Kanonen oder Butter? Alte Fragen zum Anti-Kriegstag 2024

Panzer mit "IG-Metall"-Aufdruck, darauf Friedenstaube mit DGB-Flagge

Vor Anti-Kriegstag 2024 flammt Debatte um Rüstung neu auf. Regierung priorisiert Rüstung vor Sozialem. Kommt jetzt die Gretchenfrage der Gewerkschaften?

Traditionell ist der 1. September Anti-Kriegstag. In Zeiten der Aufrüstung hat dieser Tag eine besondere Bedeutung. Diskussionen über die politische Ausrichtung wollen politische Verantwortliche in Kriegszeiten vermeiden.

Verteidigungsminister Boris Pistorius sieht die Stationierung von Langstreckenwaffen in der Bundesrepublik als "echte Abschreckung", die Frieden sichere. "Aber es ist originär kein Thema, was zuvor im Parlament diskutiert werden müsste", so der Minister.

Der Großteil der medial verbreiteten Einschätzungen geht davon aus, dass ein Waffenstillstand in der Ukraine durch Abschreckung und ohne einhergehende Aufforderung zum Eintritt in Abrüstungsverhandlungen gelingen kann.

DGB kritisiert Rückfall in alte militärische Denkmuster

Mit der Erklärung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum Antikriegstag kritisieren die Gewerkschaften, dass in vielen Ländern die Politik in diese alten Denkmuster zurückfalle und "mit bewaffneten Interventionen und militärischer Unterstützung" antworte:

Wir Gewerkschaften erinnern anlässlich des diesjährigen 75. Geburtstags des Grundgesetzes daran, dass Frieden nicht mit immer mehr Waffen erreicht werden kann. […]

Völlig unzureichend bleibt hingegen das Eintreten Deutschlands für Abrüstung, Rüstungs- und Rüstungsexportkontrolle. Hierzu erwarten wir neue Initiativen auf europäischer und internationaler Ebene.

[Gewerkschafter] stehen solidarisch zusammen in unserem Einsatz für eine offene und vielfältige Gesellschaft, für unsere demokratischen Werte, für Freiheit und soziale Gerechtigkeit – als zentrale Voraussetzungen für dauerhaften und echten Frieden

DGB

Forderungen an die gewerkschaftliche Praxis werden dabei nicht erhoben. Führende Vertreter der IG Metall zeigen sich derzeit dagegen verstärkt als Waffenlobbyisten: Ein Konzept zur Stärkung der Rüstungsindustrie fordern die Metaller gemeinsam mit dem SPD-Wirtschaftsforum und dem Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in einem Positionspapier:

Der Ukraine-Krieg zeigt einmal mehr, wie wichtig – gerade bei der Landes- und Bündnisverteidigung – vernetzte und zur Kollaboration befähigte Streitkräfte sind.

IG Metall

Diese Sozialpartnerschaft soll "die Leistungsfähigkeit der Industrie" sichern und ihre "Möglichkeiten zur Entwicklung und Produktion" steigern.

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Friedenspolitische Gewerkschaftskonferenz fordert alternative Strategien

Gewerkschaftsaktivisten forderten eine andere Politik auf der Friedenspolitischen Gewerkschaftskonferenz, die im Juni der ver.di Bezirk Stuttgart und die Rosa-Luxemburg-Stiftung veranstalteten.

Die Basisaktivisten fordern, über die Blockade von Rüstungslieferungen zu diskutieren, der DGB-Vorstand geht in seinem Aufruf dazu nicht ein. Die Bedenken vieler Konferenzteilnehmenden, dass die steigenden Militärausgaben zur Kürzung von Sozialausgaben genutzt werden, bestätigen sich aktuell.

Die Diskussion um den Bundeshaushalt innerhalb der Regierungskoalition zeigt, wie weit Einschränkungen aufgrund steigender Rüstungskosten gehen. Klar beschreibt die Folgen Clemens Fuest, Chef des ifo-Instituts:

Wenn man mehr für das Militär ausgeben musste, dann blieb eben weniger für andere Dinge.

In einer Diskussionsrunde im ZDF betonte er, wie Militärausgaben zur Kürzung genutzt werden: "Kanonen und Butter – es wäre schön, wenn das ginge. Aber das ist Schlaraffenland, das geht nicht". Auf diese Argumente geht der DGB in seiner Erklärung nicht ein.

Dabei bemängelte der DGB Niedersachsen bereits vor Jahren, das ifo-Institut lehne "ohne Substanz" eine Vermögenssteuer ab.

DGB Niedersachsen: Kritik an ungleicher Vermögensverteilung

Denn das Nettovermögen ist extrem ungleich verteilt. Die eine Hälfte der Bevölkerung besitzt so gut wie nichts. Auf die Vermögendsten zehn Prozent entfallen dagegen beinahe zwei Drittel des gesamten Reichtums, auf die Top-1-Prozent sogar fast 30 Prozent, so der DGB-Landesverband.

Die Bundesrepublik hat der Nato für das laufende Jahr geschätzte Verteidigungsausgaben von 90,6 Milliarden Euro gemeldet, davon 51,95 Milliarden Euro aus dem regulären Verteidigungshaushalt. Sie erreicht damit derzeit klar das Zwei-Prozent-Ziel des Bündnisses, meldet die Tagesschau.

Steigende Subventionen für DAX-Konzerne trotz Rekordgewinne

Genügend staatliche Gelder gibt es aber nicht nur für Rüstung, sondern für auch Konzerne hierzulande. Wie das TV-Magazin Monitor unter Bezug auf eine Analyse des Flossbach von Storch Research Institute berichtet, sind in den letzten fünf Jahren sind nicht nur die Gewinne der 40 DAX-Konzerne, sondern auch die Subventionen gestiegen. Allein 2023 flossen mindestens 10,7 Milliarden Euro an die deutschen DAX-Unternehmen. Fast doppelt so viel wie im Vorjahr.

Davon profitiert hat etwa der Energiekonzern E.ON seit 2016 mit 9,3 Milliarden Euro. Das Unternehmen erhielt aufgrund der Strompreisbremse und des Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetzes besonders hohe Zahlungen und Investitionszuschüsse. E.ON hat deswegen in der Nettobetrachtung in den vergangenen acht Jahren "keinen Beitrag zu den öffentlichen Kassen geleistet", so das Institut.