SPD: Keine Zeit für Klimaschutz

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Energie- und Klimawochenschau: SPD-Finanzminister will unbequeme Kampagnen aushungern; Wale müssen für ihren Beitrag zum Klimaschutz besser geschützt werden

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Die Sozialdemokraten wählen noch bis zum 25. Oktober in einer Urwahl ihre neue Parteispitze. Verschiedene Umweltverbände haben die antretenden Kandidaten-Paare zu ihren klimapolitischen Positionen befragt. Vier von sieben Paaren haben geantwortet.

Eine Absage kam von den Paaren Kampmann/Roth, Köpping/Pistorius und Geywitz/Scholz. Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte am 20. September dem vollkommen unzulänglichen "Klimapäckchen" der Bundesregierung zugestimmt. Am gleichen Tag waren 1,4 Millionen Menschen für mehr Klimaschutz auf die Straße gegangen. Er finde im Augenblick wegen der parteiinternen Diskussionen keine Zeit, auf die Fragen zu antworten, ließ Scholz wissen. Ähnliche Begründungen gab es auch für die anderen beiden Absagen.

In einer Auswertung der Antworten kommen die Verbände zu dem Schluss, dass vor allem von Nina Scheer und Karl Lauterbach eine Klimapolitik zu erwarten ist, die dem Pariser Abkommen zumindest nahe kommen könnte. Am schlechtesten schneiden Gesine Schwan und Ralf Stegner ab, wie es aussieht vor allem wegen zu schwammiger Antworten. Diese können im Einzelnen in der Bewertung nachgelesen werden. Interessierte können sich also ein eigenes Bild machen.

Siemens-Gamesa übernimmt

Die Zitterpartie für die 3.500 Mitarbeiter des norddeutschen Windanlagenherstellers Senvion hat endlich ein Ende. Wie energate messenger berichtet, wird ein Teil des Unternehmens von Siemens-Gamesa übernommen. Neben dem Servicebereich, der schon länger im Gespräch war, ist dies auch die in Portugal beheimatete Rotorblattproduktion. Senvion hatte letztes Jahr bereits ein Werk in Brandenburg geschlossen, doch war eine Sanierung nicht mehr gelungen. Vor einigen Monaten hatte man Insolvenz anmelden müssen. In Deutschland sind rund 1.800 Beschäftigte an Standorten in Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein betroffen.

Der Landesverband Küste der Industriegewerkschaft Metall (IGM) hat den Teilverkauf begrüßt. Damit zeichne sich zumindest für 500 Beschäftigte eine langfristige Perspektive ab. Darüber hinaus seien bereits 270 Mitarbeiter in einer Transfergesellschaft und die Gewerkschaft erwarte, dass in den nächsten Monaten 600 weitere hinzukämen. Dafür sei die Finanzierung aber noch nicht geklärt. In der Gesellschaft sollen die Beschäftigten fortgebildet und in andere Unternehmen weitervermittelt werden.

Die bisherigen, tariflichen Arbeitsbedingungen und Betriebsratsstrukturen bleiben erhalten. Trotzdem ist es schmerzhaft zu sehen, wie mit Senvion ein Pionier der Windkraftbranche mit eigener Konstruktion und Produktion in Deutschland vom Markt verschwindet und hunderte Beschäftigte ihre Arbeitsplätze verlieren.

Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste

Schlag gegen soziale Bewegungen

Der Kampagnen-Organisation Campact e.V. ist die Gemeinnützigkeit entzogen worden, wie diese auf ihrer Internetseite schreibt. Die Organisation ist nicht nur durch ihre maßgebliche Beteiligung an den Protesten gegen das Freihandelsabkommen TTIP bekannt, sondern unterstützt unter anderem auch die großen Aktionstage der Schüler wie zuletzt den 20. September oder demnächst den29. November.

Durch den Wegfall der Gemeinnützigkeit würden Steuernachzahlung in Höhe von mehreren hunderttausend Euro drohen, meint Campact-Vorstandsmitglied Felix Kolb in einem Brief an die Unterstützer. Außerdem können die Spenden, mit denen sich die Organisation finanziert, künftig nicht mehr von der Steuer abgesetzt werden.

Kolb spricht von einem "Fußtritt" für seine Organisation und macht Bundesfinanzminister Olaf Scholz verantwortlich. Seit Monaten drücke er sich vor einer Reform des Gemeinnützigkeitsrechts, die endlich Rechtssicherheit schaffen könnte. Der Gesetzgeber müsse "endlich den völlig veralteten Zwecke-Katalog reformieren" und den Begriff der politischen Bildung aus der "Zwangsjacke befreien", in die er vom Bundesfinanzhof gesteckt wurde.

Zweierlei Maß

Weiter gemeinnützig ist hingegen übrigens der Verein Uniter, der paramilitärisches Training für seine Mitglieder - oft aktive oder ehemalige Mitglieder von Bundeswehrelite- und Polizeispezialeinheiten - anbietet und gegen den schwere Vorwürfe erhoben werden. Laut Vernehmungsprotokollen, die dem SWR und Focus vorliegen, berichten Zeugen aus Chatgruppen "von Hass auf die Linken, es gebe auch einen Ordner mit Namen, Adressen und Lichtbildern von Personen, die 'weg' müssten". Uniter, das durch Ermittlungen gegen den stellvertretenden Vorsitzenden André S. ("Hannibal") einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde, bestreitet bestimmte Vorwürfe.

RWE hatte im Sommer während der Proteste an seinen rheinischen Braunkohletagebauen seinen Werkschutz durch mindestens zwei Uniter-Mitgleider verstärkt, wie im August die FAZ aufdeckte. Angestellt wurden sie über das Unternehmen "Atlas Solution".

Bei diesem handelt es sich um eine "Sicherheitsfirma" die nach FAZ-Angaben vom Uniter-Mitglied Dennis E. geleitet werde und auch andere Uniter-Mitglieder beschäftige. Dennis E. ist oder war Mitglied der Bundespolizei. RWE habe die Geschäftsbeziehungen mit "Atlas Solution" eingestellt, nachdem es mit diesem Hintergrund seiner Mitarbeiter konfrontiert wurde. Die "Sicherheitsfachleute" hatten ihre Dienste übrigens auch dem Waffenhersteller Heckler & Koch angedient. Dennis E. bildet auch "Sicherheitskräfte" für Abschiebegefängnisse aus.

Bildungsauftrag

Die ARD hat in letzter Zeit alle paar Wochen Erklärvideos über den Klimawandel produziert wie dieses hier. Das hat auf Twitter einige auf die Idee gebracht den Trend #KlimaVor8 zu starten. In der Primetime, so die Forderung, sollen die Öffentlich-Rechtlichen täglich ihrem Bildungsauftrag nachkommen, indem sie über die sich entfaltende Klimakrise berichten.

Derweil haben in Australien rund 1.000 Ingenieure und Ingenieur-Firmen einen Aufruf unterschrieben, in denen sie es ablehnen, künftig noch für die fossilen Energieträger zu arbeiten, wie der Guardian berichtet. Auch der 2014 in Australien als Ingenieurs des Jahres ausgezeichnete Robert Care, der viel Einfluss in der Branche habe, äußere sich kritisch.

Er sei stolz auf seine Leistungen, zitiert ihn die Zeitung, er würde diese Arbeit aber heute nicht noch einmal machen. Die meisten seiner Kollegen könnten feststellen, dass sich der Energiesektor im Übergang befinde und dass sie diesen gestalten sollten, anstatt sich an das Bestehende zu klammern. Einsichten, die man hierzulande auch gerne einmal hören würde, zum Beispiel aus der Automobilindustrie.

Dass mit erneuerbaren Energieträgern Probleme einhergehen können, die sonst eher aus der Agrarindustrie oder der Erschließung mineralischer Ressourcen bekannt sind, zeigt ein Beispiel aus Kenia. Die Plattform Quartz Africa berichtet über einen dort unlängst eröffneten Windpark.

Im abgelegenen Nordwesten des Landes, am Turkana-See, habe ein Konsortium aus öffentlichen und privaten Eignern eine Lizenz für ein Gelände von 607 Quadratkilometer für die Errichtung eines Windparks erhalten. Anlagen mit einer Leistung von 300 Megawatt sind dort seit kurzem in Betrieb oder werden noch errichtet. Der Windpark selbst habe eine Ausdehnung von 162 Quadratkilometern.

Bei dem Gelände handelt es sich um eine Steppenlandschaft, die seit vielen Generationen von Hirten aus der Region genutzt wird. Doch die wurden nicht gefragt und legale Rechtstitel auf das Land haben sie nicht. Ein Konflikt, wie er sich auch in Europa im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit in vielen Staaten abgespielt hat. Hier hat sich meist der Adel gemeinschaftlich genutztes Bauernland - die Allmende - angeeignet. Viele Nachkommen profitieren noch heute davon.

Im Amazonasbecken oder im Grand Chaco im Norden Argentiniens und Westen Paraguays geht die Erschließung durch agroindustrielle Großbetriebe auch heute noch so vor, dass die ursprünglichen Nutzer - Kleinbauern oder Waldbewohner - vertrieben werden. Nicht selten gewaltsam und ohne Chance, vor Gericht einen Rechtsanspruch auf das bisher genutzte Land einklagen zu können.

Eigentlich gibt es internationale Abkommen zum Schutz indigener Bevölkerungen, die derlei verhindern sollen. Doch die werden missachtet oder umgangen. In Kenia behalfen sich Windparkbetreiber und Behörden damit, dass sie die Anwohner und Nutzer als nicht-indigen definierten.

Dadurch ersparten sie sich umfangreiche Konsultationsverfahren und die Erforderliche Zustimmung der betroffenen Gemeinden. Stattdessen gab es nur ein kurzes Verfahren in einer inzwischen aufgelösten Kreisverwaltung.

Die Anwohner bekommen derweil nicht einmal Strom aus den Anlagen, denn ihre Dörfer sind nicht an das nationale Netz angeschlossen. Eines dieser Dörfer musste dem Park sogar weichen. In verschiedenen Interviews, auf denen der Quartz-Beitrag basiert, sei deutlich geworden, dass der Windpark zu Spannungen in und unter den betroffenen Gemeinden geführt hat. Die einen erhoffen sich Jobs und Investitionen der Betreiber, die anderen fühlen sich zur Seite gedrängt und missachtet.

Parallelen zu Ostdeutschland

In gewisser Weise erinnert das auch an die Entwicklung der Windkraft in Deutschland. In vielen Gemeinden im Nordwesten wurden die Parks mit starker örtlicher Beteiligung errichtet. Im Idealfall bleibt ein erheblicher Teil des Ertrags vor Ort und stärkt unter anderem die Kommunen. Der Widerstand gegen den Ausbau ist dort meist in der Minderheit, wobei die zum Teil hohe Anlagedichte der kleinen Maschinen aus den 1990er und 2000er Jahren durchaus für einigen Unmut sorgt.

Anders die Lage in vielen Teilen Ostdeutschlands, wo die Anlagen oft von ortsfremden und mit wenig lokaler Beteiligung gebaut wurden. Dort ist der Nutzen für die Anliegergemeinden oft geringer und entsprechend der Widerstand größer. Zumal das Land oft von der Treuhand an ortsfremde Agrargroßbetriebe verkauft wurde und nicht einmal die Pachteinnahmen in den Dörfern bleiben.

Mit den Änderungen der Förderung der letzten Jahre drängt sich dabei der Verdacht auf, dass dieser Zustand durchaus gewollt ist. Denn mit den neuen Ausschreibeverfahren werden lokale Planung und örtliche Initiativen erheblich erschwert. Wer auch nur ein einziges Groß-Windrad errichten will, kommt nur noch dann in den Genuss einer Förderung, wenn er in einer der mehrmals jährlich durchgeführten bundesweiten Ausschreibungen einen Zuschlag erhält.

Dafür muss er zunächst von den örtlichen Behörden eine Baugenehmigung und eine Zulassung nach dem Emissionsschutzgesetz bekommen. Da die Vergütung aber erst in der Ausschreibung festgelegt wird, weiß er nicht, mit welchem Ertrag er kalkulieren kann. Das wiederum erhöht auch seine Kapitalkosten, da die Banken von einem höheren Risiko ausgehen.

Tierische Klimaschützer

Wale sind nicht nur faszinierende, sondern auch sehr nützliche Lebewesen. Seit längerem wissen Meeresforscher um ihre besondere Bedeutung für den Artenreichtum und ihren positiven Einfluss auf die Fischbestände. Unter anderem hängt das mit ihren langen Wanderrouten und großen Organismen zusammen, die gemeinsam dazu führen, dass sich über ihren Kot Nährstoffe - hauptsächlich Eisen und Stickstoff - aus größeren Tiefen (bei Arten wie dem Pottwal) und über große Entfernungen in ansonsten eher nährstoffarme Ozean-Regionen und Wasserschichten transportieren.

Grafik: Weltwährungsfonds, IMF

Nach katastrophaler Bejagung haben sich zumindest einige Bestände inzwischen wieder erholt. Die Newsweek schrieb im September, dass die Population der Buckelwale im Südatlantik wieder 90 Prozent des Niveaus von Anfang des 20. Jahrhunderts erreicht habe. 1904 sei in dieser vergleichsweise abgelegenen Region die kommerzielle Jagd auf diese Art eröffnet worden. Als die Buckelwale schließlich zu Beginn der 1960er unter Schutz gestellt wurden, habe es nur noch einige Hundert Tiere gegeben. Jetzt wird ihre Zahl wieder auf 25.000 geschätzt.

Damit stellen sie nach jüngsten Berechnungen von Ökonomen des Internationalen Währungsfonds einen gewaltigen Schatz für die Menschheit dar. Dies nicht nur im ideellen Sinn, sondern auch wenn man die Folgekosten des Klimawandels errechnet und entsprechend dem Treibhausgas CO2 einen Wert beimisst, sofern es der Atmosphäre entzogen wird und den Klimawandel weniger drastisch ausfallen lässt.

Grafik: Weltwährungsfonds, IMF

Genau das machen Wale in erheblichen Umfang. Zum einen, in dem sie bei ihrem Tod in den tiefen Ozean absinken, wo die Verwesungsprozesse viele Jahrhunderte brauchen. Auf diese Art entzieht ein großer Wal im Durchschnitt 33 Tonnen CO2 den oberen Wasserschichten und letztlich der Atmosphäre, die mit diesen im Austausch steht.

Zum anderen, in dem sie mit dem oben beschriebenen Nährstofftransport das Wachstum des pflanzlichen Planktons erheblich fördern. Die Gleichung ist recht simpel: Mehr Wale bedeuten mehr Plankton und das bedeutet mehr in Plankton gebundenes CO2. Dadurch wird zum einen der Speicher größer, so als würde ein Wald aufgeforstet. Zum anderen wird ein Teil des CO2 dem System für Jahrhunderte entzogen, wenn das Plankton statt gefressen zu werden abstirbt und zum Meeresboden absinkt.

Die Mengen, um die es dabei geht - oder gehen könnte, wenn die Wale wieder wie einst in großer Zahl die Ozeane durchstreifen - sind gewaltig. 1,7 Milliarden Tonnen CO2 oder rund vier Prozent der gegenwärtigen weltweiten jährlichen Emissionen könnte die großen Wale dem Klimasystem entziehen, wenn ihre Schulen wieder die alte Größe und Zahl hätten.

Das wäre noch nicht die eine große Lösung all unser Klimaprobleme, aber schon ein nennenswerter Beitrag. Insbesondere, wenn die Emissionen endlich drastisch reduziert würden. Doch leider sind die südatlantischen Buckelwale bisher die Ausnahme unter den großen Walen. Insgesamt haben deren Populationen auch nach jahrzehntelangen Schutzprogrammen nur ein Viertel der ursprünglichen Umfangs und bei einigen Arten wie dem Blauwal beträgt der Bestand nur noch wenige Prozent der ursprünglichen Größe. Und lange nicht alle Arten erholen sich.

Neben der inzwischen fast eingestellten Jagd sind die Tiere auch durch Lärm, Plastikmüll und Kollisionen mit Schiffen gefährdet. Die Ökonomen suchen nun einen Mechanismus, der Anreize zum Schutz der Wale schaffen könnte. Zunächst ordnen sie den Walen einen Wert bei, den ihr Erhalt für die Menschheit hat. Wenn sie die über die Lebensspanne sequestrierte, also gespeichert Menge CO2 mit dem Marktwert für CO2 multiplizieren, kommen sie auf über zwei Millionen Euro pro Wal und deutlich über ein Billionen Euro für den gesamten derzeitigen Bestand.

Entsprechend solle Geld analog zu den Subventionen, die für den Schutz von Wäldern fließen, über bestehende und zu schaffende internationale Organisationen verteilt werden. Mit diesem sollen zum Beispiel Reedereien dafür entschädigt werden, dass ihre Schiffe längere Wege fahren, um Wale nicht zu gefährden. Geld könnte auch für Walschutzmaßnahmen in den oft armen betroffenen Küstenstaaten fließen. Ob derlei allerdings kontrolliert und durchgesetzt werden kann, ist eine andere Frage.

Der Waldschutz hat jedenfalls bisher nicht besonders gut funktioniert, wie die Brände in Indonesien, Brasilien oder Bolivien zeigen. Auch aus der Hochseefischerei gibt es irritierende Berichte über Menschenrechtsverletzungen, Sklaverei und Morde im Zusammenhang mit miserablen Arbeitsbedingungen und dem Unterlaufen von Fangquoten.

Auf See ist es nun mal besonders schwer geltendes Recht durchzusetzen, und so lange der winkende Profit hoch genug ist, können viele der Verlockung zur zügellosen Rücksichtslosigkeit offenbar nicht widerstehen.