Rüstung im Deutschland-Tempo: Bundesregierung plant massiven Schub für heimische Industrie

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Die Übergänge zwischen problemlos auf dem ausländischen und damit vor allem US-amerikanischen Markt bestellbaren und den strikt europäisch zu beschaffenden Rüstungsgütern sind teils relativ fließend.

Perspektivisch scheint es das Ziel der Bundesregierung zu sein, hier das Pendel immer weiter von den USA hin zu europäischen Kooperationsprogrammen zu verschieben.

Das deckt sich im Übrigen mit der Anfang März 2024 vorgelegten europäischen Rüstungsstrategie EDIS, die das Ziel ausgibt, den Wert europäischer Beschaffungen von aktuell 22 Prozent (78 Prozent aller Rüstungsgüter werden also im Ausland bestellt, allein 63 Prozent aus den USA), auf 50 Prozent (2030) respektive 60 Prozent zu erhöhen.

Allerdings steht man sich hierbei etwas selbst im Weg, denn gleichzeitig will man bei den EU-Programmen, wenn schon nicht überall führen, so doch "mindestens auf Augenhöhe" agieren, was für andere ebenfalls an der Stärkung ihrer Industrien interessierte Länder nicht unbedingt eine große Motivationshilfe sein wird, sich in derartige Programme einzuklinken.

Auf diesen Widerspruch wurde auch im Handelsblatt hingewiesen:

In dem Papier versucht die Bundesregierung, einerseits mehr auf europäische Kooperationen und Synergieeffekte durch gemeinsame Beschaffungen zu setzen, andererseits die heimische Industrie zu stärken. So will sie sich dafür einsetzen, "die Fähigkeitsentwicklung und Beschaffungen kooperativer zu gestalten und damit die Nachfrage stärker europäisch zu bündeln". Gleichzeitig will sie bei internationalen Kooperationen eine Beteiligung der deutschen Industrie "mindestens auf Augenhöhe" sicherstellen.

Handelsblatt, 16.8.2024

So ambitioniert der Strategieentwurf außerdem auch daherkommt, viele der aufgeführten Vorhaben sind zunächst einmal Prüfaufträge oder relativ vage Absichtserklärungen, ob, wie und wann sie sich umsetzen lassen, steht aktuell noch in den Sternen.

Eine Hürde dürfte dabei sein, dass alle Maßnahmen nicht zuletzt unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt wurden:

Zwei Jahre nach Verabschiedung will die Bundesregierung überprüfen, ob mit der Strategie die angestrebten Ziele auch wirklich erreicht werden. Außerdem stellt sie fest, dass die Umsetzung im "Rahmen der Haushalts- und Finanzplanung" erfolge - also nur dann, wenn der Bundestag auch ausreichend Finanzmittel bereitstellt, um beispielsweise Kapazitätsvorhalteprämien oder langfristige Bestellungen auch finanzieren zu können.

Handelsblatt, 16.8.2024

Trotzdem bekundet der Entwurf die Absicht der Bundesregierung, die deutsche Rüstungsindustrie umfassend zu stärken. Inwieweit die diesbezüglichen Versuche von Erfolg gekrönt sein werden, muss sich allerdings erst noch erweisen.