Russischer Journalist nach Angriff lebensgefährlich verletzt
Vermutlich wird der Prozess, der vor dem Militärgericht gegen die des Mordes an Politkowskaja angeklagten Verdächtigen begonnen hat, nicht die wahren Hintergründe aufdecken
Über zwei Jahre ist es nun her, dass die russische Journalistin Anna Politkowskaja im Aufzug ihres Moskauer Wohnhauses erschossen wurde (Der Tod des freien Wortes). Es war ein Mord, der vor allem hier im Westen für viele Schlagzeilen gesorgt hat, da er nicht nur erneut die gefährlichen Bedingungen aufgezeigt hat, unter denen russische Journalisten arbeiten und leben müssen, sondern auch einiges über die politische Situation in Putins Russland ausgesagt hat. Nicht wenige westliche Medien und Politiker, aber auch so manche russische Oppositionelle, vermuteten gleich den Kreml hinter der Tat.
Um der Kritik entgegenzutreten, versprach Putin während eines Besuchs in Deutschland im Oktober 2006 dem Westen eine rasche Aufklärung des Mordes an der Journalistin der Novaja Gazeta, die unabhängig von den staatlichen Organen eigene Ermittlungen durchführte. Im August vergangenen Jahres verkündete die Ermittlungsbehörde die Verhaftung von 10 Verdächtigen und erklärte den Fall für abgeschlossen. Als die eigentlichen Drahtzieher der Tat bezeichnete die Staatsanwaltschaft jedoch nicht die Verhafteten, sondern den Vertreter der tschetschenischen Separatistenregierung Chosch-Ahmed Nuchajew und den im Londoner Exil lebenden Ex-Oligarchen Boris Beresowskij. Vorwürfe, die zumindest Beresowskij umgehend zurückwies.
Von den vor einem Jahr verhafteten 10 Tatverdächtigen müssen sich seit diesem Montag nur noch vier mutmaßliche Täter vor Gericht verantworten. Doch die vier Männer gelten nicht als die eigentlichen Mörder Politkowskajas. Den drei Tschetschenen Sergej Hadschikurbanow und den Brüdern Dschabrail und Ibrahim Machmudow wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen, der mitangeklagte ehemalige Geheimdienstmann Pawel Rjagusow, dem bisher keine direkte Beteiligung an der Tat nachgewiesen werden konnte, muss sich für eine Gelderpressung, die er mit Hadschikurbanow begangen haben soll, sowie für die Weitergabe der Adresse Politkowskajas an die Täter verantworten. Der angeblich eigentliche Mörder Rustam Machmudow, Bruder der beiden in Moskau angeklagten Machmudows, soll sich in Westeuropa verstecken und wird von Interpol gesucht.
Viele Kollegen der ermordeten Journalistin bezweifeln jedoch, dass der Prozess, der wegen Rjagusows Zugehörigkeit zum Inlandsgeheimdienst vor dem Moskauer Militärgericht geführt wird, die eigentlichen Hintergründe des Mordes aufdeckt. Doch einen kleinen Erfolg konnten die Kritiker des Prozesses bereits am Montag feiern. Gegen den Willen der Staatsanwaltschaft erklärten die Richter die Verhandlungen für öffentlich. „Wenn aber von irgendeiner Seite Druck auf die Geschworenen ausgeübt wird, wird der Prozess für die Öffentlichkeit geschlossen“, mahnte am Montag der Richter.
Update: Wie die Nachrichtenagentur Ria Novosti berichtet, findet nun der Prozess doch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Grund ist, dass die Gschworenen sich geweigert hatten, den Gerichtssaal zu betreten, solange Journalisten anwesend sind.
Diese neue Offenheit bedeutet jedoch nicht, dass sich die Arbeitsbedingungen für die russischen Journalisten in den letzten zwei Jahren gebessert hätten. Während sich die Angeklagten vor dem Moskauer Militärgericht für die Tatbeteiligung am Politkowskaja-Mord verantworten müssen, kämpft der Journalist Michail Beketow in der russischen Hauptstadt um sein Leben. Mit einem Schädelbruch, Gehirnerschütterung, Unterschenkelbruch und zahlreichen Blutergüssen liegt der Chefredakteur der Chimkinskaja Prawda, dem bereits ein Bein amputiert werden musste, auf der Intensivstation der Sklifossowski-Klinik.
Am 13. November wurde der Journalist vor seinem Haus in Chimki, einer Moskauer Vorstadt, überfallen und lebensgefährlich verletzt. Als Grund für die Tat wird Beketows kritische Berichterstattung über die Abholzung der Waldgebiete rund um Chimki vermutet, die den Lobbyisten missfiel und dem umweltbewussten Journalisten deshalb wohl zum Verhängnis wurde. Ebenfalls zum Verhängnis wurde dem Journalisten Magomed Jawlojew seine kritische Berichterstattung. Am 31. August wurde der in Inguschetien arbeitende Journalist unter bisher nicht geklärten Umständen durch einen Kopfschuss ermordet.