Rückkehr ins Mittelalter
Mit Zäunen und Mauern schotten sich Länder schon länger ab, Griechenland will nun Flüchtlinge auch mit einem Wassergraben abhalten
Die Welt ist ungerecht. Es gibt reiche und arme Länder. Wer in armen Ländern lebt, gerät in die Versuchung, sein Schicksal zu ändern und in die reicheren Länder zu kommen, um dort sein Glück zu machen, wo mehr Chancen vorhanden sind. Das war schon immer so. Völkerwanderungen haben die Welt verändert.
Einst haben die Chinesen versucht, anstatt mit Mauern um einzelne Städte ihr ganzes Land durch eine große und lange Mauer zu sichern und so Überfälle sowie Einwanderung zu verhindern. Im Kalten Krieg wurde zwischen Ost und West wieder eine Mauer gebaut, allerdings nicht zur Abwehr von einströmenden Migranten, sondern um zu verhindern, dass die Bevölkerung in den Westen flieht. Jetzt schließe sich die reichen Länder wieder hinter Mauern und teuren Grenzanlagen zurück.
Doch nach den gated communities tritt die Zukunftsvision der gated nations deutlicher hervor, Grenzschutzanlagen werden zudem zum Exportschlager. Israel gehört zu den Pionieren der gated nations. Die Israelis haben den Gaza-Streifen mit einer Hightech-Mauer eingezäunt (Hightech-Mauer am Gazastreifen), Ägypten hat mit einer Sperre sekundiert, bei der Eisenplatten 30 m tief in die Erde versenkt wurden, um den Bau von Tunnels zu verhindern. Israel baute zudem eine Mauer zum Westjordanland und will nun auch einen Zaun in der Wüste zu Ägypten errichten (Gated Nation: Israel errichtet 240 km langen Zaun an der ägyptischen Grenze). Zuvor hatte bereits Indien versucht, mit einem Zaun die Grenze zu Pakistan abzudichten. Den Vorbildern folgten die USA mit einem Tausende von Kilometern langen Zaun im Süden, auch wenn der Hightech-Zaun Schwierigkeiten bereitete und eingestellt wurde. Auch Saudi-Arabien will zur gated nation werden.
Die EU ist gleichfalls eine Festung, die sich mit realen und virtuellen Zäune gegen den Flüchtlingsstrom vor allem aus Afrika zu schützen sucht. Besonders betroffen sind die Außenposten wie Italien, Spanien und vor allem Griechenland (Der Marsch auf Europa - über die Türkei). Hier sollen über den für Schleuser und Flüchtlinge aus Asien oder Afrika sichereren Landweg, bei dem nur der Fluss Evros zwischen der Türkei und Griechenland überquert werden muss, bis zu 90 Prozent in die EU gelangen. Der Pleite-Staat Griechenland tut sich schwer, mit den Flüchtlingsmassen zurechtzukommen, die in Griechenland festsitzen, obgleich für die die Meisten das Land nur eine Durchgangsstation zu anderen Staaten sein sollte (Flüchtlingshölle Hell-As). Griechische Polizisten und Soldaten, unterstützt durch Mitarbeiter der EU-Grenzschutzbehörde Frontex, können angeblich die Grenze nicht effektiv kontrollieren.
Anfang Januar kündigte das "Bürgerschutzministerium" daher an, die Grenze zur Türkei an der offensten Stelle mit einem 10 km langen Zaun zu sichern (Griechenland will eine Mauer zur Türkei). Vorbild und Legitimation ist der US-Zaun an der Grenze zu Mexiko. Das aber scheint nun den Festungsbauern nicht mehr zu genügen. Es soll trotz aller technischen Möglichkeiten einer elektronisch überwachten Grenze nicht nur ein physischer Zaun errichtet werden, nun denkt man auch daran, zusätzlich oder stattdessen einen 120 km langen Wassergraben zu bauen. Begonnen wurde mit diesem bereits in geheimer militärischer Operation, bei Orestiada wurden bereits mehr fast 15 km angelegt, allerdings sollte er ursprünglich dazu dienen, das Hochwasser aus dem Fluss Evros zu bändigen und für bessere Bewässerung zu sorgen. Nun könnte der Wassergraben mit einer Breite von 30 m und einer Tiefe von 7 m auch dazu dienen, die Flüchtlingsmassen abzuhalten. Allerdings ist ein solcher Wassergraben für entschlossene Menschen, die bei Fahrten über das Meer ihr Leben riskieren, um in das europäische El Dorado zu gelangen, kein wirkliches Hindernis. Zusammen mit dem Zaun, der wie eine Mauer wirkt, wäre dies schon anders, würde aber auch unübersehbar einer Burganlage gleichen.
Die Überlegung mit dem Wassergraben, der womöglich weniger martialisch wirkt als ein doppelter Zaun aus Stahl und Stacheldraht, kommt zur selben Zeit wie die Ankündigung des Bürgerschutzministeriums, dass über den 5,5 Millionen Euro teuren, heftig kritisierten Grenzzaun noch einmal öffentlich diskutiert werden soll. Man könnte den Zaun also fallen lassen, dafür aber den weitaus längeren Graben erhalten. Angeblich würden die Schleuser und Flüchtlinge das erste Teilstück des Grabens bislang meiden. Das würde sich aber ändern, wenn der Graben länger wird. Dann müsste er wohl auch zusätzlich mit einem Zaun oder durch elektronische Anlagen gesichert werden - oder es bleibt bei einer symbolischen Konstruktion.
Vor einigen Jahren hatte Israel da schon "gründlicher" über einen Wassergraben nachgedacht, um den Gazastreifen abzudichten. Geplant war ein auf 250 Millionen USD geschätzter Graben zwischen dem Gaza-Streifen und dem ägyptischen Sinai: vier Kilometer lang, zwischen 15 und 25 Meter tief und zwischen 100 und 120 Meter breit. Der gigantomanische Graben sollte entweder mit Meerwasser geflutet oder mit Sensoren bestückt werden (Fernsteuerbare, mit Sensoren, Waffen, unbemannten Fahrzeugen und Drohnen ausgestattete Grenze). Bislang hat man das Projekt, obgleich mehrmals erwogen, nicht weiter verfolgt.