Russland demonstriert Gelassenheit gegenüber Sanktionen

Seite 3: Können russische Gegensanktionen schmerzen?

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Am 20. April wurde in der russischen Duma ein Gesetzentwurf für Gegensanktionen gegen die USA eingebracht. Der Entwurf soll am 15. Mai beraten werden. Das Gesetzprojekt sieht vor, die Einfuhr folgender Produkte aus den USA zu verbieten: Landwirtschaftliche Produkte, Alkohol, Rauchwaren, Medikamente. Außerdem ist beabsichtigt, die Zusammenarbeit mit den USA in den Bereichen Atom, Flugzeugbau und Raketentriebwerke einzustellen.

Russland importierte im letzten Jahr Waren im Wert von 17 Milliarden Dollar aus den USA, während die USA nur Waren im Wert von sieben Milliarden Dollar aus Russland importierten. Doch es gibt einige Bereiche, bei denen russische Gegensanktionen für die USA sehr schmerzhaft wären. 21 Prozent des Titan, welches die USA 2016 importieren, stammt aus Russland. Insbesondere Boing ist von russischem Titan abhängig. Viele Einzelteile aus Titan werden für den Boeing 787 Dreamliner in Fabriken im Ural projektiert und hergestellt. Wenn der Export von Titan in die USA eingestellt wird, kämen 20.000 Beschäftigte in der russischen Titan-Verarbeitung in eine sehr schwierige Lage, schreibt "Komsomolskaja Prawda".

Es gibt noch ein anderes Produkt, mit dem Russland den USA Probleme bereiten kann. Die nordwestlich von Moskau gelegene Fabrik Energomasch produziert für die US-Raketen Atlas und Antares RD 180/181-Triebwerke. Etwa die Hälfte der Einnahmen von Energomasch stammt aus Aufträgen aus dem Ausland, insbesondere aus den USA. Sollten die Lieferungen an die USA eingestellt werden, müsste ein Teil der 4.000 Beschäftigten entlassen werden, schreibt das Blatt.

Schwierig ist die Lage bei den Medikamenten, die Russland aus den USA bezieht. Wichtig für Russland sind insbesondere Medikamente für HIV-Infizierte, gegen Krebserkrankungen und Hepatitis C. Zwar gibt es für die insgesamt 220 Medikamente 130 ähnliche Produkte aus russischer Produktion. Doch die seien nicht immer so wirksam wie die amerikanischen, so die Komsomolskaja Prawda.

Keine neuen Verträge mehr im Raumfahrt- und Atom-Sektor

Die russische Regierung wies die staatlichen Raumfahrt- und Atom-Unternehmen Roskosmos und Rosatom bereits an, keine Verträge mehr mit Firmen aus Ländern zu unterschreiben, die sich an Sanktionen gegen Russland beteiligen. Den USA wird dadurch der Zugang zu der Technologie für ein Weltraum-Modul versperrt, welches für das internationale Weltraumprojekt Deep Space gebraucht wird.

Die Moskauer Tageszeitung Kommersand schreibt, dass der Raumfahrtsektor ein Bereich ist, wo es bisher, trotz der Sanktionen, eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Russland und den westlichen Staaten gibt. Immerhin ist Russland für den Transport von US-Astronauten zur internationalen Raumstation zuständig.

Möglich ist nach Meinung der Komsomolskaja Prawda, dass die russische Regierung beschließt, kein angereichertes Uran für Atomkraftwerke mehr an die USA zu liefern. Das wäre für die USA ein empfindlicher Schlag, denn die Amerikaner importieren 95 Prozent des für Atomkraftwerke benötigten angereicherten Urans. Die Hälfte dieses angereicherten Urans kommt aus Russland und Kasachstan.

Zahl der russischen Milliardäre gestiegen

Moskauer Spitzenbeamte geben sich gegenüber den neuen Sanktionen gelassen. Der Markt werde sich auf die neuen Bedingungen einstellen, heißt es. Genauere Prognosen wollten die Beamten nicht abgeben. Die Regierung hält weiter am Wachstumsziel von zwei Prozent für dieses Jahr fest. Doch viele Experten gehen davon aus, dass es ein Null-Wachstum gibt. Wichtigste Einkommensquelle Russlands ist nach wie vor der Öl- und Gassektor. Da der Ölpreis gestiegen ist und nach Prognosen bis Oktober weiter steigen wird, kann Russland die Wirtschaftssanktionen abfedern.

Die von den Sanktionen betroffenen russischen Großunternehmer verloren durch den Aktiensturz ihrer Unternehmen zwölf Milliarden Dollar, berichtete die Moskauer Wirtschaftszeitung Wedomosti.

Um den von Sanktionen betroffenen Unternehmern zu helfen, plant die russische Regierung in Kaliningrad und in der Nähe von Wladiwostok Offshore-Zonen zu schaffen, wo Geschäftsleute, die ihr Geld zurück nach Russland bringen wollen, dies schnell und ohne Steuerzahlungen verwirklichen können. Das berichtete die Zeitung Wedomosti unter Berufung auf eine anonyme Quelle.

Während die russische Bevölkerung seit vier Jahren Einkommensverluste hinnehmen muss, sieht es für die ganz reichen Russen insgesamt nicht schlecht aus. Aus der gerade veröffentlichten neuen Forbes-Liste geht hervor, dass die Zahl der Dollar-Milliardäre in Russland von 96 auf 101 Personen gestiegen ist. Die Tageszeitung Mokowski Komsomolez kommentiert mit Spott, dass diejenigen welche die derzeitige Krise gut überstehen, nun auch noch Hilfe von der Regierung für die Verluste fordern, die ihnen durch die Sanktionen entstanden sind. "Alles für sie, unsere Lieben: Dass nicht, Gott behüte, ihr Vermögen wankt, damit Mütterchen Russland seine beneidenswerten Vertreter im Rating der Reichen verliert."