SETI und das stellare Rauschen im "Äther"

Die Suche nach außerirdischen Funkbotschaften könnte für immer erfolglos bleiben, behauptet ein deutsch-amerikanisches Forscherteam

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Nein, bislang verirrte sich kein außerirdisches Strandgut ans Erdufer, von dem aus die SETI-Radioastronomen (Search for Extraterrestrial Intelligence/Suche nach außerirdischen Intelligenzen) seit Jahren nach Radiobotschaften ferner Kulturen Ausschau halten. Kein Wunder, denn eine Radio-Flaschenpost aus dem kosmischen Wellenozean zu fischen, ist ein aussichtsloses Unterfangen, weil eine extraterrestrische Funknachricht von dem thermischen Rauschen eines Sterns nicht abzugrenzen ist. Dies behaupten jetzt drei Wissenschaftler in dem US-Magazin "American Journal of Physics".

Ja, die Fangquote der weltweit verstreuten SETI-Fischer, die mittlerweile seit 44 Jahren nach der interplanetaren Flaschenpost im kosmischen Wellenmeer Ausschau halten, ist desillusionierend. Seitdem Frank Drake im Jahr 1960 die SETI-Idee ins Leben rief, zog kein einziger Radioastronom das lang ersehnte Treibgut ans Erdufer. Nur einige Fehlalarme, meistens verursacht von Militärsatelliten, unterbrachen bisweilen den eintönigen Routinebetrieb der SETI-Angler. Anstelle eines intelligenten Piepsers geben im Äther vielmehr das Rauschen der Hintergrundstrahlung, das Pulsieren der Neutronensterne und das Zischen der Nebel- und Gaswolken den Ton an.

ETs Flaschenpost zu finden ist schwer

Um überhaupt ein Signal von ET registrieren zu können, müssen die SETI-Radioastronomen zwischen Botschaften unterscheiden, die eine Kultur zur internen Kommunikation in den Äther schickt, und solchen, die absichtlich an andere Zivilisationen oder auch ziellos in den interstellaren Raum hinausgestrahlt werden, in der Hoffnung, irgendwo empfangen zu werden. Dabei sind die Nachteile bei einer Kommunikation mit elektromagnetischer Strahlung, auf die SETI in erster Linie setzt, gravierend. Dass eine fremde Intelligenz, die weit ins All hinein senden will, starke Sender einsetzen und zugleich die gebündelte Botschaft mehrfach wiederholen und möglichst breit streuen muss, ist in der SETI-Forschung ein alter Hut. Wer nicht am richtigen Küstenabschnitt zum rechten Zeitpunkt wartet, um das unbekannte Strandgut aufzufischen, geht leer aus. Funksignale warten nicht, sondern ziehen stetig weiter und verteilen sich mit zunehmender Distanz über einen immer größeren Radius im All. Was einst die Antenne als gebündelter, intensiver Strahl verlässt, kommt beim unbekannten Adressaten als äußerst schwacher Impuls an.

Die Arecibo-Schüssel; Durchmesser: 305 Meter. Immer noch das weltweit größte unbewegliche Radioteleskop, mit dem SETI-Forscher zeitweilig nach außerirdischen Radiobotschaften suchen. (Bild: NASA)

Auch das SETI-Optical-Programm, das nach stark gebündelten Laserblitzen künstlichen Ursprungs Ausschau hält, sieht sich derselben Problematik gegenüber: Sowohl Licht- als auch Radiowellen werden über sehr große Entfernungen sehr stark zerstreut. Bei alledem birgt eine Kontaktaufnahme via Radiowellen noch weitere Probleme.

Was wäre, wenn...?

So fokussierte sich SETI bislang auf die 21-Zentimeter-Wasserstofflinie, die auch heute noch als kosmische Standardfrequenz angesehen wird, auf der außerirdische Intelligenzen senden könnten. Für eine Suche nach künstlichen Radiosignalen eignet sich der langwellige Bereich der Wasserstofflinie (1,42 Gigahertz), weil auf dieser Frequenz das im Universum am häufigsten vorkommende Element, der neutrale interstellare Wasserstoff, strahlt. Aber es ist noch völlig offen, ob Außerirdische überhaupt diesen Frequenzbereich "frequentieren". Was wäre, wenn sie mit Frequenzen jenseits unserer Vorstellungskraft operierten? Und was wäre, wenn intelligente Lebensformen auf anderen Planeten überhaupt keine Radioastronomie betreiben oder schlichtweg kein Interesse an den Sternen haben, da sie tief im Erdboden leben oder als Meeresbewohner naturgemäß keinen Zugang zum Sternhimmel haben?.

Die legendäre Arecibo-Nachricht: Am 16. November 1974 sandte Frank Drake mit der Arecibo-Antenne (Durchmesser: 305 Meter) eine gezielte und verschlüsselte Nachricht ins All. Erst in 25 000 Jahren wird das morsealphabetähnliche dreiminütige Radiosignal sein Zielgebiet im Kugelsternhaufen M 13 erreichen. Dass darauf jemand antwortet, werden Lachmann und seine Kollegen mit Sicherheit verneinen. (Bild: Frank Drake (UCSC) et al., Arecibo Observatory, Cornell, NAIC)

Bei alledem könnte unseren Planeten ein außerirdisches Kosmogramm schon vor Millionen Jahren erreicht haben – oder erst in ferner Zukunft erreichen. Genauso gut könnte die im Wellenmeer dahin treibende extrasolare Flaschenpost schon angeschwemmt worden sein, ohne dass wir dies je bemerkt hätten respektive jemals bemerken werden. Und was wäre, wenn alle nur senden, aber keiner zuhört oder alle zur zuhören, aber keiner sendet? Das Hauptproblem dürfte die kurze Lebensspanne intelligenter Zivilisationen sein: "Gemessen am Alter unseres Universums sind intelligente Kulturen nur Eintagsfliegen", erklärt die kalifornische SETI-Forscherin Jill Tarter ("We've been doing astrobiology since 1984!").

Alles für die Katz?

Doch all diese Überlegungen könnten samt und sonders für die Katz sein, weil wir nicht in der Lage sind, eine außerirdische Funknachricht aus dem thermischen Rauschen der Sterne herauszufiltern. Zumindest behauptet dies ein deutsch-amerikanisches Forscherteam in der US-Fachzeitschrift "American Journal of Physics". Namentlich handelt es sich bei den Wissenschaftlern um den Physiker Mark Newman von der University of Michigan, den Computerexperten Cristopher Moore von der University of New Mexico (Albuquerque) und den deutschen Anthropologen Michael Lachmann vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.

Ausgehend von einer Studie über elektromagnetische Transmissionen, die der US-Physiker Claude Shannon in den 1940er Jahren erstellte, widmete sich das Trio der Frage, inwieweit sich eine außerirdische Radiobotschaft von der normalen Wärmestrahlung unterscheidet. Shannon kam damals in seiner Untersuchung zu dem Ergebnis, dass eine mit optimaler Informationsdichte abgesendete Nachricht sich nicht von einer zufälligen Zeichenfolge abgrenzen lässt. Anders sei dies aber, wenn dem Empfänger der Code respektive die Sprache des Absenders bekannt wären. Eine Botschaft etwa, die aus der Zeichenfolge AAAAA bestünde, hätte nur einen sehr begrenzten Informationswert, weil das nächste zu erwartende Zeichen leicht vorhersehbar wäre. Demgegenüber wäre die Buchstabensequenz RPLUOFQX weitaus informationsreicher, da das folgende Schriftzeichen nur schwer zu erraten wäre.

Reine Zeitverschwendung

Genau diesen Gedankengang haben die drei Forscher auf die Signalübertragung per elektromagnetischer Informationsdichte angewendet. Dabei kamen Lachmann und seine Kollegen zu dem Ergebnis, dass selbst ein hochenergetischer, mit Information vollgepackter Radiostrahl von der normalen Wärmestrahlung eines Sterns nicht zu unterscheiden wäre. Daher seien auch alle Versuche, die außerirdische Flaschenpost aus dem kosmischen Wellenmeer zu fischen, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Dementsprechend fällt deren Fazit über die Arbeit der SETI-Radioastronomen aus. "Unsere Botschaft an die Leute, die an die SETI-Idee glauben, ist die, dass sie möglicherweise ihre Zeit verschwenden. Denn falls sie wirklich ein Signal von grünen kleinen Männchen auffangen sollten, würden sie dieses wahrscheinlich als Stern einordnen und ignorieren und zum nächsten Tagespunkt übergehen", erklärt Mark Newman.

Faszinierend und farbenprächtig: Das Weltall ist voller Überraschungen. Was noch fehlt, ist der Nachweis, dass wir nicht die einzigen "intelligenten" Bewohner in diesem Universum sind. (Bild: NASA)

Ungeachtet der harschen, beinahe entmutigenden, teils etwas überzogenen Kritik an dem SETI-Programm, das in der so genannten Science Community in puncto Seriosität gleichwohl über jeden Zweifel erhaben ist, sollten sich SETI-Enthusiasten diese Worten nicht zu sehr zu Herzen nehmen. Denn schließlich gibt es ja noch die optische Option, sprich Optical SETI.

Da sich Informationen nämlich besonders gut in kurzwellige Laserimpulse hineinstauen lassen, und weil stark gebündelte Laserstrahlen dunkle Materie oder Nebel- und Gaswolken problemlos durchdringen, könnte das alternative Laser-Verfahren alsbald zum zweiten Standbein der SETI-Forschung werden. Dank hochempfindlicher Lichtdetektoren können SETI-Astronomen inzwischen schon extrasolare Lichtimpulse registrieren, die nur für eine Milliardste Sekunde aufblitzen. Besonders innovativ an der neuen Anlagen sind deren vergleichsweise geringe Fehlalarmquote: Fehlalarme, die früher an der Tagesordnung waren, ereignen sich statistisch gesehen fortan nur einmal im Jahr. Störquellen wie Sternenlicht oder kosmische Strahlung werden auf diese Weise herausgefiltert. Sollte also eine außerirdische Intelligenz einen Nanosekundenimpuls per Laser aussenden, würde dieser sogar 1000-mal heller als deren Heimatstern "erstrahlen". Es besteht demnach kein Anlass zum Pessimismus. Irgendwann werden wir sie schon finden - oder sie uns, sofern dies nicht schon geschehen ist.