damals beschlossene Standortauswahlverfahren sieht einen mehrstufigen Prozess vor, in dem die Suche immer weiter auf einen Standort mit der bestmöglichen Sicherheit eingeengt wird. Ein wichtiger Bestandteil dabei ist, dass die Öffentlichkeit umfassend an dem Verfahren beteiligt werden soll.

Die Standortsuche dauert noch mindestens 50 Jahre

Jetzt wurde die ″Unterstützung des BASE bei der Prozessanalyse des Standortauswahlverfahrens (PaSta)″ vorgelegt. Darin haben das Öko-Institut und die Berliner Kanzlei Becker Büttner Held festgehalten, dass ein Standort für das gesuchte Endlager im Idealfall frühestens in 50 Jahren gefunden sein könnte, wenn nichts schiefgeht. Dabei geht es nur um die reine Standortentscheidung, nicht jedoch um die praktische Umsetzung eines Endlagers.

Das im Standortauswahlgesetz angepeilte Jahr 2031, so das Ergebnis von PaSta, sei ohne Planungsänderungen keinesfalls zu erreichen. Es sei mit jahrzehntelangen Verzögerungen zu rechnen: "Selbst bei einem idealen Projektverlauf ist davon auszugehen, dass das Verfahren nicht vor dem Jahr 2074 abgeschlossen werden kann", stellen die PaSta-Autoren fest.

Dabei wurde unterstellt, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen in keinem Punkt ändern. Eine Annahme, die angesichts der Tatsache, dass sich der Prozess bestenfalls über zehn Legislaturperioden erstrecken könnte, schon heute als gewagt bezeichnet werden muss.

″Bereits 2022 hatte das Umweltministerium aufgrund einer anderen Studie eingeräumt, das Datum 2031 sei wohl nicht zu halten. Damals wurde in der Untersuchung das Datum 2046 genannt. Das Ministerium erklärte nun, man arbeite bereits an Beschleunigungen und habe Fortschritte erzielt, die in der aktuellen Studie noch nicht berücksichtigt werden konnten″, so das Handelsblatt kürzlich.

Betriebsgenehmigungen der Zwischenlager laufen vor 2050 ab

Die hochradioaktiven Abfälle aus den stillgelegten Kernkraftwerken lagern derzeit in Zwischenlagern, meist an oder in der Nähe von Kernkraftwerksstandorten, deren Genehmigungen vor 2050 auslaufen. Die Lagerung erfolgt auch in Castoren, deren auf 40 Jahre befristete Betriebsgenehmigungen bisher mangels Alternativen auf gut Glück verlängert werden müssten.

Schon heute gibt es massive Probleme beim Rückbau der stillgelegten Kernkraftwerke, weil es auch gegen die Deponierung von freigemessenem, als nicht radioaktiv eingestuftem Bauschutt heftigen Widerstand der Anwohner der ausgewählten Bauschuttdeponien gibt.

Der zu erwartende Widerstand gegen ein Endlager dürfte wesentlich größer sein. Da in jedem Einzelfall mit Widerstand des betroffenen Bundeslandes und insbesondere der betroffenen Region zu rechnen ist, wird jetzt vorgeschlagen, die Anzahl der Regionen früher einzugrenzen und damit weniger Standorte intensiver zu untersuchen.

Frühere Eingrenzung der zu untersuchenden Standorte

Auf der Basis einer ersten Eingrenzung aus dem Jahr 2020 waren immer noch 90 möglichen Regionen verblieben, die weite Teile Deutschlands umfassen und aufwendig untersucht werden müssten.

Jetzt sucht die Politik nach Möglichkeiten, wie die Prüfzeiten stark verkürzt werden könnten. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) soll Ende 2027 Standortregionen vorschlagen, die in die nähere Auswahl kommen. Ob die BGE, welche auch mit den Endlagern Konrad und Morsleben sowie der Problemschachtanlage Asse II beauftragt ist, in der Öffentlichkeit für hohe Zustimmungswerte sorgen kann, darf bezweifelt werden.

Vielleicht wird die Politik auch von der Hoffnung geleitet, dass in 50 Jahren niemand mehr die Risiken der Atomkraft und damit der Endlagerung einschätzen kann, weil alle heute mit der Frage der Endlagerung befassten Personen, dann nicht mehr verfügbar sein dürften. Der Spiegel vom 7.8. 2024 brachte es wohl auf den Punkt: ″Die Behörden reagieren mit Schulterzucken″.