Russland und Türkei – unheilvolle Partner
Seite 4: Türkei untergräbt Sanktionen gegen russische Oligarchen
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Dass Erdogan und Putin ‚Freunde‘ sind, ist bekannt. Leider ist in unseren Medien kein Thema, dass die Türkei im Krieg gegen die Ukraine ein doppeltes Spiel spielt. Während Erdogan versucht, sich durch Vermittlungsgespräche zwischen Russland und der Ukraine als Friedenstaube zu inszenieren, bietet sich die Türkei gleichzeitig als sicheren Hafen für russische Oligarchen an, die von den USA und Europa sanktioniert werden. Nach einer Meldung von ntv hieß der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu russische Oligarchen in der Türkei willkommen.
Auf der Flucht vor Sanktionen suchten die Oligarchen sichere Häfen für ihre Superyachten. Mehrere dieser Häfen liegen in der Türkei. So floh beispielsweise die 1,2 Milliarden Dollar teure Yacht ‚Eclipse‘ des russischen Oligarchen Roman Abramovich, für die die Europäische Union (EU) und England Sanktionen verhängt haben, aus der Karibik nach Marmaris, während die andere Yacht ‚Solaris‘ in Bodrum angelegt hat. Die Yacht ‚Universe‘ des ehemaligen russischen Ministerpräsidenten und stellvertretenden Vorsitzenden des russischen Nationalen Sicherheitsrates Dimitri Medwedew legte zuerst in Marmaris an und nahm dann Kurs nach Istanbul auf. Die 70 Meter lange Superyacht Polaris, die dem russischen Millionär Maxim Shubarev mit maltesischer Staatsbürgerschaft gehört, liegt in der Göcek Marina in Fethiye vor Anker.
Mit der Erklärung der Türkei "Wir werden keine Sanktionen verhängen" tat sich für russische Oligarchen die Möglichkeit auf, Teile ihres Vermögens in der Türkei zu sichern. Angesichts ihrer desolaten ökonomischen Lage lässt sich die Türkei dies wahrscheinlich gut bezahlen. Da in der Türkei Regierung und Mafia hervorragend vernetzt sind, werden sich Wege finden, wie die russischen Oligarchen nicht allzu sehr unter den Sanktionen zu leiden haben.
Bahadir Özgur, ein türkischer Journalist, der sich auf die Aufdeckung organisierter Kriminalität spezialisiert hat, berichtet in Al Monitor, die Türkei sei ein ‚Himmel für Gangster‘. "Es gibt keinerlei Finanzprüfung, und die Institutionen, die solche Funktionen erfüllen sollen, sind mit regierungsnahen Personen besetzt, die tun, was ihnen gesagt wird". Obwohl es Gesetze zur Bekämpfung von Finanzkriminalität gebe, würden sie nicht durchgesetzt. Hochrangige Persönlichkeiten von Erdogans Partei AKP seien in verschiedene illegale Aktivitäten verwickelt, berichtet das Organized Crime and Corruption Reporting Project. Die Organisation enthüllte Verbindungen zwischen Erdogans Familie und dem aserbaidschanisch-türkischen Oligarchen Mubariz Mansimov Gurbanoglu, der Erdogans Schwager einen Öltanker im Wert von mehreren Millionen Dollar schenkte.
Im letzten Jahr wurde die Türkei von der internationalen Einrichtung zur Bekämpfung der Geldwäsche, der Financial Action Task Force (FATF), auf die graue Liste gesetzt, da der türkische Bau- und Bankensektor besonders besorgniserregend sei, ebenso wie Gold- und Edelsteinhändler, die mit Terrorismusfinanzierung in Verbindung gebracht würden. Transparency International, das die globale Korruption überwacht, berichtete im Januar, dass die Türkei in ihrem Corruption Perceptions Index auf Platz 96 von 180 Ländern gefallen sei und 38 von 100 Punkten auf einer Skala erzielt habe, bei der eine Punktzahl von null auf einen hochgradig korrupten Staat hinweist. Der globale Durchschnitt liegt bei 43.
Der türkische Staatskreditgeber Halkbank wurde von einem US-Bundesgericht wegen seiner zentralen Rolle bei der Erleichterung eines Multimilliarden-Dollar-Gold-für-Öl-Programms zur Umgehung von US- Sanktionen gegen den Iran angeklagt. Gonul Tol, Gründungsdirektor des Türkei-Programms des Nahost- Instituts sagte: "Es wird Druck auf Ankara geben, die Sanktionen einzuhalten, und eine verstärkte Kontrolle der türkischen Banken durchzuführen, um sicherzustellen, dass sie nicht gegen Sanktionen verstoßen. Russische Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen, die die Türkei nutzen, um Sanktionen zu umgehen, werden sicherlich mehr Aufmerksamkeit auf die Aktionen der Türkei lenken".
Die Türen für Russland sind in der Türkei aber derzeit weit geöffnet. Nicht zuletzt, weil Putin die Türkei erpressen und gefügig machen kann: die Friedrich-Naumann-Stiftung analysiert mit Verweis auf den Syrienkrieg: "Die wahre Achillesferse liegt im syrischen Idlib, das mit russischem Einverständnis als verbliebene Rebellenhochburg de facto unter türkischem Protektorat steht. Gäbe Putin grünes Licht für einen Angriff durch Assads Kräfte, könnten zwei bis drei Millionen weitere Menschen in die Türkei fliehen - angesichts der bereits starken Flüchtlingsfeindlichkeit wäre dies für die Regierung innenpolitisch kaum zu verkraften."
Daher konterkariert Präsident Erdogan die Bemühungen der EU, die russische Regierung zu isolieren. So können russische Bürger mit ihren Bankkarten problemlos auch weiterhin Geld in der Türkei abheben. Im Schatten des Ukraine-Krieges sichert sich die Türkei zudem neue Pipeline-Projekte mit Russland, während in der EU nach Wegen gesucht wird, sich von den russischen Gaslieferungen unabhängig zu machen. Auch die Türkei ist von russischen Gaslieferungen in großem Maße abhängig. Hinzu kommt, dass die Türkei zwei Drittel der Weizenimporte aus Russland bezieht.
Angesichts der bevorstehenden Wahlen 2023 und der desaströsen Wirtschaftslage ist der türkischen Regierung bewusst, dass Engpässe in der Versorgung der Bevölkerung mit Brot nicht passieren dürfen. Auch der russische Türkei-Tourismus stände auf dem Spiel, wenn Erdogan sich der Politik der EU und der USA anschließen würde. 2021 machten 4,7 Millionen Russen in der Türkei Urlaub. Sie sind damit die größte Touristengruppe in der Türkei und für die türkische Tourismusindustrie überlebenswichtig.
Während sich europäische Unternehmen aus Russland verabschieden, engagiert sich die türkische Bauindustrie dort weiter. "Das Gesamtvolumen der Bauprojekte türkischer Unternehmen in Russland erreicht bald die Marke von 100 Milliarden Dollar. Vom Lakhta Center in Sankt Petersburg bis zum Federation Tower in Moskau, zwei der höchsten Gebäude in Europa, reicht die Baupräsenz der Türken in Russland," berichtet ntv. Es ist davon auszugehen, dass türkische Unternehmen in die Lücke der aufgegebenen oder auf Eis gelegten wirtschaftlichen Aktivitäten in Russland springen werden. Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die die Bundesregierung berät, analysiert die strategische Linie Erdogans so: "Den Westen und Russland gegeneinander auszuspielen gilt als eines der Hauptprinzipien der Außenpolitik Ankaras."
Solidarität mit Europa und mit der Ukraine sieht anders aus!
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